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Neues Infektionsschutzgesetz: „Je weniger Masken, desto besser”

Der FDP-Abgeordnete Volker Redder zum Streit in der Koalition, Eigenverantwortung und das neue Infektionsschutzgesetz.
Der FDP-Abegordnete Volker Redder. (Foto: FDP)
Der FDP-Abegordnete Volker Redder. (Foto: FDP)

Volker Redder ist Kreisvorsitzender und stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Bremen, Bundestagsabgeordneter und Obmann im Ausschuss für Digitales. Außerdem arbeitet er im Innen- und Finanzausschuss. Ein Gespräch über die Rolle der FDP in der Koalition, das neue Infektionsschutzgesetz und die Maskenpflicht in Zeiten der andauernden Corona-Pandemie.

Herr Redder, Sie und weitere FDP-Abgeordnete kritisieren öffentlich den Entwurf des Gesundheits- und des Justizministeriums zum neuen Infektionsschutzgesetz. Sie fordern, Deutschland müsse „endlich einen panikfreien Umgang mit dem Corona-Virus finden“. Was verstehen Sie darunter?

Einen entspannteren. Wir werden dieses Virus nicht wieder wegkriegen. Die Inzidenzzahlen sind zwar hoch, aber die Infektionen verlaufen überwiegend harmlos. So wie Herr Lauterbach eine neue Killer-Mutation anzukündigen, versetzt die Leute nur in Angst und führt zu Streit. Die Menschen sind dünnhäutig geworden.

Der Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes sieht vor, dass bundesweit weiterhin Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flieger sowie eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gilt. Die Länder sollen dann selbst entscheiden, ob sie darüber hinaus in öffentlich zugänglichen Innenräumen Masken vorschreiben. Ist das nicht die Maßnahmen-Freiheit, die die FDP seit langem fordert?

Es war richtig, von bundeseinheitlichen Maßnahmen auf regionale Maßnahmen zu gehen. Jetzt liegt aber ein Entwurf vor, dem ich in dieser Form nicht zustimmen kann. In Teilen wirkt der auf mich wie eine Verschärfung. Ich befürchte zudem einen Überbietungswettbewerb der Bundesländer bei der Maskenpflicht in Innenräumen oder im Nahverkehr. In Bayern zum Beispiel wird ja grundsätzlich abgelehnt, was vom Bund kommt. Und Hamburg prüft schon jetzt eine schärfere Hotspot-Regel.

„Wenn Infizierte nicht freiwillig Maske tragen, um Mitmenschen zu schützen – dann haben wir doch ein ganz anderes Problem in unserer Gesellschaft.”

Was wäre Ihr Lösungsvorschlag?

Aus meiner Sicht müsste es auch für Maßnahmen wie die Maskenpflicht in Innenräumen oder in Schulen ein erneutes Scharfschalten durch den Bundestag geben, um einen Überbietungswettbewerb der Länder zu unterbinden. Das würde bedeuten, dass die Länder diese Maßnahmen erst ergreifen dürfen, wenn der Deutsche Bundestag eine entsprechende Verschlimmerung der Lage feststellt. Die weitergehenden Maßnahmen, im Entwurf als „Schneeketten” bezeichnet, müssten dann in einem weiteren Schritt ebenfalls scharf gestellt werden. Alles andere führt zu einem Wettbewerb der Länder auf Kosten der Freiheit aller Bürger. Das ist nicht okay.

Sie kritisieren, dass laut Entwurf von der Maskenpflicht nur jene ausgenommen sein sollen, bei denen die letzte Impfung „höchstens drei Monate zurückliegt”.

Ja, das wäre in meinen Augen eine Impfpflicht durch die Hintertür. Denn wie soll das funktionieren? Ich zum Beispiel bin im Februar zum vierten Mal geimpft worden und dann im Mai an Corona erkrankt und wieder genesen. Nach dem Entwurf zum Infektionsschutzgesetz dürfte ich also möglicherweise ab dem 1. Oktober in kein Geschäft oder Restaurant ohne Maske oder Test gehen oder ohne mir vorher eine fünfte Impfung abzuholen, die bisher von niemandem, auch nicht der STIKO, empfohlen wird. Ich schlage deshalb vor, wieder mehr auf Eigenverantwortung zu setzen.

