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Für leistungsstarke Teams braucht es die richtige Führung. (Foto: Andreas Klassen)

Gute Führung: Warum Chefs sich ihren Beschäftigten anpassen müssen

Was ich aus der größten Niederlage meiner Karriere über gute Führung und den Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelernt habe.

„Einmal mit Profis arbeiten!“ – 26 Jahre bin ich alt, beziehungsweise jung, als mir dieser Ausruf durch den Kopf schießt. Ich stehe im französischen Saint-Nazaire als frischgebackener Außenstandortleiter vor meinem neuen Team. Dessen Aufgabe ist es, Restarbeiten an deutschen Flugzeugbauteilen zügig abzuschließen. Bei dem weltweit größten Luftfahrtkonzern sind das oft sogenannte „Firefighting“-Einsätze mit hoher Priorität. Ohne sie ist der gesamte Produktionsablauf gefährdet.

In dem Teammeeting geht es eigentlich um ein simples Thema: Ein filigranes Bauteil im Schnittstellenbereich soll ausgetauscht werden. In der Herstellung ist es nicht einmal 100 Euro wert. Es befindet sich jedoch an einer Position, die der Gesamtproduktion Schäden von mehreren hunderttausend Euro bescheren kann. Die Priorität dieses Auftrags sollte also ein No-Brainer sein. Dachte ich zumindest. Leider waren einige Teamkolleg:innen anderer Meinung. Endlose Diskussionen und Schuldzuweisungen waren die Folge. Nach zehn Minuten hatte ich genug und musste ein Machtwort sprechen. In diesem Business hat man keine Zeit zu diskutieren. Jede Minute zählt und Zeit ist Geld.

Die größte Niederlage meiner Karriere

Ich drohte mit Abmahnungen und Eskalation bis in die oberste Chefetage. Ich erinnerte die Kollegen an ihre Verantwortung und den Grund, warum sie ihr Leben an der schönen französischen Atlantikküste genießen dürfen. Und natürlich daran, dass ich als ihr Chef dieses Leben schnell beenden kann. Meine Rede wurde ernst genommen, die Aufgabe trotz logistischer Herausforderungen am nächsten Tag erledigt.

Ich fühlte mich als Gewinner und dachte, ich hätte diese Situation mit Bravour gemeistert. Was sich jedoch wie ein Triumph anfühlte, war in Wahrheit die größte Niederlage meiner Karriere. Von diesem Tag an galt ich als Chef, der mit Macht und Angst regiert. Eine Führungskraft, der man nicht unbedingt sein Vertrauen schenken will, über die man auf dem Flur vielmehr Witze reißt und die man am liebsten scheitern sehen will.

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Ein Chef ohne wirkliche Macht

In den darauffolgenden zwei Jahren merkte ich zunehmend, dass ich als Chef ohne die Menschen, die da draußen die operative Arbeit verrichten, nichts wert bin. Und dass im direkten Machtvergleich meine disziplinarischen Werkzeuge stumpf sind gegen aufmüpfige und demotivierte Beschäftigte, die auch noch einen starken Betriebsrat als Verbündeten haben.

Ich brauchte also Werkzeuge, die motivieren, statt Angst zu verbreiten. Angefangen durch die Beschäftigung mit den fünf Motivationstypen nach Prof. Dr. Werner Corell wurde mir immer bewusster, wie unterschiedlich Menschen sind und dass sich ein Büro oder eine Werkhalle wie ein Zoo aus ganz unterschiedlichen Spezies zusammensetzt, die nicht die gleiche Sprache sprechen. Ich dachte schon, ich spreche viele Sprachen, aber wie es aussah, musste ich noch weitere lernen.

