Politikwechsel nach elf Jahren: Die Europäische Zentralbank erhöht nächste Woche die Zinsen, erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag. Mit der Anhebung um 0,5 Prozent reagiert die Notenbank, die die gemeinsame Währung Euro herausgibt, auf die hohe Inflation im Euroraum. Diese betrug 8,6 Prozent im Juni.
Ursprünglich hatte das Leitungsgremium nur eine Erhöhung um 0,25 Prozent angepeilt. Man sei jedoch „zu der Einschätzung gelangt, dass ein größerer erster Schritt angemessen ist“, hieß es. Schließlich liegt die Inflationsrate weit über den zwei Prozent jährlich, die für akzeptabel gehalten werden. Der Sprung von 0,5 Prozent gilt nun jeweils für die drei Zinssätze der Zentralbank. Der Tarif, zu dem sich Geschäftsbanken mittelfristig Geld leihen können, steigt von null auf 0,5 Prozent. Und weitere Anhebungen könnten bald folgen – das kündigte Lagarde gleich mit an.
EZB erhöht Zinsen: Inflation muss trotzdem nicht enden
Außerdem beschloss der EZB-Rat ein neues Programm, um die Folgen der Zinserhöhung für stark verschuldete Euro-Mitglieder wie Italien zu dämpfen. Im Notfall könnten damit Staatsanleihen gekauft werden. Dies würde verhindern, dass die Verschuldungskosten für manche Länder zu sehr steigen.
Private Sparerinnen und Sparer dürfen nun hoffen, dass sie in einiger Zeit nominale Zinsen zum Beispiel für Guthaben auf ihren Spar- und Festgeldkonten erhalten. Im Zuge dieser Entwicklung werden auch Lebensversicherungen und andere private Rentenverträge wohl wieder etwas mehr Rendite abwerfen. Das muss aber nicht bedeuten, dass der bisherige Wertverlust von Guthaben zum Stillstand kommt. Wenn die Inflation höher ist als der nominale Zins, kann die reale Verzinsung trotzdem negativ ausfallen, allerdings nicht mehr so stark wie vorher.
Bankkredite werden teurer
Mit der Zinserhöhung werden auch die Kreditzinsen wachsen, die Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen, wenn sie sich Geld bei Banken leihen. Das heißt: Baukredite werden teurer, Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen unter dem Strich möglicherweise ebenso.
Außenwirtschaftlich betrachtet dürfte die Zinserhöhung den Kurs des Euro gegenüber anderen Währungen, vor allem dem US-Dollar, unterstützen. Importe nach Deutschland, etwa Energie, könnten deshalb relativ etwas billiger werden. Andererseits steigen die Preise hiesiger Exportgüter für ausländische Käufer, was die Geschäfte der einheimischen Firmen leicht beeinträchtigen mag.
Kritiker begrüßen Entscheidung überwiegend
Wobei die Mission der EZB augenblicklich heikel ist. Einerseits muss sie etwas gegen den Preisauftrieb unternehmen. Ihre Aufgabe besteht schließlich im Wesentlichen darin, die Geldwertstabilität des Euro zu sichern, mithin die Kaufkraft der Verbraucher. Andererseits schwächt sich gerade die Wirtschaftsdynamik ab, die Wachstumsraten gehen zurück. Ursachen dafür sind Probleme im globalen Handel nach Corona, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Sanktionen des Westens und der mögliche Gasboykott durch Moskau. Eine Rezession, also Schrumpfung der Wirtschaftsleistung, im kommenden Jahr ist nicht ausgeschlossen. In einer solchen Situationen verbieten sich Zinserhöhungen eigentlich. Sie bremsen die Ökonomie zusätzlich, weil dadurch auch Kredite für Unternehmen und deren Investitionen teurer werden. Die beiden Ansätze lassen sich nur schwer miteinander vereinbaren.
Ökonomen begrüßten die EZB-Entscheidung überwiegend. Kritik wurde unter anderem daran geübt, dass sich die Notenbank zu viel Zeit gelassen habe. „Das ist viel zu wenig und kommt viel zu spät“, bemängelte CSU-Europapolitiker Markus Ferber. „Die EZB muss in den kommenden Wochen einen Zahn zulegen.“
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