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Volker Wissing: Verkehrsminister mit Herz für Autofahrer

Volker Wissing provoziert bereits einen Ampel-Krach. Was ist vom neuen Bundesverkehrsminister zu erwarten? Eine Analyse.
Volker Wissing, FDP-Politiker und Bundesverkehrsminister im Kabinett Scholz. (Foto: Laurence Chaperon)
Volker Wissing, FDP-Politiker und Bundesverkehrsminister im Kabinett Scholz. (Foto: Laurence Chaperon)

Er gibt sich als Anwalt der Autofahrer und sorgt damit für Krach in der Ampel-Koalition, noch bevor diese ihre Arbeit überhaupt aufgenommen hat: FDP-Mann Volker Wissing wird der neue Bundesverkehrsminister der Autonation Deutschland. Was ist von ihm – sportlicher Typ, Träger gut geschnittener Anzüge und Liebhaber von Wein mit ungewöhnlichem Hobby – er ist Organist – zu erwarten?

Ein Krawallo-Image hat der 51-Jährige zwar nicht. Im Gegenteil: Der Jurist gilt als analytischer Kopf und Politprofi. So einer sagt nicht einfach mal etwas dahin. Aber er sendet Botschaften, die es in sich haben – und prescht vor.

Streit bei der Senkung der KFZ-Steuer

Nur kurz nach seiner Nominierung erklärte er via Bild, dass er Autofahrerinnen und Autofahrern nicht zu hohe Spritpreise zumuten wolle. Er brachte eine Senkung der KFZ-Steuer ins Gespräch, falls der Diesel an der Tankstelle künftig mehr kosten sollte. Die KFZ-Steuer senken? Als erstes? Das kam bei seinen neuen Kollegen, bei den Grünen nicht gut an.

Zum Beispiel nicht bei Cem Özdemir, der selbst für das Verkehrsressort gehandelt wurde, nun aber das Landwirtschaftsressort übernimmt. Dem Deutschlandfunk sagte Özdemir, dass es nicht darum gehe, den fossilen Verbrenner zu verlängern, sondern ihn zu beenden: „Das ist der Koalitionsauftrag. Punkt. Ende.” Nur: Offenbar lesen nicht alle den Auftrag gleich. Die Spielräume sind groß.

15 Millionen E-Autos bis 2030 – nur wie?

So viel ist klar: Die jährlichen Verkehrsemissionen müssen deutlich runter und bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 fast halbiert werden. Das ist kein Ampel-Vorschlag, sondern längst im Klimaschutzgesetz beschlossene Sache. Bisher hat der Verkehr – anders als Industrie und Haushalte – nicht zum CO2-Sparen beigetragen. Die Alternativen zum Diesel und Benziner – da sind sich Verkehrsexperten einig – müssen darum interessanter, attraktiver werden. Heißt: Zum einen müssen Angebote zum Radfahren, zum Bahnfahren, auch zum Transport auf der Schiene ausgebaut werden, zum anderen Autos elektrisch fahren.

Wie das der neue Verkehrsminister steuern soll? „Das bleibt im Koalitionsvertrag viel zu vage”, sagt Christian Hochfeld von der Denkfabrik Agora Verkehrswende. Zwar will die Ampelkoalition 15 Millionen reine E-Autos bis 2030 auf die Straße bringen. „Das klappt aber nicht ohne Lenkung”, kritisiert der Experte, der sich seit Jahren für mehr Klimaschutz einsetzt. Nicht ohne ökologischen Umbau der KFZ-Steuer. Nicht ohne umfassende Reform der Firmen- und Dienstwagenregelung sowie der Entfernungspauschale. Nicht ohne schärfere CO2-Grenzwerte für die Autoflotte als bisher für die Zeit bis zum Jahre 2030 vorgesehen. Hochfeld: „All das findet sich nicht in den knapp 180 Seiten Vertrag.”

Andere EU-Länder haben bereits Verkehrskonzepte

Immerhin versprechen SPD, Grüne und FDP „erstmalig erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren” zu wollen. Das reicht Hochfeld allerdings auch nicht: „Sie schaffen so das 1,5 Grad-Ziel nicht”, sagt er – und fordert: „Der Verkehrsminister muss radikal umsteuern, in den kommenden Wochen ein schlüssiges Gesamtkonzept vorlegen. Ein Hexenwerk ist das nicht.” Andere Länder gingen längst voran.

Belgien habe alle Förderungen für Diesel gestrichen, Spanien werde 2023 in seinen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern Zonen einrichten, in denen der Verkehr mit besonders klimaschädlichen Fahrzeugen beschränkt ist. In Frankreich hätten bereits 200 Städte Tempolimits verhängt.

Die Autobahn hat Priorität

Wissing ist der erste FDP-Mann, der das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur übernimmt. Allein die letzten zehn Jahre hat immer die CSU das Verkehrsressort geführt. Neu sind die Verkehrsdebatten für Wissing jedoch nicht. Er war fünf Jahre lang in Rheinland-Pfalz Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zuständig bis er im Mai diesen Jahres FDP-Generalsekretär wurde. Seine Heimatstadt: Landau nahe der deutsch-französischen Grenze. Wissing ist einer von vielen Politikern, welche die Pfalz ihre Heimat nennen.

Ihm sei der sechsspurige Ausbau der A 643 oder den Bau der A 1 zwischen dem nordrhein-westfälischen Blankenheim und Kelberg in Rheinland-Pfalz ein Anliegen gewesen, sagt Sabine Yacoub vom Umweltverband BUND in Rheinland-Pfalz. Ob der Liberale das Gespräch mit Umweltschützern gesucht habe? „Nein, es gab keins”, sagt sie.

Verbesserungspotenzial: ROLPH und die Radfahrer

Er habe die App „Rheinland-Pfalz.Gold” ins Leben gerufen, mit der Wanderer und Radfahrer ihre Touren planen können, sagt Horst Metzler von der Allianz-pro-Schiene in Rheinland-Pfalz. Und er habe den „Rheinland-Pfalz Takt”, das war gut zwei Jahrzehnte die Dachmarke für den öffentlichen Personen-Nahverkehr, umbenannt in: „ROLPH”. Der neue Name helfe wenig, er sei erklärungsbedürftig. Das sehen die Marketingleute offenbar selbst so, auf der Internetseite schreiben sie: „In meinem Namen steckt RLP, in meinem rollenden O eine Menge moderner Mobilität, und das H ist eigentlich nur dafür da, dass Du das in einer Silbe gut aussprechen kannst.”

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Als Förderer des Radverkehrs habe sich Wissing „nicht besonders hervorgetan”, heißt es beim Allgemeinen Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Das müsse sich auf Bundesebene ändern. Den Anspruch hat Volker Wissing selbst formuliert. Dem Fernsehsender Phoenix sagte er: „Es sind enorme Veränderungsprozesse nötig. So wie es ist, kann es nicht bleiben.”

Zahlencheck: Der Bundesverkehrsminister

Volker Wissing kann einiges bewegen, wenn er will. Der Bundesverkehrsminister, Dienstort Invalidenstraße 44 in Berlin, hat Geld und Macht.


Der Etat: 41,15 Milliarden Euro.
Das Netz: 13.000 Kilometer Autobahnen, 38.000 Kilometer Bundesstraßen. Dazu die Deutsche Bahn mit mehr als 33.300 Kilometern Schienen.
Die Leute: 1250 Mitarbeiter in Berlin und Bonn. 43 nachgeordnete Behörden. Darunter das Kraftfahrtbundesamt oder der Deutschen Wetterdienst.

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