Der Unternehmenserfolg hängt an den Menschen

Und wie es aussieht, bin ich da nicht alleine: Rund 5,7 Millionen Angestellte haben laut der letzten Gallup-Studie innerlich gekündigt, die Wechselbereitschaft ist so hoch wie nie zuvor und dafür verantwortlich gemacht werden vor allem die Führungskräfte. Nach viel Recherche, Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus der Wirtschafts- und Motivationspsychologie und natürlich andauerndem Erproben in der Praxis kann ich allen Chefinnen und Chefs nur eins raten: sich anzupassen. Und damit meine ich nicht, an die sich ständig ändernden äußeren Bedingungen und Märkte, sondern an die eigenen Angestellten.

Nur so entsteht echte Leistung und von der Performance der Beschäftigten hängt am Ende der ganze Unternehmenserfolg ab. Für mich lautet die Formel für Leistung: Können mal Dürfen mal Wollen. Während wir das Können häufig voraussetzen, da fachliche Fähigkeiten und Qualifikationen durch Ausbildung und Erfahrung erworben wurden, schränken Führungskräfte das Dürfen durch Organisationsstrukturen, Stellenbeschreibungen, betriebliche Befugnisse und Verantwortlichkeiten ein. Auch da brauchen wir ein Bewusstsein, welche Strukturen die Menschen, die uns unterstellt sind, bei ihrer Arbeit bestmöglich unterstützen.

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Aber das größte Augenmerk sollten wir auf das bisher noch immer viel zu wenig berücksichtigte Wollen legen. Viele Führungskräfte begehen den Fehler, dieses als selbstverständlich vorauszusetzen. Die Angestellten haben sich ja schließlich selbst auf ihre Stelle beworben, sich qualifiziert und werden für ihre Arbeit bezahlt. Aber wie man am obigen Beispiel gesehen hat, kann das Verhalten des Vorgesetzten dazu führen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gar nicht mehr am Teamerfolg interessiert sind.

Gute Führung ist Beziehungsarbeit

Am Wollen, also an der intrinsischen Motivation der Beschäftigten, haben Führungskräfte einen größeren Anteil als sie vermuten. Der Schlüssel dafür ist, wie in so vielen Fällen, Kommunikation. Um seine Kommunikation individuell anzupassen, statt einfach nur ein Machtwort zu sprechen, muss man sich allerdings neu kennenlernen: mit regelmäßigen Einzelgesprächen und Teamworkshops, durch die sich auch die Kolleginnen und Kollegen untereinander besser verstehen lernen. Und nicht zu vergessen: Führungsarbeit beginnt bei einem selbst, das heißt, es gilt zunächst die eigenen Motive zu ergründen. Warum habe ich damals so gehandelt, wie ich gehandelt habe?

Menschen beispielsweise, die ein ausgeprägtes Machtmotiv haben, die gerne führen, brauchen viel Freiraum. Ihnen reicht es, wenn sie Ziele und Abgabetermin genannt bekommen. Sie werden pünktlich abliefern. Allerdings kann der Weg, die Aufgabe zu lösen, stark von dem Pfad abweichen, den man selbst eingeschlagen hätte. Das Ergebnis entspricht aber in jedem Fall den gesetzten Anforderungen. Werden sie in jedem Schritt kontrolliert, sind sie schnell demotiviert. Menschen, die lieber an die Hand genommen werden, müssen auch kleine Zwischenschritte mit ihrer Führungskraft besprechen können. Ist der Chef oder auch ein anderes Teammitglied dafür nie verfügbar, orientieren sie sich schnell um.

Ein guter Chef macht sich selbst überflüssig

Das Erstaunliche: Je stärker wir unsere Kommunikationsweise an andere Menschen anpassen und ihnen Einblicke in unsere Persönlichkeit und Werte geben, desto bereiter sind sie auch, sich selbst anzupassen. Es entsteht ein wertschätzendes Umfeld und ein leistungsfähiges Team. Jeder kennt seine Stärken und setzt sie selbstständig ein. Es kommen immer weniger Rückfragen und nach einiger Zeit fühlt man sich als Führungskraft überflüssig. Ein Traum.

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