Der Milliardär, Computer-Nerd und Philanthrop Bill Gates ist für vieles bekannt, aber nicht dafür, der größte Besitzer von Ackerland der Vereinigten Staaten zu sein. Diesen Titel hat sich der Gründer der Software-Firma Microsoft klammheimlich gesichert. Er gehört damit zu einer Reihe von Investoren, die Land als Anlageklasse entdeckt haben. Auch die Lebensmittelspekulation mit Getreide wird unter Finanzinvestoren immer beliebter. Der Fall Gates illustriert das Phänomen, dass finanzkräftige Menschen und Firmen den Landwirten zunehmend die Ackerflächen streitig machen. Auch in Deutschland.
Gates kaufte Ackerland oftmals unbemerkt
Gelüftet hat das Geheimnis um das Ackerland von Bill Gates und seiner Ex-Frau Melinda das US-Magazin Landreport, eine Publikation, die Landbesitzern nahesteht. Und ein Geheimnis war es tatsächlich. Schließlich führte die Papierspur nicht direkt zu dem inzwischen geschiedenen Ehepaar Gates. Als Käufer des Landes traten Firmen auf, deren Verbindungen zu Gates mal mehr, mal weniger offensichtlich waren.
Da gibt es das Beispiel eines Kaufes von 14.500 Acres (rund 5870 Hektar) Land in den Horse Heaven Hills im Osten Washingtons, dem nordwestlichsten Bundesstaat der USA. 14.500 Acres sind eine Fläche, die sich kein normaler Bauer jemals kaufen könnte. Schon gar nicht zu einem Preis von fast 12.000 Dollar pro Acre. Das können sich nur Staatsfonds, institutionelle Investoren oder eben sehr reiche Bürger leisten.
In diesem Fall handelte es sich um ein besonderes Stück einzigartigen Bodens, fruchtbar wie Ackerland nur sein kann. Gekauft hat es eine Firma namens Angelina Agriculture, eine Zwei-Mann-Bude mit 300.000 Dollar Jahresumsatz, für 171 Millionen Dollar. Dem Herausgeber des Landreport kam das verdächtig vor. Und tatsächlich, die Spur führte zu einem der bekanntesten und reichsten Männer der Welt: Bill Gates.
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Investoren interessierten sich lange nicht für Ackerland
Natürlich war es nicht der einzige Kauf von Ackerland, den die Vermögensverwalter von Gates über die Jahre getätigt haben. Als die Rechercheure anfingen systematisch danach zu suchen, kamen immer weitere zum Vorschein. Die Eigentumsverhältnisse der US-Landwirtschaft wurden in ein völlig neues Licht getaucht.
Viele Jahre lang war Ackerland unter Finanzinvestoren keine gängige Anlageklasse. Das Land gehörte den Bauern, oft in kleinteiligen Eigentumsverhältnissen, und diese waren in der Regel nicht bereit, die Grundlage ihrer Existenz zu verkaufen. Die Profiinvestoren wussten wenig darüber, was Ackerland wert ist und wie man darin richtig investiert. Erst mit Beginn der 2000er-Jahre begann sich das zu ändern.
Finanzkrise beschleunigte Investitionen in Ackerland
Beschleunigt wurde das neue Interesse an Land durch die Finanzkrise 2008-2009. Das Vertrauen in herkömmliches Geld und Anlagen wie Immobilien, Aktien und Staatsanleihen schwand. Institutionelle Investoren und Bürger wie Bill Gates begannen sich nach Gütern umzusehen, denen sie mehr Solidität beimaßen: Land, Wald und Rohstoffe. Die Zahl der auf Ackerland spezialisierten Fonds verneunfachte sich von 2005 bis 2020 auf 166. Der Begriff vom Landgrabbing begann, die Runde zu machen.
Geprägt hat den Begriff von der Landnahme durch private und institutionelle Investoren, dem Landgrabbing, die auf Landwirtschaft spezialisierte Nicht-Regierungsorganisation Grain. Sie wollte 2008 darauf hinweisen, in welche Probleme und Abhängigkeiten die Landwirte und die Lebensmittelversorgung schlittern, wenn das Ackerland, von dem alles abhängt, in die Hände finanzkräftiger und mächtiger Organisationen gerät.
Eine Fläche so groß wie das Vereinigten Königreich ging an Investoren
Zwischen 2000 und 2016 sollen weltweit rund 26,7 Millionen Hektar Landwirtschaftsland an Investoren gegangen sein. Das ist eine Fläche größer als Großbritannien. Der am stärksten betroffene Kontinent ist laut der Untersuchung Afrika. In Ländern mit geringen rechtsstaatlichen Hürden ist Landgrabbing besonders verbreitet.
Die Konzentration von Landbesitz hat sich aber auch in Europa beschleunigt. In Osteuropa erreiche sie Dimensionen wie in Brasilien und Kolumbien, die für ihre ungleiche Landverteilung bekannt seien, hieß es schon 2013 in einer Analyse. In der EU kontrollierten drei Prozent der Grundbesitzer – die großen Betriebe, die über 100 Hektar oder mehr verfügen – die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen. Auch in Ostdeutschland klagen Bauern, dass sie sich den Kauf von Land nicht mehr leisten könnten.
Ein Viertel des Ackerlandes von Bill Gates liegt in Louisiana
Die Investitionen von Bill Gates in Farmland können als Teil dieses Trends betrachtet werden. Seit mehr als zehn Jahren erwirbt sein Finanzvehikel Cascade Investment Land. Schon 2014, als der Fonds vom “Wall Street Journal” porträtiert wurde, war er ein bedeutender Investor in Ackerland mit “mindestens 100.000 Acres Ackerland in Kalifornien, Illinois, Iowa, Louisiana und anderen Staaten”.
