Stellwerksausfall im bayerischen Forchheim, Weichenfehler im Hauptbahnhof Köln, Kabelbrand in Hamburg-Altona: Deutschlands Schienennetz ist in einem schlechten Zustand. Die Deutsche Bahn baut soviel wie noch nie, gleichzeitig sind so viele Züge unterwegs wie noch nie. Und sie sind verspätet wie noch nie. Damit das Ganze nicht auf einen Kollaps zusteuert, plant die Deutsche Bahn ein Sanierungsprogramm. Radikal neue ist das Vorgehen: die Erneuerungen sollen blockweise passieren.
Statt vieler Einzelbaustellen auf besonders befahrenen Strecken sieht das Konzept vor, ganze Korridore zu sperren und grundlegend zu sanieren. Idealerweise geht das schneller als die vielen Einzelbaustellen. Danach werde der entsprechende Bereich deutlich mehr Kapazität haben, sagte Richard Lutz, Chef der Deutschen Bahn, der das Konzept am Montag vorstellte. Und er versprach, mehrere Jahre keine Baustellen nach einer solchen Grundsanierung. Während der Arbeiten gibt es Einschränkungen: lange Umleitungen, Ausfälle, für den Güterverkehr eventuell sogar Ersatzverkehr über die Straße. Der Sanierungspfad sei nicht frei von Wachstumsschmerzen, sagte Lutz.
Deutsche Bahn: Sanierungsprogramm soll Überlastung verhindern
Rund 3500 der rund 33.400 Kilometer Bahn-Schienennetz in Deutschland sind besonders stark befahren. Lutz nannte sie auch im europäischen Vergleich am höchsten belastet. Rund 25 Prozent aller Züge befahre zehn Prozent des Netzes. Zu den wichtigsten Korridoren zählen etwa die sogenannte Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim, die Strecken Dortmund–Duisburg–Düsseldorf–Köln. Hamburg–Hannover und Würzburg–Nürnberg, Mittel- und Oberrheintal sowie die Eisenbahnknoten Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart.
Gerade auf den wichtigsten Korridoren wachse der Verkehr überproportional, sagte Lutz. Die Strecken seien gleichzeitig die mit dem schlechtesten Zustand. Sie sind demnach überaltert und nicht für Wachstum ausgerichtet. Dabei soll die Bahn ihr Angebot ausbauen, um mehr Menschen in die im Vergleich zu Flugzeugen oder Autos umweltfreundlichere Bahn zu locken. Und von 2030 an soll der Deutschlandtakt stehen – vereinheitliche Abfahrtszeiten mit garantierten Anschlüssen in großen Städten. „Das Engpassnetz muss zu einem Hochleistungsnetz werden”, sagte Lutz.
Deutsche Bahn will Sanierungsprogramm 2024 starten
Beginnen will die Bahn mit dem neuen Konzept 2024. Jährlich sollen zwei bis drei Korridore saniert werden. Abgeschlossen sein soll die Großsanierung der wichtigsten Strecken in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre. Vorbild für das Vorgehen sind Österreich und die Schweiz, wie Lutz sagte.
Bis es 2024 losgeht, will die Deutsche Bahn gemeinsam mit dem Eigentümer Bund und der gesamten Branche, zu der unter anderem Konkurrenten und Logistikfirmen zählen, genau erarbeiten, wo begonnen wird und in welcher Form. Bis dahin will die Bahn prüfen, wo sich Baumaßnahmen bereits heute bündeln lassen, und die Absprachen verbessern.
Finanzieren will Lutz das neue Konzept mit dem bestehenden Geld. Wobei mehr nötig werden könnte. Die Bahn will dieses Jahr allein 13,6 Milliarden Euro in Netz und Bahnhöfe stecken. 2019 hieß es, die Bahn habe bis 2030 rund 170 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Grundsanierung sieht er als Voraussetzung, um überhaupt wachsen zu können.
80 Prozent Pünktlichkeit wird in diesem Jahr nicht erreicht
Lutz skizzierte das Konzept nur einen Tag, nachdem Bundeverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” erklärt hatte, die neue Bahn-Infrastrukturgesellschaft solle zum 1. Januar 2024 starten. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist vereinbart, die Bahn-Sparten für Netz und Bahnhöfe zusammenzulegen. Ihre Gewinne sollen künftig in der neuen Sparte bleiben und wieder investiert werden.
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Unklar ist noch, wer das neue Baukonzept umsetzen und die Sparten integrieren soll. Derzeit fehlt der Bahn ein Infrastrukturvorstand. Roland Pofalla, der die Position innehatte, verließ die Bahn im April. Lutz deutete an, es könne nach der regulären Aufsichtsratssitzung der Bahn Ende Juni Neuigkeiten geben.
Sicher ist allerdings, dass die Bahn ihr Ziel, 80 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr zu erreichen, in diesem Jahr reißen wird. Man werde „signifikant davon entfernt” sein, sagte Lutz. Nach fünf Monaten liegt die Pünktlichkeitsquote bei gut 70 Prozent.
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