Am Tankrabatt verdienen vor allem die Ölkonzerne, kritisiert Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim Umweltverband BUND. Warum trotz Tankrabatt der Benzinpreis nicht unbedingt sinkt und welche Alternativen es für die Zukunft gibt, erklärt Hilgenberg im Interview.
Herr Hilgenberg, die Diesel- und Benzinpreise sollen am 1. Juni durch einen Tankrabatt sinken. Genauer: Für drei Monate sinken die Energiesteuern auf Sprit. Das soll Menschen helfen, mit den sprunghaft gestiegenen Energiepreisen nach dem furchtbaren Angriffskrieg Russlands in der Ukraine besser klar zu kommen. Was ist daran verkehrt?
Zu allererst verdienen die Ölkonzerne daran, bei den Autofahrenden kommt der Tankrabatt kaum vollständig an.
„Der Tankrabatt steht dem notwendigen Klimaschutz entgegen.”
Genau das soll das Bundeskartellamt erst noch untersuchen. Was macht Sie jetzt schon so sicher?
Wir beobachten schon jetzt einen Mitnahmeeffekt. Dafür muss nur der 30-Tage-Trend betrachtet werden. Am 23. April dieses Jahres kostete der Liter Superbenzin im Bundesdurchschnitt 2,02 Euro, einen Monat später, am 23. Mai, lag der Preis bei 2,15 Euro. In derselben Zeit ist der Rohölpreis aber nur von 105 auf 110 US-Dollar pro Barrel gestiegen. Ein Barrel enthält 159 Liter. Also ist der Rohölpreis umgerechnet gerade mal um 3 Euro-Cent pro Liter gestiegen, an der Tankstelle sind aber 13 Cent drauf gekommen. Und es kann noch schlimmer kommen.
Schlimmer? Also, dass trotz Tankrabatt der Benzinpreis nicht sinkt?
Es ist gut möglich, dass die Preise an der Tankstelle im Juni noch weiter hochgedreht werden.
Über Jens Hilgenberg
Jens Hilgenberg, 46, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und
Naturschutz, BUND. Der Diplom-Politologe und Industriekaufmann ist im
nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis aufgewachsen.
Das müsste Klimaschützer wie Sie eigentlich freuen. Steigende Preise für Benzin gelten als effektives Instrument, um den CO2-Ausstoß zu mindern.
Ja. Darum steht der Tankrabatt auch dem notwendigen Klimaschutz entgegen. Damit ist der Anreiz größer, mehr fossile Energie im Verkehr zu verbrauchen. Damit steigt der CO2-Ausstoß weiter an. Das ist auch mit Blick auf die notwendige Minimierung der Abhängigkeit von Energie-Importen kontraproduktiv. Das heißt aber nicht, dass die Regierung Bürgerinnen und Bürgern nicht helfen soll, die von steigenden Preise hart getroffen sind.
Ihre Alternative zum Tankrabatt?
Langfristig muss der Öffentliche Nahverkehr ausgebaut, in Rad-Infrastruktur investiert werden, muss es mehr Car-Sharing-Angebote geben…
…ja, aber kurzfristig?
Auf dem Land kann man derzeit nicht überall auf Busse oder Bahn umsteigen. Wer Schicht arbeitet, zum Beispiel drei Orte von zu Hause entfernt, kommt da meist nicht ohne Auto hin, schon gar nicht frühmorgens oder nachts. Aber Gutverdienende stecken die höheren Preise
besser weg als Ärmere. Darum müssen Entlastungen an Haushaltseinkommen geknüpft werden.
„Der für Verkehr vorgesehene Betrag bei Hartz-IV liegt bei 40,27 Euro. Das reicht oft nicht einmal für ein ÖPNV-Monatsticket, geschweige denn für die Finanzierung eines Autos auf dem Land.”
Oppositionspolitiker aus Union und von der Linken fordern schon jetzt eine längere Senkung der Energiesteuer.
Das ist die völlig falsche Richtung. Alle wissen, dass wegen der Erderhitzung umgesteuert werden muss. Das heißt aber nicht, dass alle Menschen auch im ländlichen Raum in fünf Jahren komplett auf ihr Auto verzichten müssen und sollen.
Aber?
Aber das Mobilitätsverhalten sollte hinterfragt werden. Ist der Zweit- oder gar Drittwagen wirklich nötig? Ein Auto, das die meiste Zeit rumsteht, ist doch totes Kapital. Und muss das Auto wirklich so groß sein, so viel Energie fressen und bei der Herstellung so viele Ressourcen verbrauchen? Ist ein kleines Auto nicht viel praktischer? Es benötigt auch weniger Platz zum Parken. Mehrere und große Autos leisten sich vor allem reichere Haushalte, diese brauchen keine staatliche Hilfe. Hingegen liegt derzeit der für Verkehr vorgesehene Betrag für Hartz-IV-Empfangende bei 40,27 Euro. Das reicht oft nicht einmal für ein ÖPNV-Monatsticket in der Stadt, geschweige denn für die Finanzierung eines Autos auf dem Land.
Das heißt für die Zukunft?
Die Hilfen für Ärmere müssen erhöht und die ÖPNV-Tickets müssen günstiger werden.
Lesen Sie auch: “Das Bundeskartellamt sollte offensiver rangehen”
Erhalten Sie unsere Highlights. Immer Samstags. Kostenlos.
Hier geht es zu mehr großartigen Geschichten von Journalistico.