Es ist farblos und kommt in der Natur reichlich vor. In großen Mengen, wie sie vor allem Industrieanlagen ausstoßen, treibt CO2 allerdings die Erderwärmung und den Klimawandel voran. Schnell weniger zu erzeugen, ist anspruchsvoll und stößt auf Widerstand. Wäre es nicht praktisch, das Gas einfach verschwinden zu lassen? Indem CO2 unter der Nordsee gespeichert wird etwa? Wintershall Dea, Deutschlands einziger Gas- und Ölförderer, arbeitet gerade daran.
Deutschland hat 2020 rund 739 Millionen Tonnen Treibhausgas erzeugt, wie das Umweltbundesamt berichtet, mehr als 90 Prozent davon waren CO2. Für 2030 sind nach dem Willen der Bundesregierung 438 Millionen Tonnen geplant. 2045 soll die Neutralität erreicht sein: Es soll nur noch soviel ausgestoßen werden, wie auch gebunden werden kann. Technisch ist das schwierig, vor allem, weil die Zeitspanne recht kurz bemessen ist.
Geschäftsidee: CO2 unter der Nordsee speichern
Wenn sich die Menge nicht schnell verringern lässt, bleibt nur speichern. Zum Beispiel unter dem Meer. Und hier sieht Wintershall Dea Geschäftspotenzial. Dies ist Teil eines Wandels vom reinen Förderer fossiler Brennstoffe in 13 Ländern hin zum Helfer für die Energiewende.
Das Unternehmen aus Kassel, das zu 67 Prozent BASF gehört, einem der größten Chemiekonzerne der Welt, plant, in großem Stil CO2 in ehemalige Gas- und Ölfelder einzulagern. Der Vorteil solcher Stätten: Sie sind geologisch geeignet, Kohlendioxid aufzunehmen und sie sollen dicht sein.
Klaus Langemann jedenfalls sagt: „Ohne CCS wird Deutschland, wird Europa die Energiewende nicht schaffen.” Das Kürzel steht für Carbon Capture and Storage, das Abscheiden und Einlagern von Kohlendioxid. Langemann ist Senior Vice President Carbon Management & Hydrogen von Wintershall Dea, praktisch der oberste CO2-Spezialist des Unternehmens.
CO2 unter der Nordsee: Reichlich Speicherpotenzial vorhanden
Das Abscheiden von CO2 aus der Abluft von Industrieanlagen ist aus Sicht von Langemann technisch kein Problem, ebenso wenig der Transport. Dabei hilft, dass CO2 schon bei einem vergleichsweise geringen Druck flüssig wird und sich gut durch Pipelines schicken oder verschiffen lässt. Bleibt die Frage der Speicher.
Grundsätzlich ließe sich CO2 auch an Land speichern, sagt Langemann. Dabei wären auch die Kosten geringer als auf hoher See. Aber es gebe Vorbehalte, daher konzentriere sich das Unternehmen auf Offshore-Speicherung.
Also die Nordsee. Hier gibt es reichlich Speicherpotenzial. Theoretisch ließe sich der deutsche CO2-Ausstoß von 120 Jahren speichern, sagt Langemann. Dazu müssen allerdings die Speicherorte erschlossen und erforscht werden. Und bevor neue Speicher entwickelt werden, lassen sich die nutzen, die es bereits gibt. Jene Felder, aus denen seit Jahren Öl und Gas gefördert wird.
Erstes Pilotprojekt an der dänischen Küste
Wintershall Dea ist in Europa an Öl- und Gasfeldern in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und Norwegen beteiligt. Und auch in der deutschen Nordsee gebe es interessante Strukturen, sagt Langemann. „Wir haben die Lagerstätten, wir haben die Infrastruktur und wir haben das Wissen, wie es 2000 Meter unter dem Meeresboden aussieht”, sagt der Wintershall-Dea-Spezialist. Entsprechend lässt sich ein neues Geschäftsfeld aufbauen.
Ein erstes Pilotprojekt namens Greensand läuft gut 200 Kilometer westlich der dänischen Küste. Das Ölfeld dort gehört Wintershall Dea und der britischen Ineos. Die Förderung aus dem Nini-Feld für Greensand werde in etwa zwei Jahren eingestellt, sagt Langemann. Die Lagerstätte sei bereits untersucht und geeignet zum Speichern von CO2. Jetzt beginne Phase 2. Ende 2022 soll es erste Testinjektionen geben. Zur kommerziellen Nutzung muss die Bohrung noch umgebaut werden. CO2 sei in Verbindung mit Wasser sehr korrosiv, sagt Langemann, die Rohre würden schlicht wegrosten.
Speicherung von CO2: Dreistelliger Millionenbetrag nötig
Ist alles vorbereitet, können Schiffe mit flüssigem CO2 an der unbemannten Plattform anlegen und das Gas in das ehemalige Ölfeld pumpen. „In dieser Phase wollen wir zeigen, dass das Verfahren funktioniert”, sagt Langemann. Und dass die Berechnungen richtig sind. Beteiligt an dem Projekt sind fast 30 verschiedene, spezialisierte Unternehmen – im Offshore-Geschäft normal.
Der dänische Staat fördert das Projekt mit rund 26 Millionen Euro. Um den Speicher dann für große Mengen aufzubauen, müssten dann mehrere hundert Millionen Euro investiert werden, sagt Langemann. Später sollen bis zu acht Millionen Tonnen CO2 jährlich gespeichert werden – über 20 Jahre. Die Dänen wollen vor allem eigenes CO2 aus dem industriellen Großraum Kopenhagen unter der Nordsee speichern.
Bleibt die Frage: Wer soll die Millionen bezahlen? Industriebetriebe, die heute CO2 in die Luft blasen, benötigen dafür Verschmutzungszertifikate, die derzeit um die 95 Euro je Tonne des Gases kosten. Dieses Geld kann ein Unternehmen auch einsetzen, um sein CO2 komplett unter die Erde bringen zu lassen. Experten rechnen damit, dass sich bei einem Preis von 100 Euro pro Tonne große Mengen CO2 transportieren und speichern lassen. Die CCS-Technologie sei eine vergleichsweise preiswerte Methode, zu dekarbonisieren.