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Tierwohllabel: Cem Özdemir stellt fünfstufigen Plan vor

Bundesagrarminister Cem Özdemir schlägt ein staatliches Tierwohllabel vor. Wird sich das Leben von Huhn, Rind und Schwein verbessern?
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat Pläne für ein verpflichtendes Tierwohllabel vorgestellt. (Symbolbild: Phoenix Han)
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat Pläne für ein verpflichtendes Tierwohllabel vorgestellt. (Symbolbild: Phoenix Han)

Ob ein Tier ein besseres oder schlechteres Leben hatte, bevor es als Wurst, Schnitzel, Steak auf dem Teller landet, soll künftig auf der Verpackung zu sehen sein: Der grüne Bundesagrarminister Cem Özdemir hat am Dienstag Eckpunkte für eine staatliche Kennzeichnung vorgestellt, die Pflicht werden soll. Das Tierwohllabel ist Cem Özdemirs Versuch, die Tierhaltung „zukunftsfest” zu machen, so dass es ein „gutes Einkommen” für Landwirtinnen und Landwirte gebe, das Tierwohl geachtet und der Schutz der Biodiversität und des Klimaschutz gewährleistet werde. Was ändert sich?

Özdemirs Tierwohllabel: Liegen Fleisch und Wurst mit neuer Kennzeichnung in jedem Supermarkt?

Die Kennzeichungspflicht soll sich zunächst auf frisches Schweinefleisch, gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, das im Lebensmittelladen, im Fleischereifachgeschäft, auf dem Wochenmarkt oder im Online-Handel zu kaufen ist, beschränken. Allerdings ist das die beliebteste Fleischart in Deutschland. Im vergangenen Jahr hat jede und jeder Deutsche 9,4 Kilo Fleisch vom Rind und Kalb sowie 13,1 Kilo vom Geflügel verzehrt. Vom Schwein waren es, wenn auch zehn Kilo weniger als noch vor zehn Jahren, satte 31 Kilo. Es ist ein Anfang, später sollen alle anderen Fleischarten folgen.

Woran lässt sich erkennen, wie es dem Schwein erging?

Die Kennzeichnung soll fünf Stufen haben. „Stall” wird für eine Haltung stehen, die den gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht. Bei „Stall+Platz”, soll das Schwein 20 Prozent mehr Platz haben, der Stall etwas komfortabler eingerichtet sein. „Frischluftstall” heißt: Das Schwein hat 46 Prozent mehr Platz, eine Seite des Stalls ist offen. Bei „Auslauf/Freiland” kann das Tier mindestens acht Stunden am Tag raus. Dazu kommt die Stufe: „Bio”. Wie die Tiere transportiert und geschlachtet werden, spielt für das Label keine Rolle, das soll gesetzlich geregelt werden. Wer schummelt, soll mit Bußgeldern rechnen müssen.

Werden die Tiere dank dem Tierwohllabel von Cem Özdemir künftig besser leben?

Die Tiere werden auf keinen Fall sofort glücklicher, nach und nach dürfte sich aber etwas tun. Das zeigt die Erfahrung. Schon im April 2019 haben die großen deutschen Handelskonzerne freiwillig selbst ein vierstufiges Label eingeführt. Seither fragt die Umweltorganisation Greenpeace jedes Jahr bei den großen Ketten nach: 2021 waren in den
Supermärkten demnach noch neunzig Prozent des Fleisches mit den unteren Haltungsformen 1 oder 2 gekennzeichnet, allerdings mit einer Verschiebung von 1 nach 2. Und: Aldi, Rewe, Penny haben zum Beispiel angekündigt, ab 2030 nur noch Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 zu verkaufen. Ein Grund: In Umfragen geben 92 Prozent der Deutschen an, dass ihnen wichtig sei, wie Tiere gehalten werden.

Wem schmeckt das Tierwohllabel nicht?

Bäuerinnen und Bauern sind unter Druck. Die Zahl der Betriebe, die Schweine halten, sinkt schon jetzt: 2019 waren es noch 21.200 deutschlandweit, 2021 noch 18.800 – ein Rückgang um gut 11 Prozent. Nun noch der furchtbare Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, er treibt
die Kosten für Energie, für den Diesel der Traktoren, auch für das Getreide. Schweine bringen derzeit wenig ein, eher zahlt ein Betrieb noch drauf. Das Geld für einen Umbau der Ställe: knapp. Allerdings stemmt sich niemand gänzlich gegen Özdemirs Plan. Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, sieht „einen ersten wichtigen
Schritt, aber auch noch erhebliche Lücken”.

Steigt der Preis fürs Schnitzel?

Regierungsberater schlagen schon seit längerem einen Aufschlag von 40 Cent pro Kilo Fleisch, damit Bauern für eine bessere Tierhaltung mehr Geld bekommen. Das will die FDP in der Ampelkoalition aber nicht, sie lehnt eine Abgabe, auch einen höheren Mehrwertsteuersatz ab. Für Bäuerinnen und Bauern, die ihre Ställe nun tierfreundlicher umbauen, sind im Bundeshaushalt bis zum Jahr 2026 eine Milliarde Euro vorgesehen.
Özdemir meint, das reiche langfristig nicht. Er versicherte: „Wir lassen die Bauern nicht im Stich.”

Oder doch lieber ganz ohne Fleisch?

Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 98.000 Tonnen Lebensmittel hergestellt, die Fleisch oder Fleischprodukte mit pflanzlichen Alternativen ersetzen – 17 Prozent mehr als 2020. Der Wert der Produkte belief sich auf 458 Millionen Euro. Schon seit geraumer Zeit geht der Fleischkonsum insgesamt in Deutschland zurück. 2021 lag er pro Person und Jahr bei 55 Kilogramm. Das sind 7,8 Kilo weniger als noch zehn Jahre zuvor. Dennoch: Der Wert der Fleischproduktion 2021 entsprach mit 35,6 Milliarden Euro noch immer rund dem 80-fachen des Wertes der Fleischersatzprodukte. Die Frage der Tierhaltung – sie bleibt.

Wann kommt das Tierwohllabel von Cem Özdemir?

Schon CDU-Frau Julia Klöckner, auch CSU-Mann Christian Schmidt, die vor Özdemir das Agrarressort inne hatten, planten ein Tierwohl. Sie scheiterten. „Wir sind zum Erfolg verdammt”, meinte aber Özdemir. Und: „Ich möchte, dass die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland eine Zukunft hat.” Geht es nach seinem Plan, startet das Tierwohllabel im Laufe des kommenden Jahres.

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