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Böllerverbot: Frust in der Feuerwerksbranche

Das zweite Verkaufsverbot bringt die Branche in Existenznot. Kommunen und Umweltschützer sehen dagegen viele Vorteile im Böllerverbot.
Auch in diesem Jahr wird man keine Raketen und Böller kaufen können. (Foto: Ian Schneider)
Auch in diesem Jahr wird man keine Raketen und Böller kaufen können. (Foto: Ian Schneider)

Beim größten deutschen Herstellung von Knallern und Raketen ist die Stimmung wegen dem erneuten Böllerverbot auf dem Tiefpunkt. Das Unternehmen Weco aus dem Rhein-Sieg-Kreis hat schon unter dem Verkaufsverbot des vergangenen Jahres schwer gelitten und nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag verloren. Ein Werk im sächsischen Freiberg musste geschlossen werden. 100 Jobs gingen verloren. Nun geht auch bei den verbliebenen 350 Beschäftigten die Angst vor der Schließung um, wenn der Bundesrat an diesem Freitag das vom Bund verordnete Verkaufsverbot für Feuerwerk zum Jahresende bestätigt. „Wir sind maßlos enttäuscht”, sagt Geschäftsführer Thomas Schreiber. Erst aus den Medien habe man vom geplanten Verbot erfahren.

Das Verbot trifft die Branche hart. Denn in den Tagen vor Silvester werden bis zu 95 Prozent des Umsatzes erzielt. Einen dreistelligen Millionenbetrag jagen die Deutschen zum Jahreswechsel in die Luft. Das dürfen sie in begrenztem Umfang auch in diesem Jahr. Nur der Verkauf wird untersagt. Was noch im Regal liegt, darf verballert werden, sofern die jeweilige Kommune kein generelles Verbot ausspricht. Das ist vielerorts der Fall. „Das Feuerwerksverbot bedeutet mit aller Wahrscheinlichkeit den Todesstoß für die gesamte Feuerwerksbranche in Deutschland und damit auch die Arbeitslosigkeit von 3.000 Beschäftigten”, befürchtet Klaus Gotzen, Sprecher des Verbands der pyrotechnischen Industrie (PTI).

Frust in Deutschland, gute Laune in Polen

Auch im Norden sind die Branchenfirmen empört. Der Online-Händler Pyroland aus Niedersachsen will das Verbot rechtlich aushebeln. Gemeinsam mit anderen Firmen und Verbänden habe man dafür gute Argumente gesammelt, teilt das Unternehmen mit. Noch verpackt und versendet der Händler die bestellten Feuerwerkskörper wie gewohnt. Und kann sich vor Anfragen nach eigener Aussage nicht retten. Das Geschäft wird also zumindest teilweise vorgezogen.

Gute Laune herrscht dagegen in der polnischen Grenzstadt Slubice. Ein örtlicher Händler musste zu Wochenbeginn sogar schließen, um mehr Kapazitäten für die Abholung der Böller und Batterien durch die Kundschaft aus Deutschland zu schaffen. Dabei warnen Fachleute gerade vor dem Einkauf in Polen, weil manche Knallkörper mit hoher Sprengkraft in Deutschland verboten sind und als gefährlich eingestuft werden. Auch deshalb hält Weco das Verbot für Unfug. Es bewirke das Gegenteil vom erwünschten Effekt. „Nämlich, dass viele Menschen illegale und lebensgefährliche Feuerwerkskörper aus dem Ausland oder vom Schwarzmarkt kaufen oder im schlimmsten Fall sogar selbst basteln”, warnt Schreiber.

Volle Notaufnahmen: Böllerverbot ist ein “haltloses Argument”

Damit trifft Schreiber einen wunden Punkt. Bund und Länder begründen das Verkaufsverbot damit, dass die ohnehin stark belasteten Krankenhäuser rund um Silvester nicht noch zusätzlich mit Böllerunfällen belastet werden. Das Argument sei haltlos, kritisiert Schreiber. Die wenigsten Krankenhausbesuche zum Jahreswechsel stünden in Zusammenhang mit Feuerwerk. Auch der VPI sieht eher Alkoholmissbrauch oder Schlägereien als Ursache für die vollen Notaufnahmen an Silvester.

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Doch am Verkaufsverbot wird wohl nicht mehr gerüttelt. Daher pocht die Branche auf weitere Hilfen. Das Feuerwerk wird zwar nicht „schlecht” und kann für den Verkauf im kommenden Jahr eingelagert werden. Doch Lager- oder Finanzierungskosten belasten die Unternehmen. So fordert Waco-Sprecher Oliver Gerstmeier eine Schadensregulierung über die üblichen Corona-Hilfen hinaus durch den Bund.

Positive Effekte für Umwelt, Tiere und Entsorgungsunternehmen

Des einen Leid ist auch hier des anderen Freud’. So begrüßt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das geplante Verkaufsverbot. Der Verein fordert schon lange ein völliges Böllerverbot, weil darunter Haustiere leiden und die Luft durch Stickoxide belastet wird. „Gerade für Asthmatiker, vulnerable Gruppen, aber ebenso viele Haus- und Wildtiere und die Umwelt insgesamt ist das eine große Entlastung”, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. Er fordert schon eine Ausweitung des Verbots auf die nächsten Jahre.

Erfreut sind auch die Kommunalen Entsorgungsunternehmen. Denn ohne Böller und Raketen reduziert sich das Müllaufkommen zum Jahreswechsel erheblich. Nach Angaben des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) fallen allein in den fünf größten deutschen Städten jährlich zwischen 134 und 183 Tonnen Silvestermüll an. Im vergangenen Jahr kam durch das Böllerverbot gerade einmal ein Drittel des Mülls zusammen.

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