Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) stellt für 2022 eine starke Rentenerhöhung in Aussicht. Laut der Prognose erhalten Rentnerinnen und Rentner ab dem 1. Juli nächsten Jahres einen Aufschlag von mehr als fünf Prozent. 2023 wird die Rentensteigerung demnach noch einmal in ähnlicher Größenordnung ausfallen.
Allerdings liegen noch nicht alle notwendigen Daten zur Berechnung der konkreten Erhöhung vor. Wie viele Prozente es letztlich ganz genau werden, ist damit noch offen. Es könne sich noch etwas ändern, sagt Alexander Gunkel, der die Arbeitgeber in der Deutschen Rentenversicherung vertritt. „Eine Abweichung von einem Prozentpunkt und mehr ist möglich“. Über die Anpassung wird erst im kommenden März entschieden.
Rentenerhöhung 2022: Wie sie in Ost und West ausfallen könnte
Die Renten könnten im kommenden Sommer im Osten Deutschlands stärker angehoben werden als im Westen. Das geht aus dem Entwurf des Rentenversicherungsberichts 2021 hervor. Darin wird eine Rentensteigerung von 5,9 Prozent in Ostdeutschland und von 5,2 Prozent in Westdeutschland in Aussicht gestellt. Wer aktuell 1000 Euro Rente pro Monat bekommt, erhielte dann also 1059 respektive 1052 Euro.
Die Durchschnittsrente in Deutschland lag 2020 bei 989 Euro. Dabei gab es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie den alten und neuen Bundesländern. Von 2010 bis 2021 sind die Durchschnittsrenten in jedem Jahr gestiegen. 2021 blieb wegen der Corona-Krise die Rentenanpassung so gut wie aus. Im Westen gab es eine Nullrunde, im Osten ein Plus von 0,72 Prozent. Zusätzlich zu den Renten bezahlt die Rentenversicherung Kranken- und Pflegeversicherung. Versteuert werden müssen die Auszahlungen zum Teil.
Politik ermöglicht starke Rentensteigerung
Nach der Flaute in diesem Jahr fällt die Rentenerhöhung 2022 kräftig aus, weil sie an die Lohnentwicklung gekoppelt ist. Der noch amtierende Arbeitsminister Hubertus Heil hat eine Regelung ausgesetzt, die den Anstieg dämpfen würde. Mit Blick auf die Lohnentwicklung hätten die Renten in diesem Jahr gekürzt werden müssen. Das ist verboten.
Der sogenannte Nachholfaktor sah vor, dass rechnerische Kürzungen mit Rentensteigerungen in den Folgejahren verrechnet werden. Diese Regel hat Heil gestrichen. Laut Gunkel würde die Anpassung mit dem Nachholfaktor nur bei etwa 2,6 Prozent liegen, der Hälfte der nun absehbaren Erhöhung.
Trotz Corona: Stabile Finanzen ermöglichen Rentenanpassung
Die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung ist trotz der Corona-Krise stabil. Im vergangenen Jahr nahm sie 341 Milliarden Euro ein. Weder Kurzarbeit noch Arbeitslosigkeit brachten den befürchteten Einbruch bei den Einnahmen. Für Kurzarbeiter bezahlt die Arbeitsagentur 80 Prozent der Beiträge. So hielten sich die Ausfälle in Grenzen. „Die aktuelle Finanzlage könnte angesichts der Umstände durchaus als gut bezeichnet werden“, sagt Anja Piel, die für die Gewerkschaften in der Selbstverwaltung spricht.
Eine gute Nachricht hat Piel auch für Beschäftigte und Arbeitgeber. Der Beitrag zur Rentenversicherung bleibt wenigstens bis 2023 stabil bei 18,6 Prozent. Danach steigt er bis 2025 auf 19,7 Prozent. Das ist noch weit entfernt von den Höchstwerten in den 90er-Jahren, als mehr als 20 Prozent des Bruttoeinkommens in die Rentenkasse flossen.
EU-Kommission sieht Rentensituation in Deutschland zuversichtlich
Auch beim Rentenniveau sieht es bis Mitte des Jahrzehnts gut aus. 2025 wird es mit 49,2 Prozent noch über den von der Ampelkoalition anvisierten Marke von 48 Prozent liegen, in den darauf folgenden Jahren ohne eine weitere Reform allerdings stark absinken.
Die EU-Kommission ist zuversichtlich, dass in Deutschland die Rentenausgaben trotz alternder Bevölkerung geschultert werden können. Der Grund dafür ist die Annahme, dass die Wirtschaft weiterhin wachsen wird. Die Entwicklung der deutschen Rentenausgaben in den kommenden Jahrzehnten hat die EU in einer Studie untersucht. (Mehr dazu: Warum die Rentenausgaben finanzierbar sind). Die Rentenerhöhung 2022 muss nicht das letzte gute Rentenjahr bleiben.
Immer mehr Beschäftigte bezahlen freiwillig Rentenbeiträge
Sorge bereitet Piel allerdings die sinkenden Reserven der Rentenkasse. Im Moment lagern auf den Konten der Deutschen Rentenversicherung 1,5 Monatsausgaben. Doch Leistungsausweitungen wie die Mütterrente schmälern die Rücklagen. Mitte des Jahrzehnts erreichen sie dann den Mindestwert von 0,2 Monatsausgaben. Das könnte zur Folge haben, dass die Rentenversicherung im Herbst eines Jahres in Liquiditätsprobleme gerät. Daher fordern sowohl Arbeitgeber als auch Gewerkschaften eine Anhebung der Mindestrücklage.
Einen Erfolg mit unerwünschter Nebenwirkung kann die DRV auch noch vermelden. Immer mehr Arbeitnehmer bezahlen freiwillige Beiträge, um mögliche Abschläge bei einem frühzeitigen Renteneintritt auszugleichen. Die eingezahlte Summe ist innerhalb weniger Jahre um das Achtzehnfache angestiegen. Die Einzahlungen stabilisieren zwar den Beitragssatz. Doch erhöhen sich damit auch die Rentenansprüche der freiwillig zusätzlich Versicherten. Sollten die freiwilligen Einzahlungen künftig zurückgehen, müssen die zusätzlichen Ausgaben wiederum von allen Arbeitnehmern getragen werden.
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