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Gesetze im Metaverse: „Das wird uns Juristen ganz schön beschäftigen“

Genau wie in der analogen Welt müssen Gesetze auch im Metaverse gelten. Ein Gespräch mit dem Rechtsanwalt Finn Niklas Nitz.
Finn Niklas Nitz, Rechtsanwalt und Spezialist für IT- und Kryptorecht. (Foto: SBS Legal)
Finn Niklas Nitz, Rechtsanwalt und Spezialist für IT- und Kryptorecht. (Foto: SBS Legal)

Das Metaverse soll einmal ein Ort werden, am dem sich Menschen austauschen, miteinander interagieren und Geschäfte abschließen können. Dafür braucht es eine rechtliche Grundlage – genau wie im echten Leben. Doch wie kann man Gesetze im Metaverse durchsetzen, wenn es dort keine Ländergrenzen gibt? Ein Gespräch mit Finn Niklas Nitz, Rechtsanwalt und Spezialist für IT- und Kryptorecht bei der Hamburger Kanzlei SBS Legal.

Herr Nitz, welche Form der Rechtsberatung bietet SBS Legal im Hinblick auf das Metaverse derzeit an?

Das Metaverse-Recht ist nicht als eigene Rechtskategorie originär entstanden. Diese ganzen Rechtsfragen, die sich um die Thematik herum ergeben, finden immer Anknüpfungspunkte in den bestehenden Rechtskategorien. Das macht die Juristerei für uns immer wieder so interessant und auch so herausfordernd. Es ist ja auch öfter so, dass die Rechtsentwicklung der digitalen Entwicklung etwas hinterherhängt. Aber eine Kategorisierung und Anknüpfung anhand des bestehenden Rechts ist eigentlich immer gut möglich. Eine Sache, mit der wir uns ganz stark beschäftigen, ist das Thema NFTs, weil diese im Metaverse eine große Rolle spielen. Wir bieten in diesem Punkt eine große Palette an Rechtsberatung an, beispielsweise auch den entsprechenden Markenrechtsschutz wie auch Beratung bei aufsichtsrechtlichen Fragen. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hat ja jetzt auch festgelegt, wie man NFTs markenrechtlich schützen kann. Da hat es nach langer Zeit endlich eine Klarstellung gegeben, wie Unternehmen ihre Marke im NFT-Bereich schützen können. Wir bieten Beratung an bei allen Aspekten der Blockchain, der NFTs und der übrigen Token. Andererseits ist es natürlich auch so, dass wir immer die Augen offen halten, was gerade im Rechtssetzungsprozess vonstatten geht. Da sind beispielsweise der Digital Services Act und der Digital Markets Act entscheidend, die primär dafür da sind, Haftungen und Sicherheit auf den Plattformen und Diensten zu garantieren, eine gewisse Beschränkung der Marktmacht und eine Ergänzung des Wettbewerbsrechts durchzusetzen. Wir haben jetzt zum Jahresbeginn eine größere Novellierung im Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bekommen, welche unter anderem eine Umserzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie darstellt. Im BGB gibt es jetzt eine ganze Menge an Paragrafen unter dem Punkt „Verbraucherverträge über digitale Produkte“, das wird im Metaverse auch eine Rolle spielen. Wenn Sie irgendeine Art von Shop im Metaverse betreiben, gelten dort ja auch Kaufverträge, nur dass es sich eben um digitale Produkte handelt. Häufig kann man mit bestehenden Regeln reagieren, aber es ist eben auch gut, dass wir jetzt verbindliche Regelungen haben. Der Gesetzgeber geht eben auch mit der Zeit, Preise sind nicht mehr nur das von den Notenbanken herausgegebene Geld, sondern auch Kryptowährungen. Ein großes Stichwort ist auch das Steuerrecht: Der Bundesfinanzhof hat Ende 2021 entschieden, wie das mit der Vermietung von Land in einem Online-Spiel aussieht. Also dass die Gewinne, die aus so einer digitalen Vermietung entstehen, auch ein Fall für den Fiskus sind und zur Steuer veranlagt werden können.