Wie soll das praktisch funktionieren? Man sieht doch den meisten Menschen ihre Krankheiten nicht an.

Wer zu einer vulnerablen Gruppe gehört, wer Angst um sein Leben hat, schützt sich doch ohnehin mit einer Maske. Sie schnallen sich ja beim Autofahren auch an. Und für Infizierte gilt natürlich das Solidarprinzip. Wenn Infizierte nicht freiwillig Maske tragen, um Mitmenschen zu schützen – dann haben wir doch ein ganz anderes Problem in unserer Gesellschaft.

„Eine Maskenpflicht ist sinnvoll an Orten, wo vulnerable Personen leben und arbeiten. Aber nicht in Restaurants oder an öffentlichen Plätzen. Selbst im Zug finde ich diese Regelung inzwischen fragwürdig.”

Ihr Parteikollege, Bundesjustizminister Marco Buschmann, hat das Corona-Konzept verteidigt. Der Einsatz von Masken sei das “mildeste Mittel”.

Eine Maskenpflicht ist sinnvoll an Orten, wo vulnerable Personen leben und arbeiten. Aber nicht in Restaurants oder an öffentlichen Plätzen. Selbst im Zug finde ich diese Regelung inzwischen fragwürdig. Viele Menschen essen und trinken in der Bahn ständig an ihrem Platz, um keine Maske tragen zu müssen, einige tragen die Masken unter der Nase, ich sehe nur noch selten jemanden eine frische Maske aus der Folie nehmen. Die Leute sind es einfach müde. Je weniger Masken, desto besser.

Es fällt auf, dass gerade aus der FDP vehemente Kritik an dem Entwurf kommt. Vizebundestagspräsident Kubicki spricht im Welt-Interview gar von einer „sehr selbstbewussten Fraktion”. Ist das eine Drohung an die Fraktionsführung?

Nein, das ist normal. Wir sind in der FDP-Fraktion in vielen Dingen nicht immer einer Meinung, bei uns wird sehr viel und lange debattiert. Jeder darf und muss bei uns seine Meinung sagen. Hier geht es doch um einen ersten Entwurf eines Gesetzes, der kann und wird also noch verändert werden. Aktuell plant unser Fraktionsvorsitzender dazu eine Sondersitzung.

„Wir hatten in der Ampel vereinbart, dass wir abgestimmt an die Presse gehen. Es gibt seit ein paar Monaten immer wieder einzelne Personen, die unabgestimmt vorpreschen. Und das nervt. “

Genau dieser Christian Dürr verteidigt den Entwurf öffentlich. Die FDP habe erreicht, dass es “keine tiefgreifenden Grundrechtseingriffe wie Lockdowns, Ausgangssperren, Schulschließungen oder Kontaktbeschränkungen mehr geben” werde. Mal ehrlich: Warum schafft es Ihre Fraktion nicht, strittige Fragen erst mal intern zu klären, statt sie über die Medien auszutragen?

Wir wussten in der Fraktion alle und seit längerem, dass der Entwurf mit dem Gesundheitsministerium verhandelt wird. Aber das Ergebnis kam dann am Dienstag doch sehr kurzfristig. Als Marco Buschmann uns informierte, hatte schon Karl Lauterbach seine Information öffentlich gemacht. Uns war sofort klar, dass er über das Infektionsschutzgesetz in dieser Form die Impfpflicht durchbekommen möchte. Damit haben wir bekanntlich ein Problem.

Das Problem heißt also eigentlich SPD?

Sagen wir so: Wir hatten in der Ampel vereinbart, dass wir abgestimmt an die Presse gehen. Es gibt seit ein paar Monaten immer wieder einzelne Personen, die unabgestimmt vorpreschen. Und das nervt. Für mich ist klar: Die Kernaufgabe der FDP in der Ampel ist, dafür zu sorgen, Eingriffe in die Freiheit der Menschen so schwer wie möglich zu machen.

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