Die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland haben sich womöglich zu früh auf eine kräftige Rentenerhöhung 2022 gefreut. Denn nun sieht es danach aus, dass die Anhebung der Altersbezüge deutlich schmaler ausfallen könnte als ursprünglich gedacht.
Auf Seite 66 des Koalitionsvertrages der künftigen Regierung ist ein folgenreiches Vorhaben verborgen. „Wir werden den sogenannten Nachholfaktor rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren und im Rahmen der geltenden Haltelinien wirken lassen“, heißt es da.
Rentenerhöhung könnte nur halb so hoch ausfallen wie gedacht
Sollte die Ampel diese Ankündigung wahr machen, dürfte die Rentenanpassung statt der ursprünglich geschätzten fünf Prozent niedriger ausfallen. Der genaue Wert steht noch nicht fest und hängt von mehreren Sondereinflüssen ab. „So stellen wir sicher, dass sich Renten und Löhne im Zuge der Coronakrise insgesamt im Gleichklang entwickeln und stärken die Generationengerechtigkeit“, begründen die Koalitionäre das Vorhaben.
Es handelt sich um eine komplizierte Materie. Die Renten sind an die Lohnentwicklung gekoppelt. Steigen die Löhne insgesamt, werden auch die Renten angehoben. Umgekehrt gilt dies nicht. Bei sinkenden Löhnen erwartet die Rentnerinnen und Rentner schlimmstenfalls eine Nullrunde. Das war in diesem Jahr der Fall, weil die Einkommen der Beschäftigten im vergangenen Jahr rückläufig waren. Ursprünglich sollte der Nachholfaktor die eigentlich fällige Kürzung in den folgenden Jahren durch geringere Rentensteigerungen ausgleichen.
Sonderregelung hätte 2022 zu besonders starker Rentenerhöhung geführt
Diese Regelung hatte Arbeitsminister Hubertus Heil allerdings ausgesetzt. Da die Lohnentwicklung in diesem Jahr wieder deutlich nach oben zeigt, gingen die ersten Schätzungen der Rentenversicherung auch von einer dicken Rentenerhöhung für 2022 aus. Ohne Nachholfaktor haben die Experten eine Steigerung von 5,2 Prozent im Westen und 5,9 Prozent im Osten errechnet. Wird der Nachholfaktor wieder eingeführt, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, käme weniger dabei heraus.
Das Arbeitsministerium will sich dazu noch nicht äußern. Vermutlich wird Heil seinen Job als Minister dort behalten. Dann müsste er sich selbst korrigieren. „Die im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen müssen noch geprüft werden“, heißt es auf Anfrage, „die konkrete Ausgestaltung bleibt daher abzuwarten.“
Die Aussetzung des Nachholfaktors ist in der Vergangenheit heftig als ungerecht kritisiert worden, weil die Rentenansprüche damit auf längere Sicht stärker steigen als die Löhne.
Anmerkung: In der ersten Faßung des Textes hieß es, die Rentenerhöhung würde sich halbieren. Ob das wirklich so kommt, ist noch unklar.
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