„Man sollte im Vorfeld abklären, ob das eigene Geschäftsmodell eine Erlaubnispflicht nach sich zieht.”

Welche Rolle spielt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei Investitionen im Metaverse?

Die BaFin ist die klassische Aufsichtsbehörde für Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen. Wir haben in der alltäglichen Arbeit bei SBS Legal besonders mit dem Kreditwesengesetz (KWG) zu tun, das ist das primäre Aufsichtsgesetz. Es gibt noch ein paar andere Gesetze, aber das KWG macht den Hauptanteil im Bereich des Aufsichtsrechts aus. Kryptowerte werden im Gesetz mittlerweile als Finanzinstrumente definiert. Wenn man Herausgeber eines solchen Kryptowertes ist, unterliegt man möglicherweise schon der Aufsicht. Das wird in vielen Fällen verneint, in einigen Fällen aber auch bejaht, zum Beispiel, wenn mein Token so etwas wie eine Gewinnbeteiligung verspricht. Also immer dann, wenn der Token so ausgestaltet ist wie etwa ein Wertpapier. Dann unterliegt man häufig auch einer Prospektpflicht. Dass das nicht auch im Metaverse gelten sollte, dafür gibt es keine Anhaltspunkte, sodass die BaFin da sicher auch ein Auge drauf haben wird. Wenn sich verschiedene Metaverse-Plattformen und verschiedene Währungen verknüpfen und man verschiedene Währungen tauschen oder in seinem Wallet halten will, dann wird das auch verschiedene Finanzdienstleistungen erfordern, für die man eine Erlaubnis benötigt. Wenn man das so anbietet, dass deutsche Kunden das in Anspruch nehmen können und von dem Angebot angesprochen werden, dann ist man voll drin in der Aufsichtspflichtigkeit.
Dann muss die BaFin dem qua Gesetz nachgehen. Und dann sollte man im Vorfeld abklären, ob das eigene angedachte Geschäftsmodell nicht auch ganz schnell eine Erlaubnispflicht nach sich zieht.

„Die große Frage ist, was wir als Daten im Metaverse definieren. Sind zum Beispiel Aufzeichnungen der Gestik unseres Avatars auch so wie Daten zu behandeln?”

Inwiefern müssen die aktuell geltenden Gesetze noch an das Metaverse angepasst werden?

Da ist ein großes Stichwort der Datenschutz. Wir haben in Europa und damit auch in Deutschland ja die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die trotz vieler Probleme und Meckereien weltweit eine gewisse Benchmark gesetzt hat Im Bereich Datenschutzrecht. Da ist natürlich die große Frage, was wir als Daten im Metaverse definieren. Sind zum Beispiel Aufzeichnungen der Gestik und Mimik unseres Avatars auch so wie Daten zu behandeln? Wie sieht es mit Bewegungsprofilen aus? Das sind alles Fragen, die noch geklärt werden müssen. Da muss man eben schauen, ob man durch die Rechtsauslegung bisheriger bestehender Gesetze diese Problematiken zu fassen bekommt, oder ob man dann eben neue Gesetze auf den Weg bringen muss. Das Strafrecht ist natürlich auch immer eine Sache. Wie können wir die Straftatbestände aus der analogen Welt in die digitale Welt transformieren? Das Vernichten eines Avatars kann man zum Beispiel ja nicht gleichsetzen mit der Tötung eines Menschen im realen Leben. Um mal ein drastisches, aber auch plastisches Beispiel zu nennen. Da muss man sich schon fragen: Lassen sich die bisherigen Gesetze eins zu eins spiegeln? Wo machen wir die Unterschiede fest? Gleichzeitig ist aber auch klar: Wenn ich jemanden im Metaverse betrüge, oder das im realen Leben mache, das sind Fälle, die lassen sich relativ einfach abbilden. Alles andere sind rechtspolitische Fragen, die geklärt werden müssen. Es wird außerdem Diskussionen geben, bei denen ethische Fragen diskutiert werden müssen. Dort wird der Schutz von Schwächeren, Minderjährigen oder Minderheiten eine Rolle spielen. Das sind ja auch Fragen, die uns im alltäglichen Leben beschäftigen und da gilt es zu diskutieren, wie man diese Transformation ins Digitale hinbekommt.

