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Frisches Wasser: unbezahlbar. (Foto: Lanju Fotografie)

Unser Umgang mit Trinkwasser ist dekadent – das sollten wir ändern

Es ist schlecht für Umwelt und Gesundheit, wie wir Wasser entkalken. Wie es besser geht, hat “Governator” Arnold Schwarzenegger vorgemacht.

Wann haben Sie zuletzt über ihren Wasserverbrauch nachgedacht? Wir Menschen in Deutschland verbrauchen jeden Tag 123 Liter Trinkwasser. Pro Jahr kommen so 3676 Millionen Kubikmeter Wasser zusammen. Es fließt einfach aus dem Wasserhahn. Scheinbar selbstverständlich. Und zwar in einer sehr guten Qualität.

Das Wasser plagt allerdings auch viele Hausbesitzer. Denn in vielen Regionen enthält es viel Kalk. Das verursacht Kalkablagerungen und technische Probleme in den Installationen. Um das zu verhindern, setzt man in Deutschland vor allem auf Enthärtungsanlagen mit Salz. Diese Anlagen nutzen das Prinzip des Ionenaustauschs. Dabei werden die Härtebildner Calcium und Magnesium gegen Natrium aus dem Salz getauscht. Das Wasser wird weicher.

Zum Autor

Maximilian Wilk ist Co-Geschäftsführer der Aqon Water Solutions GmbH im hessischen Bensheim. Der 30-Jährige gebürtige Offenbacher hat Management & Technology an der Technischen Universität München studiert. Mit seinem Bruder hat er das Wasserenthärtungssystem Aqon Pure entwickelt. Seine Hobbys sind Wandern, Thai-Boxen, Kochen.

Im Ressort Debatte lassen wir Gastautor:innen zu Wort kommen, die mit innovativen Ideen etwas verändern (wollen).

Das Wasser wird weich, die Qualität verschlechtert sich

Das hat allerdings viele Nachteile: Erhöhung des Natriumwertes im Trinkwasser, laufende Kosten durch Wartung und Salzverbrauch, ein erhöhtes Korrosionsrisiko. Zusätzlich die Auswirkungen auf die Umwelt: Ionenaustauscher müssen regelmäßig regeneriert werden. Dies verursacht nicht nur zusätzlichen Wasserverbrauch. Das Chlorid aus dem Salz gelangt dadurch auch in das Abwasser und in die Umwelt. Die Belastung durch Chlorid kann in einem Versorgungsgebiet signifikant steigen.

Aufgrund dieser Nachteile sind Enthärtungsanlagen auf Salzbasis in einigen Regionen der Erde bereits verboten. Arnold Schwarzenegger unterzeichnete als Gouverneur von Kalifornien 2006 den sogenannten „water softener ban“. Dieses Gesetz ermöglicht es, die Emission von Chlorid in Gewässer zu reduzieren. In Deutschland tut sich hingegen: nichts. Jedenfalls ändert sich nichts zum Positiven.

Der “Governator” hat mich inspiriert

Als ich 2016 in Kalifornien war und dort meine Masterthesis schrieb, stieß ich aus Zufall auf das Gesetz von Schwarzenegger. Zurück in Deutschland begann ich gemeinsam mit meinem Bruder Konstantin nach einer eigenen Lösung für das Problem zu suchen. Sie sollte auch gut für die Gesundheit der Menschen sein. Schließlich achten wir im Supermarkt darauf, dass das Mineralwasser natriumarm ist. Ein Wasserenthärter mit Salz bewirkt das genaue Gegenteil.

Bei der Suche nach einer intelligenten Lösung konnten wir auf das Know-how im Unternehmen meines Vaters setzen. Aqon beschäftigt sich seit 2003 mit nachhaltiger Wasseraufbereitung. So kam auch durch mehrere EU-Forschungsprojekte umfangreiches Wissen über umweltfreundliche Wassertechnologien zusammen.

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Kleine Kristalle aus Kalk lösen das Problem

Für unsere Lösung setzen wir auf das Prinzip der Impfkristallbildung: Anstatt Kalk dem Wasser zu entziehen, werden mit den im Wasser befindlichen Härtebildnern Calcium und Magnesium mikroskopisch kleine Kalkkristalle gebildet. Diese Kristalle haben ein geringeres Anlagerungsverhalten und werden bei jeder Wasserentnahme ausgeschwemmt. Unsere Anlagen benötigen kein Salz, keine Wartung und belassen die Trinkwasserqualität so, wie sie vom örtlichen Versorgungsunternehmen in das Leitungsnetz eingespeist wird.

Die Anlagen einzubauen, ist nicht weiter kompliziert. Es wird weder ein Abwasser- noch ein Stromanschluss benötigt, da wir den Wasserdruck in der Leitung nutzen, ähnlich wie ein Wasserkraftwerk. Außerdem ist der Platzbedarf geringer, da das System direkt in die Rohrleitung integriert wird. In der Regel dauert der Einbau nicht länger als 60 Minuten. Je nach Modell erreichen wir eine Lebensdauer von bis zu 20 Jahre. Danach wird das System ausgetauscht und kann zu 100 Prozent recycelt werden.

Warum uns die Sanitärbetriebe abblitzen ließen

Doch die eingesessene Sanitärbranche ließ uns zunächst abblitzen. Denn im Vergleich zu herkömmlichen Wasserenthärtungsanlagen mit Salz ist unser Produkt kostengünstiger und benötigt keine Wartung. Durch geringere Deckungsbeiträge und den Wegfall des Folgegeschäfts war unser Produkt für den Großhandel und lokale Installateure finanziell weniger interessant.

Auch für dieses Problem musste eine Lösung her: Wir entschieden uns für den Online-Vertrieb. Das Überraschende: Sofort zeigten lokale  Sanitärbetriebe Interesse an schlüsselfertigen Einbauaufträgen. Innerhalb von drei Jahren wuchs das bundesweite Netzwerk aus Installationsunternehmen von zehn auf über 270 an und der Umsatz erreichte einen siebenstelligen Bereich. Begleitet wurde das stetige Wachstum von einer Nominierung für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design 2021 – ohne dass wir uns hierfür beworben hätten. Und seit dem Frühjahr 2021 führt das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen Aqon Pure in seinem Ecodesign Bericht.

Wir wollen auch politisch etwas ändern

Inzwischen sind wir auch politisch aktiv geworden. Im Vereinigten Königreich schreibt der „Domestic Heating Compliance Guide“ seit 2006 vor, dass aus Gründen der Energieeffizienz sämtliche neuerrichteten Gebäude in Regionen mit hartem Wasser mit Anlagen zum Schutz vor Kalkablagerungen ausgerüstet werden müssen. Denn wenn es in den Installationen keine Kalkablagerungen gibt, braucht es weniger Energie, um das Wasser aufzuheizen. Das spart klimaschädliches CO2.

Deutschland liegt im Vergleich zu Ländern wie den USA oder England beim Thema umweltfreundliche Wasseraufbereitung zurück. Hier können wir noch viel lernen.

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