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Corona-Hilfspaket: Wohin die EU-Milliarden fließen

Wie die Milliarden aus dem Corona-Hilfsprogramm Next Generation EU verwendet werden.
Flagge der Europäischen Union
Was bewirken die Krisenhilfen der EU?

Die Zeit läuft. Bis Ende April sollten die 27 Mitgliedstaaten ihre Vorschläge für Vorzeigeprojekte bei der EU-Kommission in Brüssel einreichen, ab Juli sollen dann die ersten Gelder investiert werden. Denn Europa startet die Gegenwelle, um den Aufschwung nach der Pandemie einzuleiten. Insgesamt 750 Mrd. Euro will die Europäische Union im Rahmen des Aufbauplans Next Generation EU investieren. Die Mittel sollen vor allem in Klimaprojekte und Digitalisierung fließen. Auch das Austauschprogramm Erasmus+ kriegt mehr Geld.

Spanien und Italien profitieren besonders von Next Generation EU

Herzstück des europäischen Konjunkturprogramms ist der Corona-Aufbaufonds mit 672,5 Mrd. Euro, davon werden 312 Mrd. Euro an die Mitgliedstaaten als Zuschüsse vergeben, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Die restlichen 360 Mrd. Euro stehen als zinsgünstige Darlehen bereit. „Das ist eine Jahrhundertchance für Europa. Dies ist ein historischer Moment“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zugleich erneuerte die Kommission aber ihre Warnung: Wenn nicht genügend Mittel in Transformation und Digitalisierung fließen, werde die Kommission die nationalen Aufbauprojekte zurückweisen.

Die europäischen Aufbaugelder werden nach Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft an die Mitgliedstaaten vergeben, wichtigstes Kriterium ist aber, wie stark ein Land von der Pandemie getroffen wurde. Die besonders stark von Corona belasteten EU-Staaten Italien und Spanien werden deshalb auch besonders stark gefördert. Italien erhält aus den Corona-Mitteln bis zu 65,5 Mrd. Euro an Zuschüssen, Spanien rund 59 Mrd. Euro. Von Juli an sollen die ersten europäischen Aufbaugelder fließen. „Die Finanzmittel werden in Raten ausgezahlt. Wurde ein Zwischenziel nicht erreicht, kann die nächste Tranche ausgesetzt werden”, stellte die christdemokratische Europaabgeordnete Angelika Niebler (CSU) klar.

Ein gutes Drittel der Next Generation-Gelder für den Klimaschutz

37 Prozent der europäischen Aufbau-Gelder sind für Klimaprojekte festgeschrieben. Bereits im April verabschiedete die EU ihr Klimagesetz für den europäischen Grünen Deal. Damit will die EU bis 2050 klimaneutral werden, sprich: Die EU-Staaten wollen von diesem Zeitpunkt an das Klima nicht durch den weiteren Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (C02) belasten. Die neue US-Regierung von Präsident Joe Biden will dieses Ziel ebenfalls bis 2050 erreichen, China folgt 2060. Der Aufbaufonds „ist ein Aufschlag für mehr Ambition in der EU-Klimapolitik, mit höheren Klimazielen und die Stärkung ihrer sozialen Dimension“, erklärte die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt. In Deutschland fließen allein rund 1,5 Mrd. Euro in den Ausbau der Wasserstofftechnologie und 2,5 Mrd. Euro in umweltfreundliches Bauen und Sanieren.

Deutschland erhält 25 Milliarden Euro aus dem EU-Fonds

20 Prozent der Corona-Mittel der EU stehen für den digitalen Wandel bereit, wie zum Beispiel Aufbau eines 5G-Netzes und Förderung von Start-ups in der Digitalwirtschaft. Nach den Plänen der Bundesregierung fördert Deutschland dabei auch die Digitalisierung der Bildung in Schulen und Hochschulen, so sind zum Beispiel 630 Mio. Euro für den Aufbau digitaler Lehrplattformen vorgesehen.

Fast 25 Mrd. Euro der insgesamt 312 Mrd. Euro Zuschüsse aus dem Corona-Aufbaufonds erhält Deutschland. DARP – Deutscher Aufbau- und Resilienzplan, nennt die Bundesregierung ihr Aufbauprogramm. Aber mit DARP-Geschwindigkeit läuft wenig. Erst im zweiten Anlauf kam der deutsche Reformentwurf in Brüssel an.

Bundesregierung setzt auf Partnerschaft mit Frankreich

„Deutschland wird nur erfolgreich sein, wenn auch Europa erfolgreich ist“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Ende April bei der Vorstellung der deutschen Projekte in Berlin. Viele Vorhaben geht Deutschland zusammen mit Frankreich, so etwa bei der klimaschonenden Wasserstofftechnologie oder beim Aufbau einer gemeinsamen Datencloud. „Das deutsch-französische Tandem hat sich in der Krise bewährt. Frankreich und Deutschland haben Hand in Hand gearbeitet“, sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire.

