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Die Rente ist finanzierbar – wenn man will

Jeder fünfte jüngere Mensch glaubt laut einer Umfrage, im Alter keine Rente mehr zu erhalten. Dieser Pessimismus ist übertrieben.
Junge Leute bei der Arbeit: Was bleibt von der Rente übrig? (Foto: Annie Spratt)
Junge Leute bei der Arbeit: Was bleibt von der Rente übrig? (Foto: Annie Spratt)

Kein Bundestagswahlkampf ohne Rentendebatte: Immer wieder kommt das Gespräch darauf, wie lange das gesetzliche Rentensystem noch trägt. Einer Umfrage zufolge ist jeder Fünfte der unter 40-Jährigen überzeugt, mit ziemlicher Sicherheit keine gesetzliche Rente mehr zu erhalten. Weitere 32 Prozent halten dieses Szenario für wahrscheinlich, berichtet das „Handelsblatt“. Damit äußert sich mehr als die Hälfte der jungen Menschen skeptisch. Das Vertrauen in die Rente ist angeschlagen.

Befragt wurden für die Umfrage Mitte Juli 2064 Personen zwischen 18 und 40 Jahren. Auftraggeber war Fidelity International. Das Geldhaus würde davon profitieren, wenn künftig mehr Menschen privat mit Fonds vorsorgen würden, weil sie der Rente nicht mehr trauen.

330 Milliarden Euro gab die Rentenversicherung 2020 aus

Über die gesetzliche Rentenversicherung wurden im vergangenen Jahr mehr als 330 Milliarden Euro ausgezahlt. Auf diese Weise werden Millionen Menschen im Ruhestand versorgt (-> so hoch sind die Durchschnittsrenten). Finanziert werden die Ausgaben zu gut drei Vierteln mit den Beiträgen der Rentenversicherten. Den Rest übernimmt der Bund mit Zuschüssen aus Steuergeldern.

Damit wurde etwa ein Zehntel der Wirtschaftsleistung (BIP) des vergangenen Jahres für die Rentnerinnen und Rentner verwendet. Diese Quote ist seit vielen Jahren stabil. Abgesehen vom Krisenjahr 2020 sank sie sogar immer stärker Richtung neun Prozent, obwohl es immer mehr Menschen im Ruhestand gibt. Diese Entwicklung zeigt: Von einer finanziellen Überlastung durch die Rente kann keine Rede sein.

Das Wirtschaftswachstum ist entscheidend für das Vertrauen in die Rente

Die Wirtschaft ist bis zur Corona-Pandemie zehn Jahre lang gewachsen. Und auch für die Zukunft gehen die Bundesregierung, Ökonomen und Banken davon aus, dass die Wirtschaftsleistung zunehmen wird. In ihrer Strukturdatenprognose prognostiziert die Bundesregierung zum Beispiel ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,14 Prozent bis 2030. Die Unternehmensberatung PWC erwartet, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2050 drei Viertel größer sein wird als noch 2014.

Gleichzeitig schreibt das Statistische Bundesamt in seiner Bevölkerungsvorausberechnung, dass es in Deutschland 2040 in etwa gleich viele Menschen geben wird wie heute. Was bedeutet das nun für die Rente? Es bedeutet in erster Linie, dass in den nächsten Jahren – treffen die Prognosen halbwegs ein – immer mehr Wohlstand auf etwa gleich viele Köpfe verteilt werden kann. Ob diese Menschen sich im Ruhestand befinden oder arbeiten, ist zunächst unerheblich. Festzuhalten ist: Insgesamt wird es uns besser gehen. Deshalb sollte es auch kein Problem sein, die Ruheständler zu versorgen.

Der Wohlstand wird immer größer, die Frage ist, wer wie viel davon erhält

Die Frage ist also nicht, ob es genug Geld geben wird. Die Frage ist nur, wie das Geld verteilt wird. Dafür sollte sich eine Lösung finden lassen. Tatsächlich könnte es sein, dass man mehr und mehr dazu übergehen muss, die Rentenversicherung weniger stark über die Löhne zu finanzieren. Denn wenn es immer weniger Beschäftigte gibt, die immer größere Summen für die Rentenversicherung aufbringen müssen, würde das voraussetzen, dass die Bruttolöhne stärker steigen. Das ist (gerade wenn die Beschäftigtenzahl sinken sollte) nicht ausgeschlossen, könnte sich aber auch als Problem entpuppen.

Denkbar sind glücklicherweise auch andere Lösungen. Zum Beispiel Rentenabgaben auf Gewinne, große Vermögen, Finanztransaktionen oder Ressourcenverbrauch (letzteres würde zugleich den Klimaschutz fördern). Weiter wäre die Einbeziehung der Beamten und Selbständigen in die gesetzliche Rente und die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze für Top-Verdiener zu prüfen. Österreich macht vor, wie ein Rentensystem deutlich attraktiver gestaltet werden kann.

Wie gesagt: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird in Zukunft mehr Wohlstand vorhanden sein als heute. Die Frage ist nur, wem dieser Wohlstand zugute kommt und an welcher Stelle der Staat zugreift, um das Geld der Rentenversicherung zuzuleiten. Dann klappt es auch mit der Versorgung der Ruheständler und dem Vertrauen in die Rente.

Der Ruhestand wird immer von den Jüngeren finanziert

Hält man die Solidarität zwischen Jung und Alt hoch, wird auch in Zukunft nichts daran vorbeiführen, dass die Jüngeren für die Älteren arbeiten. Denn das Geld, von dem die Menschen im Ruhestand leben, wird zwangsläufig immer von den Menschen erwirtschaftet, die wirtschaftlich aktiv sind (siehe dazu Mackenroth-These). Und zwar ganz unabhängig davon, ob die Älteren über die gesetzliche Rentenversicherung (Umlagesystem) oder zum Beispiel über Anlagen in Immobilien- oder Aktienfonds (Kapitaldeckung) versorgt werden. Denn auch deren Erträge müssen erwirtschaftet werden.

Über längere Lebensarbeitszeiten und damit einen späteren Eintritt in die Rente kann man natürlich diskutieren. Dabei sollte man aber im Blick behalten, dass es schon heute vielen Menschen nicht gelingt, bis zur Rente in ihrem Beruf zu arbeiten. Zum Beispiel, weil die Gesundheit nicht mehr mitspielt oder sie einfach keine Arbeit mehr finden. Für sie bedeutet ein späterer Renteneintritt faktisch eine Rentenkürzung. Das ist ein entscheidender Aspekt, wenn es um das Vertrauen in die Rente geht.

Vertrauen in die Rente stärken, Chancen sehen

Möglicherweise wäre es sinnvoll, nur vier Tage pro Woche zu arbeiten, dafür zum Beispiel bis 75 Jahre. Das würde Menschen in körperlich und psychisch belastenden Jobs mehr Erholung verschaffen. Und (fast) alle würden davon profitieren, dass die Phasen mit Kindererziehung, Pflege der Eltern oder beruflicher Weiterbildung entstresst würden.

Es wäre zu Wünschen, dass die Rentendebatte in Deutschland endlich mal mit Blick auf die Chancen und Lösungen geführt würde. So könnte man das Vertrauen in die Rente stärken statt die Menschen immer weiter zu verunsichern und zu verängstigen.

Lesenswert zu diesem Thema ist auch ein Artikel des Kollegen Sven Böll, einer der wenigen Journalisten, die die Rententhematik verstanden haben. Dort finden Sie noch einige spannende Aspekte, die in diesem Text keine Erwähnung gefunden haben.

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