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Die Pandemie bedroht auch historische Bauten

Deutschland besitzt viele historische Bauwerke. Wir sollten sie schützen, und zwar nicht erst dann, wenn der Schaden angerichtet ist. Ein Gastbeitrag.
Denkmalpflege mit Drohnen: Technik zur Instandhaltung nutzen. (Foto: Leonard von Bibra)
Denkmalpflege mit Drohnen: Technik zur Instandhaltung nutzen. (Foto: Leonard von Bibra)

Ausgefallene Hochzeitsfeiern in Schlössern, ein leerer Klingelbeutel in den Kirchen und abgesagte Konzerte und Kulturveranstaltungen – auch für unsere historischen Bauten war und ist die Pandemie eine Bedrohung. Das Geld für die Instandhaltung wurde in den vergangenen Jahren nochmals knapper.

Wir haben in Deutschland einen reichen Bestand historischer Bauwerke, die schützenswert sind. Alleine die katholische Kirche verfügt hierzulande über mehr als 60.000 denkmalgeschützte Gebäude und Liegenschaften, bei der evangelischen stehen circa 80 Prozent der rund 20.300 Gebäude unter Denkmalschutz. Hinzu kommt eine bisher nicht deutschlandweit erfasste Anzahl an Schlössern, Gutshäusern und anderen Denkmälern. Wir sollten sie nicht erst dann schützen, wenn der größte Schaden bereits angerichtet ist.

Denkmalbauten sind einzigartig, die Herausforderungen auch

Ich war viele Jahre als Bauingenieurin in der Privatwirtschaft im industriellen Großanlagenbau tätig, aber ich habe einfach eine besondere Leidenschaft für historische Bauwerke. Für mich strahlen Denkmalbauten – insbesondere Kirchen – häufig eine ganz besondere Ruhe und Ästhetik aus, die für mich mit Ehrfurcht und Bewunderung der Expertise der damaligen Baumeister einhergehen.

Diese Handwerkskunst und die Materialien, die bei ihnen zur Verwendung kamen, stellen uns für ihren Erhalt allerdings auch vor ganz besondere Herausforderungen. Kein Gebäude gleicht dem anderen. Ihre Instandhaltung ist daher häufig aufwendig und kostenintensiv. Gerade in humanitären Krisenzeiten wird ihre Notwendigkeit und Dringlichkeit öfter mal in Frage gestellt. Aber was wären unsere Städte und Dörfer ohne historische Gebäude, die Geschichten erzählen über die Region und Geschichte greifbar machen?

Über Claudia Rougoor

Die Bauingenieurin Claudia Rougoor hat eine besondere Leidenschaft für historische Bauwerke und daraus ein eigenes Geschäftsmodell entwickelt. Sie war viele Jahre in der Privatwirtschaft im industriellen Großanlagenbau tätig, bevor sie 2018 ihr Unternehmen „Zangano“ gründete. Im Spanischen steht das Wort für Drohne, die männliche Biene. Diese setzt sie ein zum Schutz denkmalgeschützter Spezialimmobilien, etwa Kirchen, Schlösser oder Gutshäusern, und geht damit neue Wege zur schnellen Ersteinschätzung und Bauzustandserhebung. Rougoor versteht sich als „Bauwerkshüterin mit dem besonderen Blick“ und nimmt in Vorträgen ihre Zuhörer mit auf eine spannende Reise in die Zukunft unserer Bauwerke.

Wir benötigen präventive Denkmalpflege

Für dieses Dilemma gibt es in meinen Augen eine Lösung: das Alte mit der neuesten Technik zu verbinden und präventive Denkmalpflege zu betreiben. Präventive Denkmalpflege bedeutet vorausschauendes, ganzheitliches Agieren bezüglich des Unterhalts und der Instandsetzung denkmalgeschützter und historischer Gebäude.

Das heißt, die Bauwerke regelmäßig nach einem festgelegten Ablaufschemata in Augenschein nehmen, kleinste Veränderungen in der Bausubstanz wahrnehmen und dokumentieren sowie kontinuierlich sich abzeichnende Schäden bereits in ihrem Anfangsstadium beheben.

