Die Bahn ist eines der größten Sorgenkinder der künftigen Regierung. Mit der FDP und den Grünen wird eine Zerschlagung der Deutschen Bahn wieder zum Thema. Die Deutsche Bahn ist hoch verschuldet und das Netz chronisch überlastet. Es werden nicht genügend Güter auf der Schiene transportiert und das Nahverkehrsnetz reicht nicht aus. Dabei sollen Transporte von Menschen und Gütern auf dem 36.000 Kilometer langen Schienennetz einen wichtigen Beitrag zu klimaschonender Mobilität leisten. „Starke Schiene” heißt das Konzept, mit dem der Marktführer und Staatskonzern Deutsche Bahn aus der Krise fahren will.
Der größte Streitpunkt zwischen den Parteien, aber auch den Gewerkschaften, ist die Struktur der Deutschen Bahn, die mit hunderten Tochterunternehmen in aller Welt kaum überschaubar ist und bei der die verschiedenen Sparten mitunter schlecht zusammenarbeiten. FDP und Grüne haben deshalb immer wieder eine Trennung von Netz und Betrieb der Bahn sowie den Verkauf der nicht zum deutschen Eisenbahngeschäft zählenden Betriebe vorgeschlagen. Mehr zu den Plänen der Parteien für die Deutsche Bahn. Doch was würde eine Zerschlagung der Deutschen Bahn konkret bedeuten?
Bahn besitzt de facto eine Monopolstellung
Die Deutsche Bahn übernimmt einerseits die Instandhaltung und Verwaltung des Schienennetzes. Damit verantwortet sie auch die Investitionen ins Netz, für die allerdings der Steuerzahler aufkommt. Und sie vergibt die Trassen für die Nutzung durch die eigenen Züge, aber auch die der Konkurrenz. Damit besteht tendenziell die Gefahr, dass Wettbewerber benachteiligt werden. Außerdem kann sie über die Preisgestaltung zumindest theoretische andere Bahnunternehmen benachteiligen. Daher fordern die Wettbewerbsbahnen die Trennung von Netz und Betrieb.
Der Betrieb, also zum Beispiel die ICE-Verbindungen oder der Nah- und Güterverkehr bliebe bei einer Trennung bei der Deutschen Bahn. Sie müsste sich dann wie alle anderen Branchenunternehmen um Trassen bewerben. Die Netzgesellschaft könnte auch einzelne Relationen ausschreiben und so den Wettbewerb anheizen. Aus dem Fast-Monopolisten würde so in einigen Bereichen nur eines von mehreren Anbietern. Außerdem könnte die Deutsche Bahn auf diese Weise doch noch leicht privatisiert werden.
Zerschlagung der Deutschen Bahn ist mit der SPD nicht zu machen
Gegner und Befürworter einer Zerschlagung der Deutschen Bahn lassen sich nicht einfach in Interessenlager einteilen. FDP und Grüne wollen die Trennung auf lange Sicht aus unterschiedlichen Gründen. Die Liberalen sehen in mehr Wettbewerb die Gesundung des Systems, die Grünen wollen vor allem mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Auch die beiden Bahngewerkschaften sind sich uneins. Die Lokführergewerkschaft GDL ist für die Trennung, weil damit das Netz allein öffentlichen Interessen dient und sie vermutlich insgesamt an Einfluss gewinnen würde. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) protestiert vehement gegen die Aufspaltung. „Die ökologische Verkehrswende funktioniert nur mit dem integrierten Bahnkonzern”, warnt EVG-Vize Martin Burkert. Mit der SPD ist die Zerschlagung des Konzerns ebenfalls nicht zu machen. Daher wird diesbezüglich wohl auch alles beim Alten bleiben.
Modernisierungskosten in Milliardenhöhe
Die Modernisierung der Bahn kostet viele Milliarden Euro, wie viele, weiß wohl niemand. Doch der Konzern ist schon mit rund 30 Milliarden Euro verschuldet. Wenn weiter in neue Züge oder die Digitalisierung der Bahn investiert werden soll, braucht das Unternehmen mehr Geld. Das könnte auf zwei Wegen beschafft werden. So steht eine Erhöhung der Schuldenobergrenze, die aktuell schon bald erreicht wird, durch den Bundestag im Raum. Neu wäre ein Verkauf von Beteiligungen, insbesondere der Spedition Schenker, die aktuell wirtschaftlich glänzend da steht und Milliarden einbringen würde. Für das britische Nahverkehrsunternehmen Arriva sucht die Bahn schon länger erfolglos neue Eigentümer. Corona hat den Verkaufsambitionen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Doch nicht nur der Konzern selbst, auch der Bund muss noch viel Geld in die Bahn stecken. Strecken müssen aus- oder sogar neu gebaut werden, wenn das erhoffte Passagierwachstum erreicht werden soll. Die Ziele sind klar formuliert. Ende des Jahrzehnts soll ein Deutschland-Takt alle größeren Städte in kurzen Takten miteinander verbinden und doppelt so viele Kunden in die Züge steigen. Dafür reichen die Netzkapazitäten bei weitem nicht aus, zumal auch der Güterverkehr auf der Schiene zunehmen soll.
Schnelle Entscheidungen sind nicht in Sicht
Eine Lösung dieses Problems liegt in der Digitalisierung der Bahntechnik, etwa durch elektronische Stellwerke oder die Ausstattung der Trassen mit der automatischen Zugsteuerung ETCS. Aber auch dafür braucht es viel Geld. Die Schätzungen allein für diese Investitionen reichen auf einen Betrag von bis zu 50 Milliarden Euro.
Auf die angehende Koalition kommt also eine Reihe von grundsätzlichen Entscheidungen in der Bahnpolitik zu. Die Verkehrsminister fordern aktuell eine Expertenkommission, um die Umstrukturierung zu koordinieren. Doch dem Vernehmen nach haben sich SDP, Grüne und FDP noch nicht auf einen großen Wurf verständigen können. Auch personell stehen wohl keine schnellen Entscheidungen an. Die Verträge von Bahnchef Richard Lutz und Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla laufen noch einige Jahre. Erst dann wird der künftige Kanzler wohl SPD-nahe Manager in Stellung bringen. Teure Abfindungen wären der Öffentlichkeit vorher kaum vermittelbar.