Im Eisenbahnverkehr in Deutschland ist es 2022 zu deutlich mehr schweren Unfällen gekommen. Das geht aus dem aktuellen Sicherheitsbericht des Eisenbahn-Bundesamtes hervor, den Journalistico ausgewertet hat. Demnach wurden 337 signifikante Eisenbahnunfälle gezählt, was einem Anstieg von rund 41 Prozent entspricht.
Als signifikant gilt ein Unfall, wenn mindestens eine Person schwer verletzt oder getötet wird, wenn ein Sachschaden von mehr als 150.000 Euro entsteht oder wenn auf einer Haupteisenbahnstrecke für mindestens sechs Stunden der Verkehr unterbrochen wird.
Alle drei Millionen Zugkilometer ein signifikanter Unfall
Die Bonner Behörde spricht angesichts der Entwicklung von einem “starken Anstieg” der Unfälle. Demnach war die Zahl der signifikanten Unfälle seit Beginn der Erfassung 2007 nur einmal höher als im vergangenen Jahr. Auch im Verhältnis zu den gefahrenen Schienenkilometern ist der Wert deutlich angestiegen. Statistisch gesehen kam es alle drei Millionen Zugkilometer zu einem signifikanten Unfall.
151 Menschen sind 2022 im Eisenbahnverkehr getötet worden, 19 wurden schwer verletzt. Das waren insgesamt 39 mehr als im vorangegangenen Jahr. Rund 90 Todesfälle entfielen demnach auf Menschen, die sich unbefugt auf Eisenbahnanlagen aufgehalten haben. 40 Todesfälle gab es an Bahnübergängen. Fahrgäste und Beschäftigte sind hingegen kaum zu Tode gekommen.
Besonders gravierend waren 2022 zwei Eisenbahnunfälle in Bayern. In der Einfahrt zum Bahnhof von Ebenhausen-Schäftlarn stießen am 14. Februar zwei Züge der Linie S7 der S-Bahn-München frontal zusammen. Der Lokführer einer der beiden Züge war nach einer Zwangsbremsung unzulässig weitergefahren. Auf der Strecke München-Garmisch-Partenkirchen entgleiste am 3. Juni ein Regionalzug. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben und 68 wurden verletzt. Ursache waren hier vermutlich Schäden an der Strecke.
Schienensuizide 2022 wieder die häufigste Todesursache
In die Zahlen nicht eingerechnet sind sogenannte Schienensuizide. Diese für Lokführerinnen und Lokführer traumatischen Ereignisse sind die mit Abstand häufigsten Todesursachen im Eisenbahnverkehr. Laut dem Sicherheitsbericht haben sich 684 Menschen per Schienensuizid 2022 das Leben genommen. Die Zahl ist im Vergleich zum vorhergehenden Bericht fast unverändert.
An Bahnübergängen kam es zu 76 Unfällen (+23). In 44 Fällen sind Züge kollidiert, davon sieben mit einem anderen Schienenfahrzeug und 37 mit Hindernissen auf, über oder entlang der Schiene, zum Beispiel umgestürzte Bäume. Damit haben sich die Kollisionen binnen Jahresfrist fast verdoppelt. Die Zahl der sonstigen Unfälle stieg von 21 auf 37. Bei Zugbränden und Entgleisungen hat es hingegen kaum Veränderungen gegeben.
Hohe gesellschaftliche Kosten
Die Unfallkosten werden für 2022 auf mehr als eine halbe Milliarde Euro beziffert. Die Summe entfällt fast vollständig auf die sogenannten gesellschaftlichen Verluste durch Unfallopfer (522 Millionen Euro), während Sach- und Umweltschäden sowie unfallbedingte Verspätungen insgesamt lediglich 19 Millionen Euro ausmachen.
Trotz der gestiegenen Unfallzahlen hält das Eisenbahn-Bundesamt den Eisenbahnverkehr in Deutschland für sicher. Es liege “weiterhin ein hohes und gefestigtes Sicherheitsniveau” vor, so die Behörde. Es gebe keine wesentlichen strukturellen Defizite.
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