Früher besser informiert.
Meine Abonnements
  • Sie sind nicht eingeloggt.

„Das Bundeskartellamt sollte offensiver rangehen”

„Missbräuchlich überhöhte Benzinpreise” sieht Rechtsprofessor Daniel Zimmer im Zuge des Tankrabatts. Er fordert die Verschärfung des Kartellrechts.
Daniel Zimmer, Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht. (Foto: Universität Bonn)
Daniel Zimmer, Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht. (Foto: Universität Bonn)

Trotz des eingeführten Tankrabatts sinken die Benzinpreise nicht. Eine Verschärfung des Kartellrechts fordert der Rechtsprofessor Daniel Zimmer, ehemaliger Chef der Monopolkommission. Ein Gespräch über rechtliche Rahmenbedingungen und mögliche Maßnahmen.

Herr Zimmer, die Tankstellen-Konzerne stehen im Verdacht, nicht die komplette Steuersenkung von etwa 30 Cent pro Liter Benzin und 14 Cent beim Diesel an die Konsumenten weiterzugeben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will nun das Kartellrecht verschärfen. Kann das helfen?

Zunächst sollte man das geltende Recht umsetzen. Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gibt es den Paragrafen 34, der schon jetzt die Abschöpfung unrechtmäßiger Gewinne von Unternehmen ermöglicht. Wenn Habecks Vorwurf nachweisbar ist, hätten die Mineralölfirmen missbräuchlich überhöhte Preise gesetzt. Dann sollte das Bundeskartellamt offensiver rangehen.

Das Argument gegen die Unternehmen BP, Eni, Shell, Total und weitere lautet, sie hätten den Sprit an den Tankstellen stärker verteuert, als der Weltmarktpreis steigt. Einen Teil der Steuersenkung würden sie also in die eigene Tasche stecken. Sehen Sie Belege dafür?

Auf dem Markt für Benzin und Diesel agieren wenige große, marktbeherrschende Konzerne. Sie bilden ein Oligopol – das kann als erwiesen gelten. Sie orientieren sich in der Preispolitik nicht nur an ihren Kosten, sondern auch daran, was die Kunden zu zahlen bereit sind. Das ist zumindest das Verhalten, das Ökonomen von gewinnmaximierend handelnden Marktbeherrschern erwarten würden. Eine ökonomische Betrachtung legt daher nahe, dass die Konzerne sich teilweise vom Weltmarktpreis abkoppeln und die Steuersenkung nicht vollständig weitergeben.

„Der Anschein spricht für missbräuchlich überhöhte Preise.”

Nach geltendem Recht ist es nötig, den Firmen konkrete Preisabsprachen nachzuweisen, bevor der Staat eingreifen kann, oder?

Nein. Der Nachweis von Absprachen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen wäre zwar nötig, um einen Verstoß gegen das Kartellverbot zu belegen. Neben dem Kartellverbot besteht im Kartellrecht aber auch das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen. Ein solcher Missbrauch kann insbesondere in der Forderung nach Preisen bestehen, die erheblich über denen liegen, die sich bei wirksamem Wettbewerb ergeben würden. Das gilt auch im Fall einer kollektiven Marktbeherrschung mehrerer Anbieter, von der ich auf den Kraftstoffmärkten ausgehen würde. Wenn die Konzerne bei einer auf dem sogenannten Tankrabatt beruhenden erheblichen Senkung ihrer Kosten das vorherige Preisniveau im wesentlichen beibehalten, spricht der Anschein für die Annahme missbräuchlich überhöhter Preise.

Vor Jahren wurde die sogenannte Markttransparenzstelle eingerichtet. Die Autofahrer können jederzeit nachschauen, an welcher Tankstelle es den billigsten Sprit gibt. War das ein Schuss in den Ofen?

Nein, die Verbraucher profitieren, wenn die Preise leicht vergleichbar sind. Trotzdem hält sich die Wirkung in Grenzen. Denn wir sehen das Phänomen der impliziten Koordination unter den Mineralölkonzernen. So haben die Verbraucher in bestimmten Situationen doch das Nachsehen.

„Würde eine neue Möglichkeit der Entflechtung nach internem Wachstum geschaffen, könnte das Kartellamt Konzerne verpflichten, eine bestimmte Anzahl von Tankstellen in Deutschland zu verkaufen.”

Der Wirtschaftsminister will nicht nur ungerechtfertigte Gewinne der Ölkonzerne abschöpfen, sondern sie im Extremfall auch zerschlagen. Was halten Sie davon?

Das ist keine neue Idee. Die FDP wollte das in der schwarz-gelben Koalition um 2010 herum durchsetzen. Das Vorhaben traf aber auf massiven Widerstand unter anderem des Industrieverbandes BDI und war mit der Union nicht zu machen. Die Idee bestand darin, Unternehmen auch dann aufteilen zu können, wenn sie aus internem Wachstum heraus eine marktbeherrschende Stellung erlangen. Nach geltendem Recht kommt so etwas nur in Frage, wenn Firmen sich zusammenschließen. Das ist in der Tat ein blinder Fleck des
Kartellrechts, der beseitigt werden sollte.

FDP-Finanzminister Christian Lindner sagt, Konzerne wie Eni, BP oder Shell, deren Zentralen im Ausland stehen, könne man in Deutschland gar nicht zerlegen. Stimmt das?

Würde eine neue Möglichkeit der Entflechtung nach internem Wachstum geschaffen, könnte das Kartellamt Konzerne verpflichten, eine bestimmte Anzahl von Tankstellen in Deutschland zu verkaufen. Das würde den Wettbewerb beleben.

Über Daniel Zimmer

Daniel Zimmer arbeitet als Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht
an der Universität Bonn. Zwischen 2012 und 2016 leitete er die
Monopolkommission, die die Bundesregierung berät. Er ist Mitglied der FDP.

Verwandte Beiträge