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Repair Cafés: Reparatur-Gesetze gehen nicht weit genug

Überall in Deutschland entstehen Repair Cafés gegen die Wegwerfgesellschaft. Doch die deutschen Reparatur-Gesetze gehen noch nicht weit genug.
Die Idee von Repair Cafés: Reparieren statt Wegschmeißen. (Foto: Kilian Seiler)
Die Idee von Repair Cafés: Reparieren statt Wegschmeißen. (Foto: Kilian Seiler)
Manche Schattenseiten der Konsumgesellschaft hat wohl jeder Verbraucher schon einmal kennengelernt. Die erst vor kurzem gekaufte Kaffeemaschine streikt. Doch statt sie eben mal zu reparieren, muss eine neue gekauft werden. Denn das nötige Ersatzteil ist fast so teuer wie ein brandneues Gerät. „Bei einer Kaffeemaschine für 54 Euro kostete die Heizpatrone allein einmal 45 Euro”, sagt Michael Eichner, „acht bis 15 Euro wäre angemessen.” Eichner ist Helfer im RepairCafé Dresden Freital. Dort und an sechs weiteren Standorten können sich Anwohner aus der Nachbarschaft einmal monatlich treffen und mit Hilfe der Experten manche kaputten Geräte wieder instand setzen. Das spart Geld und wertvolle Rohstoffe.
Aus privaten Initiativen wie der in Sachsen ist längst eine bundesweite Bewegung geworden. RepairCafés gibt es inzwischen in vielen Städten. Hier helfen Freiwillige Konsumenten mit ihrem Fachwissen, wenn das Tablet, ein Wasserkocher oder Fernseher instand gesetzt werden muss. Es ist Hilfe zur Selbsthilfe, zum Beispiel mit Werkzeug, keine Dienstleistung, bei der Kunden warten, bis andere die Arbeit für sie erledigt haben. Dafür kostet es auch nichts. Bundesweit gibt es ein großes Netzwerk der Initiativen, die auf eine Idee aus den Niederlanden zurückgeht. Interessenten können online RepairCafés in ihrer Nähe finden. 925 sind dort inzwischen gemeldet. Die Initiativen beobachten eine stark wachsende Nachfrage von Kommunen nach RepairCafés in ihrer Gemeinde.

Repair Cafés gegen die Wegwerfgesellschaft

Der Antrieb für die Helfer ist neben der Begeisterung für die Tätigkeit selbst auch die Möglichkeit, der Wegwerfgesellschaft etwas entgegen zu setzen. „Tüfteln war schon immer meins”, sagt Erik Schanze, der das Dresdner RepairCafé organisiert. Die Besucher kommen aus allen Bevölkerungsgruppen. „Die einen wollen Geld sparen, anderen ist Nachhaltigkeit wichtig, wieder andere wollen einfach bloß reden”, beobachtet Schanze. Bei letzterem helfen Kaffee und Kuchen, jedenfalls war es vor der Pandemie noch so.

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Am häufigsten sind es Audiogeräte wie Radios oder Hifi-Anlagen, die mitgebracht werden. Auf Rang zwei der Statistik finden sich Haushaltsgeräte, gefolgt von Computern. Aber auch Spielzeug, Leuchten oder Telefone sind im Gepäck. Doch stoßen die Helfer überall in Deutschland auch schnell auf die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Ein Problem sind fehlende Schaltpläne für Elektrogeräte. Die Hersteller stellen sie oft nicht bereit oder rücken sie nur an Fachbetriebe heraus. „Serviceunterlagen gibt es für weniger als zehn Prozent der Produkte”, schätzt Eichner. Die Industrie hat offenkundig mehr Interesse am Verkauf neuer Güter als an einer möglichst langen Lebensdauer bereits verkaufter Produkte. 

Reparatur-Gesetze gehen nicht weit genug

Ein zweites Ärgernis für die Helfer sind verklebte statt verschraubte Chassis. Eine Reparatur ist zwar möglich, doch hinterher lässt sich das Gehäuse nicht mehr richtig zusammensetzen. Hier fordert Schanze andere Vorgaben an die Industrie. „Die Geräte müssen einfach zu öffnen sein”, verlangt er. Derlei Probleme hat die Politik sowohl in Deutschland als auch in der EU zwar erkannt. Doch die bisherigen Maßnahmen für ein Recht auf Reparatur gehen den Praktikern nicht weit genug. 
Ohnehin kommen längst nicht alle Reparaturen für die Selbsthilfe in Frage. Die Tüftelarbeit erstreckt sich vor allem auf alte Geräte, für die es noch Ersatzteile gibt. Auch eher preiswerte Artikel für die sich der Auftrag an einen Profibetrieb nicht lohnt oder jene, die nur mit einem großen Zeitaufwand wieder instand gesetzt werden können, sind ein Fall für das RepairCafé. Um Waschmaschinen oder andere Großgeräte kümmern sich die professionellen Fachbetriebe. „Es ist keine Konkurrenz”, betont Daniel Affekt, der in Berlin ein RepairCafè für den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) betreibt. Im Gegenteil sei die Kooperation mit den Reparaturbetrieben in einem großen Netzwerk erwünscht. „Da ist noch ein großes Potenzial”, glaubt er.

Nachbarländer sind bei Reparatur-Gesetzen schon weiter

Die EU hat sich des Themas zwar schon angenommen. Seit dem letzten März müssen die Hersteller von einigen Elektrogroßgeräten wie Waschmaschinen TV-Geräten oder Kühltruhen die Verfügbarkeit von Ersatzteilen über Jahres sicherstellen und Geräte so konstruieren, dass sie geöffnet werden können. Doch am Recht auf Reparatur für viele Produkte arbeitet die Kommission noch. Einzelne Länder sind da schon weiter. So hat Frankreich einen Reparaturindex für einige Produktgruppen eingeführt. Der Kunde kann beim Einkauf anhand eines Zeichens erkennen, wie kundenfreundlich ein Produkt in dieser Hinsicht ist. Außerdem gilt im Nachbarland für Reparaturen durch Fachbetriebe ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz. So wird der Kostenabstand zum Neukauf vergrößert. 
Das Netzwerk Runder-Tisch-Reparaturen fordert auch von der Bundesregierung nationale Regeln für das Recht auf Reparatur. Zwar will die Bundesregierung Verbraucherrechte stärken, allerdings klingen die Maßnahmen aktuell noch wenig konkret. Neben einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz fordert das Netzwerk zum Beispiel die Pflicht von Herstellern, zehn Jahre lang Software-Updates für ihre Produkte bereitzustellen. Auch solle die Regierung darauf einwirken, dass Ersatzteile zu angemessen günstigen Preisen erhältlich sind. Schließlich plädiert das Netzwerk für einen Reparaturbonus, den es in Thüringen und Österreich als Vorbilder schon gibt.
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