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Zurück zur Natur: Steffi Lemke und die Renaturierung Deutschlands

Umweltministerin Steffi Lemke will vier Milliarden in die Renaturierung Deutschlands stecken. Wen sie dafür allerdings noch gewinnen muss: Landbesitzer.
Bei der Renaturierung von Deutschland sollen Moorlandschaften eine wichtige Rolle spielen. (Foto: Max Langelott)
Bei der Renaturierung von Deutschland sollen Moorlandschaften eine wichtige Rolle spielen. (Foto: Max Langelott)

Die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke will vier Milliarden Euro in die Renaturierung von Deutschland investieren. Läuft es ideal, geht es gleich dreimal voran: Deutschland ergrünt, bremst die Erderhitzung, mildert Dürren und Hochwasser, also extreme Wetter besser ab. Es gehe um „Krisenvorsorge”, sagte Lemke, als sie am Dienstag das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz”, kurz: ANK, vorstellt. Es sind bislang Eckpunkte, aber die Richtung ist klar.

Allen voran sollen Moore so gut es geht wieder hergestellt und geschützt werden, aber auch naturnahe Wälder wie alte Buchenbestände, Auen, Seegraswiesen im Meer und Watt, gesunde Böden und Parks, überhaupt Grünflächen in Städten. Denn: Sie sind Rückzugsorte für viele verschiedene Pflanzen und Tiere. Mehr Natur kann große Mengen Wasser aufnehmen und halten. Und sie kann Kohlenstoff binden. Das ist wichtig. Schließlich gilt Kohlenstoffdioxid CO2, in dem sich Kohlenstoff befindet, als entscheidende Ursache für den Klimawandel.

Renaturierung in Deutschland: Woher die Flächen nehmen?

Die Bundesregierung will die Renaturierung Deutschlands in den Jahren 2022 bis 2026 mit insgesamt vier Milliarden Euro fördern. Ein Fünftel Deutschlands, 20 Prozent der Flächen, eignen sich für diesen natürlichen Klimaschutz, die Hälfte davon sind Wälder. Das hat der Naturschutzbund Deutschland, der Nabu, bereits vor gut einem Jahr vorgerechnet. Er hatte dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Nur: Woher die Flächen nehmen, die bisher vielerorts als Acker, Forst, Weide genutzt werden? Einfach wird das nicht. Das zeigen bisherige Erfahrungen.

Lesen Sie auch: Interview mit dem Präsidenten des Deutschen Naturschutzringes: „Wir müssen ein Zeitalter der Renaturierung einläuten” (15.3.2022)

Bestes Beispiel: Schon die vorherige Bundesregierung hat ein 48-Millionen-Euro-Programm über zehn Jahre für Pilotprojekte aufgelegt, um Moore zu schützen. Sie sind einer der größten natürlichen Tresore für CO2. Werden sie entwässert und bewirtschaftet zersetzt sich der Torf, der darin gespeicherte Kohlenstoff wird frei und zu Kohlenstoffdioxid. Nur: Die rot-schwarze Landesregierung in Niedersachsen, dem Agrarland Nummer 1 in Deutschland, hat es nicht geschafft, binnen zwei Jahren, Flächen für den Schutz der Moore zu benennen. Vernässte Moore sind schwer zu bewirtschaften.

Renaturierung in Deutschland: Landwirte brauchen andere Perspektiven

Die Anforderungen des Bundesumweltministeriums „konnten in der vorgenannten Frist nicht erfüllt werden”, erklärte Niedersachsens SPD-Umweltminister Olaf Lies erst vor gut einem Monat in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion. Die Abstimmungen mit Eigentümern und Bewirtschaftern der in Frage kommenden landwirtschaftlichen Flächen zogen sich zu sehr hin.

Anders war das zwar in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Bayern. Doch der Fall zeigt: Die Renaturierung ist eine heikle Sache – selbst wenn der politische Wille da ist. Landwirte brauchen eine ökonomische Perspektive und Geld. Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands fordert ein „Geschäftsmodell”.

Es werde unter anderem um „die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten für die nasse Landwirtschaft und der dort erzeugten Produkte” gehen, heißt es in den Eckpunkten. Photovoltaik-Anlagen zur Energieerzeugung, Schilf fürs Dachdecken, Torfmoose für Blumenerde, Gräser als Fasern für Verpackungen, Rohrkolben für Dämmstoffe – denkbar ist manches, ausreichend erprobt oder bewährt ist es allerdings noch nicht.

Der umstrittene Autobahn-Bau durch Moorgebiet

Es ist ohnehin nicht leichter geworden mit dem Ukraine-Krieg, durch den weltweit Getreide fehlt, Versorgungsengpässe nicht in Europa, aber in vielen afrikanischen Ländern drohen. Die EU-Kommission hat gerade erst ihre Renaturierungsstrategie zurückgezogen.

Müsste sich die Bundesregierung da nicht zu zuallererst den Weiterbau der Küstenautobahn A20 sparen, weil die geplante gut 200 Kilometer lange Strecke von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein bis Westerstede in Niedersachsen durch Moorgebiete führt? Dort müssen Flächen angekauft werden, um sie dann zu betonieren.

Es sei, so Lemke, „selbstverständlich wünschenswert, dass für den Straßenbau keine Moore mehr trockengelegt werden.” Sie könne aber nicht für einzelne Vorhaben „den Daumen heben oder senken.” Die Förder-, Markt- und Einkommensmodelle sollen jetzt entwickelt werden. Sie werde das, sagte Ministerin Lemke, mit dem Kabinett abstimmen. Bis alles ideal
läuft, hat sie nicht nur mit dem grünen Landwirtschaftsminister, sondern zumindest mit dem FDP-Verkehrsminister einiges zu bereden.

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