Lena Marbacher ist Miteigentümerin einer Firma, hat ihre Verfügungsgewalt über diese aber freiwillig beschränkt. Deshalb entscheiden in ihrer Medien-GmbH Neue Narrative auch einige Beschäftigte über wichtige Fragen mit. Das Unternehmen gehört quasi sich selbst. Das ist die Idee hinter dem Verantwortungseigentum. „Es soll um Fairness gehen, nicht nur darum, wer das Kapital besitzt“, sagt Marbacher.
Verantwortungseigentum: Schutz vor gewissenlosen Investoren
Einige hundert Unternehmen, die solche Experimente wagen, arbeiten hierzulande bereits. Nun diskutiert die Bundesregierung darüber, ob es bald die neue Rechtsform der „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ geben soll – neben den bekannten Rechtsformen wie GmbH, KG oder Aktiengesellschaft. Der Kern: Mit deutlich geringerem Aufwand als bisher könnten Firmen dann verhindern, dass sie an Investoren verkauft, zerlegt oder ausgeschlachtet werden.
Dazu findet kommende Woche die Konferenz für Verantwortungseigentum in Berlin statt. Im Zentrum stehen innovative, oft ethisch fundierte Unternehmensformen. Auf der Redeliste des Programms finden sich unter anderem Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold, Grünen-Chefin Ricarda Lang, Christian Kroll, Chef der Internet-Suchmaschine Ecosia, und Ökonom Lars Feld, der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) berät.
Die Idee steht im Zentrum, nicht das Geld
Die Firma Neue Narrative veröffentlicht unter anderem ein journalistisches Magazin über moderne Ansätze in Wirtschaft und Arbeit. 28 Leute arbeiten in dem Betrieb, er macht in diesem Jahr etwa 1,8 Millionen Euro Umsatz und verfügt über ungefähr 850.000 Euro Eigenkapital.
Um ihren Zielen gerecht zu werden, haben Lena Marbacher und die beiden Mitgründer 99 Prozent der Stimmrechte an ihrer GmbH in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ausgelagert. Darin sitzen neben den Gründern auch vier Beschäftigte und eine Schweizer Stiftung mit Vetorecht. „Dieses verhindert, dass Kapital aus der GmbH herausgezogen wird“, erklärt Marbacher. Sie hat diese Konstruktion auch gewählt, um unabhängigen Journalismus zu ermöglichen, der nicht den Interessen kapitalkräftiger Investoren zum Opfer fallen soll.
Verantwortungseigentum als “Voraussetzung für gesunden Wettbewerb”?
Die grundsätzliche Idee hat es immerhin schon in den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geschafft. „Fu?r Unternehmen mit gebundenem Vermo?gen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt“, heißt es dort.
Die künftige Rechtsform diene der „unternehmerischen Unabhängigkeit“ und sei eine „Voraussetzung für gesunden Wettbewerb“, argumentierte FDP-Politiker Florian Toncar in einem Artikel, bevor er Staatssekretär in Lindners Finanzministerium wurde. Ökonom Feld schrieb: „Die unternehmerische Freiheit in Bezug auf die Wahl von Unternehmens- und Rechtsformen wird erweitert. Das ist aus ordnungspolitischer Sicht zu befürworten.“
Stiftungsunternehmen sind die Blaupause für Verantwortungseigentum
Die Frage ist nun, ob ein Gesetzentwurf folgt. Ein Vorschlag unter anderem der Bielefelder Jura-Professorin Anne Sanders liegt im Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) vor. Neu ist das Anliegen freilich nicht. Das Verantwortungseigentum hat bekannte Vorläufer. Auch früher kamen Unternehmerinnen und Unternehmer schon auf die Idee, das Kapital ihrer Firma vom Markt zu nehmen, indem sie es beispielsweise in einer Stiftung vor externem Zugriff schützten. Beispiele sind Bosch, Zeiss oder Bertelsmann. Diese Konstruktionen allerdings gelten als kompliziert und wenig geeignet für kleinere Firmen. Diese müssen dann wiederum schwierige Umwege wählen, um zum Ziel zu kommen. Hier könnte die neue Rechtsform Erleichterung verschaffen.
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