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Ist das Ende der Globalisierung gekommen?

Bedeutet der Ukraine-Krieg ein Ende der Globalisierung? „Welthandel wird nicht mehr als Win-Win-Situation betrachtet”, meint Ökonom Rolf J. Langhammer.
Rolf J. Langhammer, Ökonom und Professor am Institut für Weltwirtschaft (ifw) in Kiel. (Foto: ifw)
Rolf J. Langhammer, Ökonom und Professor am Institut für Weltwirtschaft (ifw) in Kiel. (Foto: ifw)

Was bedeutet der Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland für die Weltwirtschaft? Stehen wir vor einem Ende der Globalisierung? Ein Gespräch mit dem Ökonom Rolf J. Langhammer.

Russland, das größte Land der Erde wird weitgehend aus der Weltwirtschaft ausgeschlossen – als Reaktion auf seinen Angriff gegen die Ukraine. Ist ein Ende der Globalisierung, wie wir sie seit 1990 kennen, in Sicht?

Schon vor der russischen Invasion bewegten sich die tektonischen Platten der Weltwirtschaft – USA, Europa und China – auseinander. Der Schock des Krieges verstärkt diese Tendenz nun. Die große Zeit der Globalisierung vom Fall der Mauer bis zur Finanzkrise ab 2008 liegt hinter uns. Während damals Kooperation, Vernetzung und freierer Handel im Mittelpunkt standen, dominiert nun der Rückzug auf den Austausch mit sicheren Partnern.

Warum rücken die großen Wirtschaftsblöcke auseinander?

China konzentriert sich zunehmend auf seinen Binnenmarkt. Die Führung betrachtet den globalen Handel als nicht mehr so wichtig für die eigene Entwicklung. Die Europäische Union denkt infolge der Corona-Pandemie an die sichere Versorgung mit strategischen Produkten
wie Arzneimitteln und Computerchips. Man will Lieferketten widerstandsfähiger gegen Schocks machen sowie besser an Menschenrechten und Umweltschutz ausrichten. Der Handel innerhalb Europas und mit Partnern auf ähnlichem Einkommensniveau dürfte davon profitieren. Die USA machen Ähnliches. Präsident Joe Biden ist kein Freihändler.

„Welthandel wird nicht mehr als Win-Win-Situation betrachtet.”

Politik scheint jetzt vor Wirtschaft zu gehen – die Umkehrung der früheren Priorität?

Geoökonomische Interessen werden stärker als bisher Einfluss auf die Wirtschaftspolitik nehmen. Das Prinzip der nationalen Sicherheit spielt eine größere Rolle. Welthandel wird nicht mehr als Win-Win-Situation betrachtet. Der grenzenlose Optimismus der 1990er und
2000er Jahre ist dahin.

Die harten Sanktionen, beispielsweise das Einfrieren des Kapitals der russischen Zentralbank und der Ausschluss von Geschäftsbanken aus dem internationalen Verrechnungssystem Swift, werden vermutlich so schnell nicht aufgehoben. Erprobt der Westen damit eine Politik, die auch China treffen könnte, sollte die Pekinger Regierung Moskau militärisch unterstützen oder sich an Taiwan vergreifen?

Die Sanktionen treffen China schon jetzt, weil die Weltnachfrage schwächelt und damit auch die Nachfrage nach Chinas Gütern. Die dortigen Unternehmen halten sich wohl an die Beschränkungen. Technologie, in denen westliche Vorleistungen stecken, werden sie nicht
nach Russland liefern. China versucht immer die Kosten für die eigene Wirtschaft zu begrenzen. Das belegt einerseits die Wirksamkeit der westlichen Sanktionen, dürfte andererseits aber die chinesischen Bemühungen um Autarkie stärken.

„Russland ist in allen wirtschaftlichen Bereichen auf dem absteigenden Ast.”

Als Reaktion auf den russischen Angriff macht Europa sich schneller unabhängig von fossilen Energien. Das ist eine schlechte Nachricht für alle Staaten, die Kohle, Öl, Gas verkaufen und sonst wenig zu bieten haben – neben Russland unter anderem die arabischen Autokratien. Werden diese für eine gemeinsame Weltökonomie zunehmend unwichtig?

Die Golfstaaten haben den Schuss schon lange gehört. Sie wissen, was durch die Klimaerwärmung und das Pariser Abkommen auf sie zukommt. Deshalb bereiten sie sich vor und setzen auf neue Geschäftsfelder, etwa Transportlogistik, Kongresse, Kultur oder
Finanzdienstleistungen. Den Golfstaaten wird es wohl gelingen, die fossile Ökonomie hinter sich zu lassen und später trotzdem eine Rolle in der Weltwirtschaft zu spielen. Für Russland sieht es dagegen schlechter aus. Im Vergleich zu den fortgeschrittenen Ländern ist es in allen wirtschaftlichen Bereichen auf dem absteigenden Ast. Russland ist eine Kriegswirtschaft, und wird es bleiben.

Führt die energiepolitische Transformation der reichen Länder dazu, dass diese in den kommenden Jahrzehnten eher bei sich zu Hause investieren und weniger im globalen Süden – siehe der E-Auto-Hersteller Tesla bei Berlin, der Chipkonzern Intel bei Madgeburg und der Batterieproduzent Northvolt bei Hamburg? Gibt es ein Ende der weltweiten Globalisierung?

Die Staaten des Nordens werden eher ihre Beziehungen untereinander verstärken. Ich halte ein neues Handelsabkommen zwischen Europa und den USA für naheliegender und inhaltlich weitergehender als eines zwischen der EU und Afrika. Wobei der Mittelmeerraum, Nordafrika und die Sahara für Europa geoökonomisch wichtiger werden. Diese Länder
haben beste Voraussetzungen, um grünen Strom und grünen Wasserstoff produzieren – Importe, die wir dringend brauchen.

„Eine andere Definition von Wohlstand könnte sich durchsetzen: geschützte Grenzen, Sicherheit, soziale Stabilität und intakte Umwelt statt immer mehr Güter.”

Besteht die Gefahr, dass eine schwächere Globalisierung bei uns zu Einbußen beim Wohlstand führt?

Wenn sich die Globalisierung abschwächt, leidet vor allem das Wirtschaftswachstum der armen Länder. In den reichen Staaten geht das Potenzialwachstum wegen der Alterung der Gesellschaft zurück. Denn der Bedarf an sozialen und medizinischen Dienstleistungen steigt, die geringere Produktivitätsgewinne erwirtschaften. Die großen materiellen Sprünge liegen hinter uns liegen. Vielleicht werden unsere Gesellschaften bescheidener. Eine andere Definition von Wohlstand könnte sich durchsetzen: geschützte Grenzen, Sicherheit, soziale Stabilität und intakte Umwelt statt immer mehr Güter.

Über Rolf J. Langhammer

Rolf J. Langhammer (74) arbeitet als Ökonom am Institut für Weltwirtschaft (ifw) in Kiel und ist Honorarprofessor an der dortigen Universität.

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