Das hat den Vorteil, dass so mittel- und langfristig der Zeit- und Kostenaufwand im Unterhalt dieser Gebäude erheblich reduziert werden kann. Denn wird erst im Fall eines akuten Schadens reagiert, ist dieser zu diesem Zeitpunkt meist schon recht weit fortgeschritten, die Instandsetzung wird aufwendiger und kostspieliger. Angesichts zunehmender Budget- und Ressourcenknappheit, die durch die Pandemie noch verschärft wurde, ist präventive Denkmalpflege meiner Meinung nach unerlässlich.

Drohen können Schäden an Denkmälern früh erkennen

Traditionell wird bei Schäden beziehungsweise vermuteten Schäden erst einmal ein Gerüst aufgebaut und dann schaut sich das der Fachmann – seltener die Fachfrau – genauer an. Das ist natürlich zeitaufwendig und man kann so unmöglich das ganze Gebäude in Augenschein nehmen. Viel einfacher wird präventive Denkmalpflege durch Drohnen.

Bereits vor Jahren wurde ich im privaten Umfeld auf Drohnen aufmerksam und war sofort fasziniert. Sie erinnern mich an meine Kindheit, ich besaß damals selbst ein über Kabel ferngesteuertes Auto, später eine Carrerabahn. Folglich kamen Drohnen auch während der Evaluierungsphase meiner Gründung als selbstständige Unternehmerin „auf den Tisch“, und es stelle sich heraus, dass sie viel Nutzen und Mehrwert liefern: Drohnen für die visuelle Inspektion von Bauwerken einzusetzen, ist sehr effizient und effektiv.

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Moderne Technik und traditionelles Handwerk

Die Vorbereitungszeit für einen Einsatz ist kurz, der Zeitaufwand vor Ort im Vergleich zur konventionellen Herangehensweise mit Gerüst, Hubsteiger oder Industriekletterer gering. Zudem können bei der Denkmalpflege mit Drohnen Personal- und Materialkosten eingespart werden, und auch die Arbeitssicherheit beziehungsweise das geringere Unfallrisiko sprechen für den Einsatz.

Die Aufnahmen sind qualitativ sehr hochwertig und können in nachgelagerter Software zum Beispiel zu 3D-Modellen weiterverarbeitet werden, die dann etwa für detaillierte Analysen der Oberfläche der Bausubstanz, für Vermessungen oder Sanierungsplanung zur Verfügung stehen. Die meiste Zeit nimmt tatsächlich die digitale Weiterverarbeitung und Analyse der Daten ein. Sie muss im engen Austausch mit allen Beteiligten auf Bauwerksseite stattfinden.

Es ist wichtig, die moderne Technologie mit der Expertise von Architekten, Bauingenieuren und vor allem Handwerkern wie Steinmetzen, Restauratoren, Zimmerleuten et cetera zu kombinieren. Je nach Zielsetzung und Befliegungsergebnis folgen noch weitere Untersuchungen am Bauwerk durch andere Gewerke.

Denkmalpflege mit Drohnen: Handeln, bevor es zu spät ist

Die Individualität der einzelnen Bauwerke ist Fluch und Segen zugleich. So schön und reich das Erbe auch ist, für Kosteneinsparpotenziale und die Optimierung von Prozessen ist sie eine immense Herausforderung. Oft sind bereits irreparable Schäden an der Bausubtanz aufgetreten. Nicht, weil zur Bauzeit ungeeignete Materialien verwendet wurden, sondern weil sich die Randbedingungen für die Bauwerke verändert haben.

Umwelteinflüsse, fehlerhafte frühere Instandsetzungen mangels Expertise oder identischem Material, all das erschwert die Replizierbarkeit. Aber das größte Problem ist, dass den Betreuerinnen und Betreuern der Bauten und somit auch uns als Gesellschaft die Zeit davonläuft. Wir müssen daher schnellstmöglich ein neues Bewusstsein und ein innovatives Konzept für das Zusammenwirken von Experten und modernen Technologien etablieren.

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