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Bahnreform: Viel Hoffnung, aber wenig Konkretes

Eine zweite Bahnreform soll mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Wie die Deutsche Bahn umgebaut werden soll, ist erst in Ansätzen zu erkennen
Wird die Politik die Deutsche Bahn kräftig umbauen? (Foto: Moerschy)
Wird die Politik die Deutsche Bahn kräftig umbauen? (Foto: Moerschy)

Im Berliner Bahntower am Potsdamer Platz ist das große Schweigen ausgebrochen. Nichts war bisher zum Koalitionsvertrag von FDP, SPD und Grünen zu vernehmen. Dabei steht darin Einiges zur Zukunft der Deutschen Bahn. Abwarten, was der neue Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP tatsächlich mit dem Konzern vorhat, scheint das Motto zu lauten.

Eigentlich sollte die Freude über die Absichten der Ampelkoalition groß sein. Die neue Regierung will den Schienenverkehr gegenüber der Straße deutlich bevorzugen. Mehr Geld wird künftig demnach für den Bahnverkehr als für den Straßenverkehr ausgegeben. Auch dürfen Einnahmen aus der Lkw-Maut künftig in den Schienenverkehr fließen. Und die Länder können auf steigende Zuschüsse für den Nahverkehr hoffen.

Ziele für den Bahnverkehr sind ehrgeiziger als gedacht

Wie ehrgeizig die Ziele für den Bahnverkehr sind, verdeutlich nach Einschätzung der Allianz pro Schiene eine kleine Veränderung in der Wortwahl. Die alte Regierung wollte bis Ende des Jahrzehnts die Fahrgastzahlen verdoppeln. Die Ampelkoalition spricht nun von einer verdoppelten Verkehrsleistung nach gefahrenen Kilometern. 

Mit dem neuen Ziel müsse sich das Wachstumstempo der Branche versechsfachen, rechnet der Verband vor. Allerdings sieht er im Koalitionsvertrag zu wenige Hinweise darauf, wie dieses Ziel erreicht werden kann. „Der neue Verkehrsminister muss schnell für Klarheit sorgen, wie er Anspruch und Realität in Einklang bringen will“, fordert Verbandschef Dirk Flege.

Schienennetz soll gemeinwohlorientiert betrieben werden

Für große Freude bei den privaten Bahnen sorgte anfangs ein anderes Ziel. Die Koalition will tief in die Struktur des Bahnkonzerns eingreifen und die beiden wesentlichen Teile, die Infrastruktur und den Betrieb, voneinander trennen. Dazu sollen das Netz, die Stationen und der Service in einer Sparte vereint werden und künftig gemeinwohlorientiert arbeiten.

Die Deutsche Bahn bleibt zwar Eigentümer der Gesellschaft, darf deren satte Gewinne aber nicht mehr in die Konzernkasse leiten. Diese bleiben bei der Infrastruktur. Damit wird eventuell eine langfristig tiefergreifende Reform eingeleitet. FDP und Grüne fordern die vollständige Trennung von Netz und Betrieb schon lange, SPD und Bahnvorstand sind strikt dagegen. Nun wird eine Zwischenlösung angepeilt.

Wettbewerber der Deutschen Bahn sind misstrauisch

Große Freude löste dieses Vorhaben zunächst bei den Wettbewerbern der Bahn aus. Sie erhofften sich niedrigere Trassenpreise, wenn das Netz keine Gewinne mehr an den Konzern abführen muss. Doch inzwischen hat eine gewisse Ernüchterung eingesetzt. Denn Gewinne soll auch eine gemeinwohlorientierte Netzgesellschaft erzielen, kritisiert das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE).

„Dieser Widerspruch machte uns sofort misstrauisch“, erläutert NEE-Chef Ludolf Kerkeling. Das Netz sei bei der Bahn nicht gut aufgehoben. Das bestätigt seiner Ansicht nach auch ein Bericht des Bundesrechnungshofes, der eine Quersubventionierung defizitärer Bahnsparten wie dem Güterverkehr durch die Gewinne aus dem Trassengeschäft nahelegt. Dabei sollten diese eigentlich vollständig wieder ins Netz fließen.

Der Industrieökonom Markus Reisinger sieht im Interview mit Journalistico die Gefahr, dass die Bahn auch mit einer gemeinwohlorientierten Netzsparte Möglichkeiten zur Diskriminierung von Wettbewerbern hätte. Er fordert zudem, dass die Politik mehr Einfluss auf die Sparte nehmen müsse, als  das in der Vergangenheit der Fall war.

Die Deutsche Bahn braucht dringend Geld

Damit die Bahn die hochgesteckten Ziele erreichen kann, wird nicht nur viel Geld benötigt. Bis 2030 sollen die großen Städte im Halbstundentakt miteinander verbunden werden und der Güterverkehr einen deutlich höheren Marktanteil erreichen als bisher. Dafür soll das Netz schneller als bisher ausgebaut werden. Die Ampel will dafür vor allem das Planungsrecht vereinfachen und die zuständigen Behörden personell massiv aufrüsten. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail. Entsprechendes Personal ist zum Beispiel nicht ohne weiteres verfügbar.

Und auch zu den finanziellen Möglichkeiten gibt es keine konkreten Zusagen der Koalition. Die Bahn ist hoch verschuldet und braucht dringend Geld. In den vergangenen Jahren forderten FDP und Grüne stets eine Konzentration des Konzerns auf die Eisenbahn in Deutschland. Sie wollten das internationale Geschäft gerne loswerden.

Die Bahn bleibt eine Großbaustelle

Das sind vor allem die gewinnträchtige Spedition Schenker und die britische Nahverkehrstochter Arriva. Der Verkauf beider Gesellschaften dürfte einen zweistelligen Milliardenbetrag einbringen. Doch nun, in Regierungsverantwortung, reden beide Parteien nur noch von der Prüfung des Verkaufs. Hinter den Kulissen bereitet sich die Bahn aber wohl schon darauf vor.

So sind die Zukunftsaussichten der Bahn auf dem Papier rosig. Doch wie diese Realität werden könnten, ist an vielen zentralen Stellen weiterhin offen. Klar ist nur eines: Die Bahn bleibt in jeder Hinsicht eine Großbaustelle.

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