Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) steht in der Schusslinie. FDP und AfD wollen das Gesetz abschaffen. Für die Liberalen ist die darin geregelte Erneuerbaren-Förderung ein “planwirtschaftliches System”, das „umweltpolitisch seine Ziele nicht erreicht“. Für die Rechtspopulisten müssen die „Subventionen“ gestrichen werden, ansonsten „werden die erneuerbaren Energien niemals konkurrenzfähig“. Was ist dran an dieser Kritik? Der Journalistico-Faktencheck.
Bedeutet das EEG Planwirtschaft?
Das Gesetz gibt politische Ziele für die Energiewirtschaft vor: Bis 2050 sollen mindestens 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien kommen. Für den Weg dahin gibt es im Gesetz auch Ausbauplanvorgaben für Windkraft, Solar und Biomasse und mittels Vergütungsgarantien dafür Anreize. Es gibt also ganz klar eine politische Steuerung der Entwicklung im Stromsektor über das EEG.
Geht es in der Energiewirtschaft also um Freiheit oder Sozialismus?
Mancher Manager in der Energiewirtschaft bemüht – wie die FDP – mit Blick auf die politischen Eingriffe beim Erneuerbaren-Ausbau den Begriff Planwirtschaft und weckt damit wohl gezielt Erinnerungen an die DDR. Allerdings gab es in der Energiewirtschaft auch in Westdeutschland immer schon eine vergleichsweise enge Verzahnung mit dem Staat, zum Beispiel gibt es fast überall im Land nach wie vor Stadtwerke im Besitz der Kommunen. Auch die Steuerung des Energiemixes ist nichts Neues, wie beispielsweise das Atomgesetz von 1959 zur Förderung der „Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken“ zeigt.
Erreicht das EEG seine Ziele?
Der Ausbau geht voran. Das Gesetz gibt bis 2025 das Zwischenziel aus, dass die Erneuerbaren 40-45 Prozent des Stromverbrauchs abdecken. 2016 waren es laut Bundeswirtschaftsministerium knapp 32 Prozent, zur Einführung des EEG im Jahr 2000 waren es noch 6 Prozent, zu Beginn der Legislaturperiode 25 Prozent.
Das EEG soll die Energieversorgung auch klimafreundlicher machen. Wie sieht es da aus?
Anders als der FDP-Energieexperte Hermann Otto Solms sagt, gibt es einen Rückgang der CO2-Emissionen. Die Kohlendioxidemissionen der deutschen Stromproduktion betrugen laut Umweltbundesamt zur Jahrtausendwende 327 Millionen Tonnen pro Jahr. 2016 waren es trotz deutlich höherer Stromproduktion insgesamt noch 306 Millionen Tonnen CO2. Die Kilowattstunde Strom erzeugen deutsche Kraftwerke damit nun laut Zahlen des Umweltbundesamts um 18 Prozent klimafreundlicher als noch im Jahr 2000, obwohl der Anteil des CO2-freien Atomstroms deutlich gesunken ist. Neben dem Erneuerbaren-Ausbau liegt dies auch an effizienteren fossilen Kraftwerken. Insgesamt steigen die Treibhausgasemissionen Deutschlands zwar seit 2014 sogar wieder leicht, das liegt aber außerhalb der Einflussmöglichkeiten des EEG, etwa am Verkehr.
Auch wenn die Emissionen gesunken sind, ist der Strompreis jedenfalls kräftig gestiegen. Was bringt es, jetzt das EEG abzuschaffen?
Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch für einen Haushalt von 3.500 Kilowattstunden und einem Strompreis von 29,16 Cent pro Kilowattstunde, mit dem AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland rechnet, ergeben sich Stromkosten von 1.020,60 Euro pro Jahr, pro Monat und Haushalt also 85,05 Euro. Die EEG-Umlage beträgt 6,88 Cent pro Kilowattstunde, beim angenommenen Durchschnittsverbrauch macht die Erneuerbaren-Förderung also 240,80 Euro pro Jahr oder 20,07 Euro pro Monat und Haushalt aus. Aber auch bei einer Streichung des Gesetzes würden diese EEG-Umlagezahlungen, die sich in diesem Jahr bislang auf 16,5 Milliarden Euro summieren, nicht einfach verschwinden. Die Anlagenbetreiber haben eine 20-jährige Vergütungsgarantie erhalten, die anderweitig zu bezahlen wäre. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schlug erst am Montag wieder eine teilweise Finanzierung der Erneuerbaren-Förderung aus dem Bundeshaushalt vor, um die EEG-Umlage zu senken. Damit will der DIHK die Stromverbraucher zuungunsten der Steuerzahler entlasten. Profitieren könnten davon je nach Ausgestaltung ärmere Haushalte sowie kleinere und mittlere Unternehmen. Die nächste Bundesregierung könnte damit auch die – auch von der AfD – beklagte Umverteilung nach oben vom armen Mieter zum Hauseigentümer mit Solardach verringern.
