Früher besser informiert.
Meine Abonnements
  • Sie sind nicht eingeloggt.

Unfallgefahr: Lokführer überfahren 542 Mal Haltesignale

Abgelenkt im Führerstand: Die Lokführer haben 2020 seltener Haltesignale überfahren. Doch die Vorbeifahrten bleiben auf hohem Niveau.
Woran liegt es, dass Lokführer an Haltesignalen vorbeifahren? (Foto: Deutsche Bahn AG / Pablo Castagnola)
Woran liegt es, dass Lokführer an Haltesignalen vorbeifahren? (Foto: Deutsche Bahn AG / Pablo Castagnola)

Die Lokführerinnen und Lokführer in Deutschland haben 2020 insgesamt 542 Mal Haltesignale überfahren. In 87 Fällen erreichten die Züge den Gefahrpunkt, in 455 Fällen blieben sie vorher stehen. Das geht aus einem Bericht des Eisenbahnbundesamtes hervor, den Journalistico ausgewertet hat. Die gefährlichen Vorbeifahrten an Haltesignalen beschäftigen die Aufsichtsbehörde seit Jahren.

Die Bonner Behörde sieht aber Fortschritte bei der Sensibilisierung für das Thema. Im Vergleich zu 2019 sei die Zahl der überfahrenen Haltesignale 2020 um 23 Ereignisse gesunken. Es scheine zu wirken, dass die Aufsicht bei den Eisenbahnunternehmen darauf gedrängt habe, dass die Vorfälle aufgearbeitet würden. “Nun gilt es weiterhin, diese Entwicklung zu verstetigen.”

Überfahrene Haltesignale: Warum nahmen die Vorbeifahrten zu?

Am häufigsten waren Haltesignale 2018 ignoriert worden, nämlich 614 Mal. Am seltensten war dieses Phänomen in den vergangenen zehn Jahren 2013. Damals gab es “lediglich” 368 Vorbeifahrten. Von da an sind die Zahlen Jahr für Jahr gestiegen. Erst 2019 gelang es, den Trend zu brechen (siehe Tabelle).

Das Eisenbahnbundesamt hat versucht, dem Phänomen der überfahrenen Haltesignale mit einer Sonderprüfung auf die Spur zu kommen. 2016 analysierten die Aufseher das Problem gemeinsam mit dem Infrastrukturbetreiber DB Netz

Ablenkung im Führerstand durch digitale Medien

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es nicht an der Infrastruktur liege, dass die Lokführerinnen und Lokführer häufiger Haltesignale überfahren. In der Folge wurden Prüfungen bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen eingeleitet. So sollte in Erfahrung gebracht werden, was diese gegen Vorbeifahrten unternehmen. Auch technische Kontrollmechanismen und die Schulung des Personals wurden untersucht.

2018 berichteten die Prüfer, dass sich die Stimmen in der Branche häuften, die einen Grund für die höhere Anzahl an überfahrenen Haltesignalen in der Ablenkung durch vermehrten Einsatz von digitalen Medien im Führerstand vermuten. “Dies betrifft in erster Linie digitale Fahrplanunterlagen, die die Aufmerksamkeit des Nutzers in Anspruch nehmen”, erläuterte ein Sprecher des Eisenbahnbundesamtes auf Anfrage von Journalistico. Digitale Medien seien aber nur eine mögliche Erklärung für Vorbeifahrten.

Bahn-Unternehmen für Sanktionen zuständig

Ob es in der Folge von überfahrenen Haltesignalen zu Unfällen gekommen ist, konnten weder das Eisenbahnbundesamt noch die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung aufklären. Ebenfalls offen blieb, ob Lokführerinnen und Lokführer für Vorbeifahrten sanktioniert wurden. “Das Verhängen von Sanktionen steht (…) nicht im Vordergrund der Eisenbahnaufsicht”, so ein Sprecher des Eisenbahnbundesamtes. “Es obliegt dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, unzulässige Vorbeifahrten an Haltesignalen selbst zu untersuchen und die nötigen fachlichen Maßnahmen daraus abzuleiten; das betrifft gegebenenfalls auch eine disziplinarische Würdigung des Sachverhalts.”

JahrVorbeifahrtenGefahrenpunkt erreicht
2011464*
2012400*
2013368*
2014470*
201548271
201652374
2017543112
201861486
201956587
202054287
Quelle: Eisenbahnbundesamt: Sicherheitsberichte, *es liegen keine Daten vor

Mehr zur Sicherheit im Eisenbahnverkehr: Mehr Schienensuizide in 2022

Verwandte Beiträge