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Ampel-Koalition: Höherer Mindestlohn würde Millionen Menschen helfen

Von einer Anhebung des Mindestlohns würden Millionen Arbeitnehmer profitieren. Eine Expertin warnt aber: es gibt auch einen Haken.
Eine Erhöhung des Mindestlohns unter der Ampel-Koalition würde Millionen Menschen helfen. (Symbolbild: Mathieu Stern)
Eine Erhöhung des Mindestlohns unter der Ampel-Koalition würde Millionen Menschen helfen. (Symbolbild: Mathieu Stern)

Jeder fünfte Arbeitnehmer musste sich vor der Corona-Krise mit einem niedrigen Lohn begnügen. 2,5 Millionen Beschäftigte verdienten nach Angaben des Statistischen Bundesamt 2018 gerade einmal etwa den gesetzlichen Mindestlohn und bekamen pro Stunde zwischen 8,75 Euro und 9,24 Euro. Weitere acht Millionen Arbeitnehmer verdienten weniger als 11,50 Euro. Das ist der Schwellenwert für Niedriglöhne. Damit soll bald Schluss ein. In ihren Sondierungsgesprächen hat die angehende Ampelkoalition eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro beschlossen. Bei 160 Stunden Arbeit im Monat kämen die betreffenden Beschäftigten auf 1.920 Euro brutto.

Wie viele Menschen derzeit mit geringen Löhnen klarkommen müssen, ist durch die Folgen der Pandemie kaum zu sagen. Denn typische Jobs in diesem Segment sind vielfach weggefallen. Dazu gehören die Minijobs, Stellen in der Gastronomie oder auch beim Bodenpersonal an den Flughäfen. Die Unternehmen klagen hier heftig, weil sich viele Beschäftigte während der zwangsweisen Schließung etwa von Hotels und Restaurants andere Stellen gesucht haben und nicht wieder zurückkehren. Doch hier würden sie wohl am stärksten von einem höheren Mindestlohn profitieren.

Mindestlohn hat Einfluss auf andere Gehälter

Zu den Gewinnern gehören auch die Briefzusteller in den Konkurrenzunternehmen der Deutschen Post. Allerdings befürchtet der Arbeitgeberverband der Branche, dass die Anbieter mit höheren Löhnen nicht mehr mit dem Branchenprimus mithalten können. Derlei Klagen gehörten schon bei der Einführung des Mindestlohnes 2015 zu den erwartbaren Warnungen der Arbeitgeber. Dabei haben sich die Befürchtungen nicht in dem von der Wirtschaft prognostizierten Ausmaß bewahrheitet. Allerdings gilt dies auch für die ebenfalls hohen Erwartungen der Gewerkschaften, wie Studien zeigen.

Demnach sind die geringen Löhne seit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns stärker gestiegen als der Verdienst der anderen Beschäftigten. Die Schere bei den Einkommen hat sich also etwas geschlossen. Doch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat auch festgestellt, dass sich zwar die Einkommen pro Stunde verbessert haben, zugleich aber vielfach die Arbeitszeit verringert wurde. Es gab also oft mehr Freizeit für das gleiche Geld, obwohl die Beschäftigten gerne länger gearbeitet hätten.

Unvorhersehbare Folgen für kleine Unternehmen

„Kleine Unternehmen haben oft nicht die Möglichkeit, ihre Kostenstrukturen einem höheren Mindestlohn anzupassen”, sagt DIW-Forscherin Alexandra Fedorets. In den ersten Jahren habe es daher eine Verschiebung der Beschäftigung gegeben. Die Menschen wechselten häufig von kleinen in große Betriebe, die sich eine bessere Bezahlung leisten können. Welche Beschäftigungswirkung eine neuerliche Anhebung der Untergrenze von momentan 9,82 Euro auf zwölf Euro haben wird, vermag sie nicht vorherzusagen. Denn im Gegensatz zu den vergangenen Jahren mit einem konjunkturellen Boom habe sich die wirtschaftliche Entwicklung nun verlangsamt.

Die Forscherin sieht noch weitere Mängel bei der Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohnes. Da sind zum Beispiel zu wenige Kontrollen. Gerade einmal etwas mehr als 1.700 Verstöße gegen die Regelung hat der Zoll im ersten Halbjahr festgestellt. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Neben verschärften Prüfungen der Betriebe schlägt Fedorets auch Kampagnen vor, um vom Sinn höherer Löhne zu überzeugen.

Mini-Jobs oder Vollzeitstellen?

„Arbeitgeber und Konsumenten müssen durch höhere Kosten und Preise bessere Arbeitsbedingungen bezahlen”, sagt sie. Denn Corona habe gezeigt, dass alle Jobs systemrelevant sind. Kritisch sieht Fedorets auch das Vorhaben der Ampel, die Grenzen für Mini- und Minijobs zu verschieben. Denn dies würde einem wichtigen Ziel der Arbeitsmarktpolitik widersprechen. „Die Ausweitung der Mini- und Minijobs würde die erhoffte Ausweitung sozialversicherungspflichtiger Vollzeitstellen konterkarieren”, befürchtet sie.

 

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