Deutschland fördert mit seinen Geldern unter anderem:

  • 3,2 Mrd. Euro für den Ausbau der Elektromobilität, davon sind allein 700 Mio. Euro vorgesehen, um die Ladeinfrastruktur für E-Autos deutschlandweit auszubauen
  • 3 Mrd. Euro für eine bessere medizinische Infrastruktur, um für kommenden Pandemien besser gewappnet zu sein.
  • rund 1,3 Mrd. Euro für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit Bussen und Bahnen mit alternativen Antrieben
  • gut 1,1 Mrd. Euro für die Digitalisierung von Schulen
  • rund 700 Mio. Euro für die Förderung von künftigen Ausbildungsplätzen

Eine Bedingung ist an die Vergabe der EU-Gelder geknüpft. Die EU-Staaten müssen rechtsstaatliche Kriterien einhalten. Auf diesen Rechtsstaatsmechanismus drängte vor allem das Europäische Parlament mit Blick auf die Entwicklungen in Polen und Ungarn. So hatte der Europäische Gerichtshof zuletzt unter anderem die Besetzung von Richterstellen am höchsten Gericht Polens oder die Behandlung von Asylsuchenden in Ungarn moniert. Ungarns Regierung muss zudem ihre Vergabepraxis bei der Verwendung von EU-Geldern ändern. So soll verhindert werden, dass das Geld in dunklen Kanälen versickert. „Es ist ein großer Erfolg für das Europäische Parlament, dass es endlich einen Rechtsstaatsmechanismus gibt“, so der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner.

Die Forschungsförderung wird aufgestockt

Fünf Milliarden Euro zusätzlich aus den Next Generation-Mitteln erhält das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe – Horizont Europa. Die Gesamtsumme der Forschungsförderung bis 2027 beläuft sich dann auf 79,9 Mrd. Euro. Damit steht auch für das Austauschprogramm Erasmus+ für Studierende und Auszubildende mehr Geld zur Verfügung. Insgesamt stellt die EU bis 2027 23,4 Mrd. Euro für das Programm bereit, das sind 2,2 Mrd. Euro mehr als ursprünglich vorgesehen.

7,5 Mrd. Euro aus den Mitteln von Next Generation fließen zusätzlich in die Entwicklung des ländlichen Raums. Dabei geht es etwa um mangelnde Verkehrsanbindungen begrenzten Zugang zu Dienstleistungen und die großen Herausforderungen einer alternden Bevölkerung. Ein wichtiger Punkt: gute Internetverbindungen und Ausbau der digitalen Infrastruktur, etwa durch Breitbandausbau.

Für Next Generation nimmt die EU erstmals eigene Schulden auf

Eine Neuerung bringt das Corona-Programm. Erstmals darf die EU eigene Schulden im großen Rahmen aufnehmen, um den Aufbaufonds zu finanzieren. Das gab es bisher noch nie. Einen Eilantrag gegen die gemeinsamen Schuldtitel lehnte das Bundesverfassungsgericht im April ab. Die EU wird mit dem eigenen Schuldenmanagement unabhängiger von den EU-Staaten. Für die Kredite bürgen die Mitgliedstaaten – gemeinschaftlich. We’re in this together – die EU-Länder müssen gemeinsam durch die Corona-Pandemie und wollen die Krise gemeinsam überwinden. Die Kredite sollen bis 2058 zurückgezahlt werden. Dafür darf die EU auch eigene Steuern erheben. Um den Plastikabfall zu verringern, erhebt die EU bereits seit Jahresbeginn eine Plastiksteuer. „Das Wiederaufbaupaket kann ein Riesenerfolg werden, ein Testballon für europäische Fiskalpolitik, wenn wir demokratisch die Ziele des europäischen Geldes bestimmen“, so der Europaabgeordnete Damian Boeselager von der Partei Volt.

Deutsches Lob für griechische Pläne

722 Seiten umfasst allein der Aufbauplan, den die griechische Regierung bei der EU-Kommission einreichte. Das Land erhält insgesamt 32 Mrd. Euro, davon 19,5 Mrd. Euro an einmaligen Zuschüssen. Die Gelder sollen unter anderem in den beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung, Ausbau von 5G-Netzwerken und Glasfasernetze, Digitalisierung der Verwaltung und raschere Genehmigung von Firmengründungen eingesetzt werden. Das Lob in Brüssel ist gewaltig. „Der griechische Aufbauplan gefällt mir sehr gut, denn er kombiniert notwendige Reformen mit Investitionen in Zukunftssektoren. Der griechische Plan schafft dadurch tatsächlich einen Mehrwert für die nächste Generation und wird dem Namen ‚Next Generation EU‘ tatsächlich gerecht“, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

Zehn Milliarden Euro stellt die EU für einen Klimaübergangsfonds breit – im englischen EU-Jargon Just Transition Fonds genannt: gerechter Übergangsfonds. Mit diesen Geldern sollen Regionen gefördert werden, die durch die Klimawende vor besonderen Herausforderungen stehen. Hierzulande sind dies mit Blick auf den bis 2038 vereinbarten Kohleausstieg zum Beispiel die Region Lausitz (Brandenburg/Sachsen) und das mitteldeutsche Braunkohlerevier rund um Leipzig (Sachsen) und Halle (Sachsen-Anhalt). „Den Menschen, die ihre traditionellen Arbeitsplätze verlieren könnten, müssen wir helfen, neue, adäquate Arbeit zu finden“, versprach EU-Kommissarin Elisa Ferreira bei einem Besuch im brandenburgischen Cottbus.

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