Zum Jahresanfang 2021 besaß Bill Gates laut dem Landreport 268.984 Acres Land. Mehr als ein Viertel davon liegt in Lousiana (69.071 Acres), gefolgt von Arkansas (47.927 Acres) und Arizona (25.750 Acres). Auch wenn das riesige Flächen sind, ist es gemeßen am gesamten Ackerland der Vereinigten Staaten nicht viel. Die amerikanischen Bauern bewirtschaften laut der US-Regierung insgesamt rund 900 Millionen Acres Land.
Geld lässt sich mit der Verpachtung des Landes an die Bauern verdienen und natürlich mit dem Handel des Landes. Wenn die Preise steigen, kann Ackerland mit Gewinn weiterverkauft werden. Seit den 1990er-Jahren haben die Preise für Ackerland in den USA nur einen Weg gekannt: nach oben.
Ackerland wird auch im Kampf ums Wasser interessant
Im Bundesstaat Kalifornien (und womöglich bald auch anderswo) kaufen Investoren aber noch aus einem anderen Grund Landwirtschaftsland auf: Wasser. Ihnen geht es in der Hauptsache dann gar nicht mehr um den Anbau von Lebensmitteln. Vielmehr spekulieren sie darauf, dass sich Wasser angesichts zunehmender Knappheit zu immer lukrativeren Preisen handeln lassen wird. Glücklich schätzt sich, wer auf großen Flächen den Regen auffangen kann. Ernteerträge sind in diesem Modell nur noch eine Dreingabe.
Doch was will Bill Gates mit seinem Landwirtschaftsland? Klar ist, sowohl über die Bill & Melinda Gates-Stiftung als auch über Finanzvehikel Cascade Investment ist der Microsoft-Gründer ein bedeutender Player in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung. Die offizielle Agenda der Stiftung lautet, die sichere Versorgung der Menschen weltweit mit Lebensmitteln voranzubringen und effizientere und nachhaltigere Anbaumethoden zu fördern.
Kritik an der Landwirtschaftspolitik der Gates-Stiftung
Bei Kritikern fällt Bill Gates mit seinen Vorhaben allerdings durch. “Während sich die Stiftung bei ihren Zuschüssen auf afrikanische Bauern konzentriert, geht der Großteil ihrer Mittel an Organisationen in Nordamerika und Europa”, schreibt die NGO Grain in einer aktuellen Analyse. “Die Zuschüsse sind außerdem stark auf Technologien ausgerichtet, die von Forschungszentren und Unternehmen im Norden für arme Bauern im Süden entwickelt wurden, wobei das Wissen, die Technologien und die biologische Vielfalt, über die diese Bauern bereits verfügen, völlig außer Acht gelassen werden.” Außerdem werde viel Geld an Organisationen vergeben, die Lobbing für industrielle Landwirtschaft betrieben und Alternativen dazu untergrüben. “Das ist schlecht für die afrikanischen Bauern und schlecht für den Planeten. Es ist an der Zeit, dem übergroßen Einfluss der Gates-Stiftung auf die globale Landwirtschaft den Stecker zu ziehen.”
Bill Gates ist an vielen Unternehmen im Ernährungssektor beteiligt
Gates engagiert sich nicht nur über die Förderprogramme seiner Stiftung. Über seine Organisationen ist der Microsoft-Gründer unter anderem in die Hersteller von pflanzlichen Fleischalternativen Beyond Meat und Impossible Foods investiert und hält Beteiligungen am Landmaschinenriesen John Deere, dem Pflanzenschutzmittelspezialisten AgBiome und dem Unternehmen Apeel Sciences, das sich auf die Haltbarmachung von Obst und Gemüse konzentriert (auch in deutschen Läden erhältlich). Ernährung und Landwirtschaft sind einer der großen Zukunftstrends und nachhaltige Lösungen gesucht.
Bill Gates hat auch die Führung von Breakthrough Energy Ventures (BEV) übernommen, einem Fonds, der sich auf Lösungen für den Klimawandel konzentriert. Dort ist er Vorsitzender eines Clubs mit sehr illustren Mitgliedern, darunter Richard Branson von Virgin, Jeff Bezos von Amazon, Hasso Plattner von SAP und Jack Ma von Alibaba. Zum Portfolio von BEV gehören unter anderem Pivot Bio, das sich auf die Stickstofffixierung im Feld konzentriert, Biomilq (künstliche hergestellte Muttermilch für Babys), C16 Biosciences (Alternativen zu Palmöl) sowie Motif Foodworks, ein Hersteller neuartiger Zutaten auf Pflanzenbasis.
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Was Gates zu seinen Landkäufen sagt
Zu seinen Käufen von Ackerland hält sich Bill Gates bedeckt. In einer Diskussion mit Nutzern der Online-Plattform Reddit äußerte er sich zwar dazu, ohne allerdings konkret zu werden. “Meine Investment-Gruppe hat das entschieden. Es hat nichts mit dem Klima zu tun. Der Agrarsektor ist wichtig. Mit produktiverem Saatgut können wir die Abholzung von Wäldern vermeiden und Afrika bei der Bewältigung der Klimaprobleme helfen, mit denen es bereits konfrontiert ist”, sagte er. “Es ist unklar, wie billig Biokraftstoffe sein können, aber wenn sie billig sind, können sie das Problem der Emissionen von Flugzeugen und Lastwagen lösen.”
Unzweifelhaft ist: Gates hätte die Möglichkeit, seine Böden in die größten Testfelder der Welt für die Zukunft der Landwirtschaft zu verwandeln. Wenn er denn will.