Wie lassen sich Gesetze überhaupt anwenden, wenn die Metaverse-Plattformen keine geographischen Grenzen besitzen?

Dadurch, dass es im Metaverse keine reelen Grenzen gibt, wird die Rechtsanwendung natürlich interessant. Da wird dann die Frage sein, welches Recht man anwenden kann. Für Europa ist das wahrscheinlich vergleichsweise einfach, weil die meisten Gesetzesänderungen in Deutschland ihren Ursprung in europäischen Vorgaben haben und wegen des gleichen europäischen Gesetzgebungsursprungs ein einheitlicher Schutzrahmen in den verschiedenen Mitgliedsstaaten gewährt wird. Auch gibt es hier seit Jahren bestehende Regelungen bei der Frage der Rechtsanwendung, zum Beispiel die so genannten „Rom-Verordnungen“. Wenn man jetzt aber einen Vertrag mit jemanden schließt, der nicht in Europa sitzt, dann kommt es zu Problemen. Wer ist denn dann dafür verantwortlich? Gibt es dann so etwas wie eine Metaverse-Gerichtsbarkeit? Das sind aktuell im Kryptobereich schon Fragen, mit denen wir uns beschäftigen. Eine abschließende Antwort gibt es noch nicht, die können wir Juristen aber auch nicht geben. Das muss ein fluider Prozess mit ganz vielen Beteiligten sein.

„Gesetze müssen so formuliert werden, dass sie klar und eindeutig, aber gleichzeitig so offen sind, dass sie nicht im halbjährlichen Takt angepasst und geändert werden müssen.”

Wie können Gesetze entworfen werden, wenn sich die virtuelle Welt ständig verändert?

Gesetze müssen so formuliert werden, dass sie klar und eindeutig, aber gleichzeitig so offen sind, dass sie nicht im halbjährlichen Takt angepasst und geändert werden müssen. Das sind spannende Fragen und das wird uns alle, insbesodere eben die Juristen, in den kommenden Jahren ganz schön beschäftigen. Wenn man sich für die ganze Thematik interessiert ist das nichts, vor dem man zurückschrecken sollte, sondern man kann das als spannende neue Beschäftigung annehmen. Als eine Art kleines Abenteuer.

Sie erstellen auch Compliance-Richtlinien für das Metaverse – wie kann man sich das vorstellen?

Compliance-Richtlinien sind ja im Prinzip eine Art interner Verhaltenskodex, den man sich in einem Unternehmen gibt. Das ist in diesem Zusammenhang schon wichtig, weil das Metaverse ja keine staatliche Institution ist. Das Metaverse ist eine Sache privater Anbieter. Compliance-Richtlinien helfen, dass man sich selbst im Sinne der Transparenz, der Gesetzlichkeit und des Schutzes von Schwächeren und Minderheiten von Anfang an im Metaverse gewisse Grundregeln gibt. Das kann dabei helfen, dass man ein gedeihliches Miteinander erlebt und keine „Wild West“-Mentalität entsteht. Auch dort kann man auf bestehende Compliance-Regelungen aus der realen Welt zurückgreifen, muss diese dann aber auf die Gegebenheiten des Metaverse anpassen.

Es gibt bereits Anwaltskanzleien, die einen virtuellen Standort auf einer Metaverse-Plattform besitzen. Planen Sie ähnliche Schritte?

Wir sind im Hintergrund mit Planungen in diese Richtung beschäftigt. Wenn sich herauskristallisiert, welche Plattformen sich als die großen Player etablieren, werden wir das Thema vertiefend angehen.

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