Das EEG soll aber auch die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung verringern. Wie kann es wieder günstiger werden?
Die Fördersätze sind seit den Anfängen bereits deutlich zurückgegangen. Erhielten beispielsweise Solaranlagen im Jahr 2000 noch 99 Pfennig (50,62 Cent) pro Kilowattstunde Strom, sind es derzeit maximal 12,20 Cent Festvergütung für Neuanlagen. Trotz geringerer Förderung gibt es nach wie vor Neuinstallationen. Das spricht dafür, dass das EEG sein Ziel einer Weiterentwicklung der Erneuerbaren-Technologien erfüllt hat und ihre Konkurrenzfähigkeit zumindest gestiegen ist. Auch sinkt seit 2013, inklusive der teuren Altanlagen, die durchschnittliche Vergütung pro Kilowattstunde Erneuerbaren-Strom wieder. Nach den Spitzenwerten von 18,3 Cent in den Jahren 2011 und 2012 lag die Prognose für dieses Jahr bei 16 Cent. In der zweiten Hälfte der nächsten Legislaturperiode fallen zudem die ersten teuren Altanlagen aus dem 20-jährigen Förderzeitraum. Das lässt langfristig auf sinkende Kosten für die Erneuerbaren hoffen. In den nächsten Jahren erwartet die Denkfabrik Agora Energiewende aber noch einen weiteren Strompreisanstieg für die Verbraucher. Etwa 2023 dürfte nach Agora-Berechnungen der Spitzenwert erreicht sein. „Im Jahr 2035 wird der Strom nicht mehr kosten als heute“, so die Überzeugung der Denkfabrik.
Geht es in Zukunft nicht ohne Erneuerbaren-Förderung?
Möglich ist es. Energieversorger sehen sich offenbar nah dran an dieser Zukunft: ENBW und Dong Energy wollen im nächsten Jahrzehnt Offshore-Windparks in der Nordsee ohne Förderung bauen. Dafür brauchen sie aber aus Expertensicht höhere Großhandelspreise an der Börse als heute, auch wenn die Technologie günstiger wird als bisher. Das gleiche gilt für die anderen Technologien. Allerdings kann Deutschland zentrale Einflussfaktoren für die hiesigen Börsenstrompreise nicht oder nur begrenzt beeinflussen: Dies sind derzeit vor allem die weltweiten Steinkohle- und Gaspreise. Das CO2-Preissystem funktioniert europäisch, die Reformen des Handelssystems in den vergangenen Jahren waren immer ein zähes Ringen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Für die Investitionen in Erzeugungsanlagen, bei Offshore-Windparks geht es um Milliardensummen, ist zudem das Zinsniveau für die Finanzierung wichtig. Dieses war zuletzt wegen der niedrigen europäischen Leitzinsen niedrig. Wenn es nach der AfD geht, verlässt Deutschland aber die Eurozone, die FDP will die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank beenden.
Was heißt das am Ende?
Das EEG ist zumindest auf dem Weg, seine langfristig angelegten Ziele zu erreichen. Braucht es das Gesetz dafür noch? Eine ersatzlose Aufgabe der deutschen Erneuerbaren-Förderung muss zumindest nicht bedeuten, dass in Deutschland der Zuwachs an Erneuerbaren aufhört. Zum einen können weiterhin Anlagen für den Eigenverbrauch entstehen, wenn dies günstiger ist als der Strombezug aus dem öffentlichen Netz. Zum anderen können auch die Kosten für die Erneuerbaren-Technologien weiter sinken und der Großhandelspreis steigen, womit Investitionen Aussicht auf Rendite bekommen können. Der Zubau wäre ohne EEG weniger politisch steuerbar, im Sinne der FDP wäre es also weniger Planwirtschaft. Der Erneuerbarenausbau und damit die Ziele hingen tatsächlich von der Konkurrenzfähigkeit am Markt ab. Für letztere aber reicht es wohl nicht, dass sich die Erneuerbarenbranche einfach mehr anstrengt. Konkurrenzfähigkeit steht und fällt auch mit der Konkurrenz. Das bedeutet, der Zuwachs bei den Erneuerbaren in Deutschland hängt dann zum Beispiel auch davon ab, wie viel Steinkohleimporte Chinas Regierung zulässt und was das mit den Weltsteinkohlepreisen macht.