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Klimapolitik: „Besser grüne Null als schwarze“

Die Erderwärmung lässt der Politik nur noch wenig Zeit zu handeln. Experten machen Vorschläge für ein Sofortprogramm.
Wie kann das Klima noch gerettet werden? Agora Energiewende macht Vorschläge. (Foto: USGS)
Wie kann das Klima noch gerettet werden? Agora Energiewende macht Vorschläge. (Foto: USGS)

Was in der Klimapolitik nach der Bundestagswahl passieren könnte oder sollte, hat die Organisation Agora Energiewende ausbuchstabiert. Am Montag veröffentlichte sie ein Sofortprogramm für die ersten 100 Tage, das viele strittige Maßnahmen enthält, etwa den schnelleren Ausstieg aus der Verstromung von Braun- und Steinkohle schon 2030. Bisher ist das Jahr 2038 als Enddatum festgelegt.

Agora ist eine einflussreiche Beratungs- und Lobbyorganisation, gegründet unter anderem durch den früheren Staatssekretär Rainer Baake (Grüne). Sie versucht, einen Klima-Konsens zwischen Wirtschaft und Parteien herzustellen.

Alles müsse ab sofort viel schneller gehen, sagt Graichen

Im neuen Sofortprogramm geht Agora von dem Klimaschutzgesetz aus, das Union und SPD in diesem Mai im Bundestag beschlossen haben. Demzufolge soll der bundesdeutsche Kohlendioxid-Ausstoß von derzeit knapp 800 Millionen Tonnen bis 2045 auf nahe Null sinken. Verteilt auf die 24 Jahre dazwischen müssten die Emissionen jährlich um etwa 35 Millionen Tonnen abnehmen. Das sei das zwei- bis dreifache Tempo der bisherigen jährlichen Reduktion, so Agora-Chef Patrick Graichen. Seine Schlussfolgerung: Alles müsse ab sofort viel schneller gehen, wenn die Politik ihre eigenen Beschlüsse einhalten wolle.

Ein wichtiger Schlüssel liegt demnach beim Strom. Die Produktion regenerativer Elektrizität muss zügig steigen und auch attraktiver, das heißt günstiger werden. Die Bundesregierung will zwar ebenfalls in diese Richtung gehen. Agora rät nun aber, das Tempo zu erhöhen: Die sogenannte EEG-Umlage, die derzeit den Strompreis um etwa 20 Prozent erhöht, solle schnell abgeschafft werden. Für alle Privathaushalte und die meisten Unternehmen würde Elektrizität damit deutlich billiger. Nicht nur die derzeitigen Verbrauchskosten nähmen ab, sondern relativ saubere Technologien wie elektrische Wärmepumpen für die Gebäudeheizung und E-Autos würden konkurrenzfähiger.

Klimaschädliche Technologien sollen teurer werden

Andererseits geht es aber auch darum, klimaschädliche Technologien zu verteuern. Diesel-Treibstoff für Autos soll kostspieliger werden, indem die bisherige Steuervergünstigung wegfällt. Ähnliches gilt für Dienstwagen, bei denen nur noch elektrische, nicht aber fossil betriebene Exemplare die Steuersubvention erhalten sollen. Außerdem will Agora die Kraftfahrzeugsteuer am Kohlendioxidausstoß ausrichten. Emissionen würden dadurch bestraft, saubere Motoren belohnt. Und schließlich will man die Straßenverkehrsordnung ändern, damit die Kommunen flächendeckend Tempo 30 einführen können, wie es die Stadtverwaltung von Paris gerade vorgemacht hat.

Ein weiterer Hebel besteht darin, den staatlich festgelegten Preis für Kohlendioxid-Verschmutzungszertifikate anzuheben. Von den gegenwärtigen beispielsweise 25 Euro pro Tonne solle er auf 50 bis 60 Euro ab 2023 steigen. Eine Folge: Kohlekraftwerke könnten ihre Energie wahrscheinlich schon bald nicht mehr verkaufen, weil ihr Preis erheblich stiege.

Für den Staat wird die Wende teuer

Um die heimische Industrie nicht außer Landes zu treiben, müsste der Staat ihr einen Teil der Investitionskosten für die Anschaffung klimaschonender Energietechniken ersetzen. Das wird teuer für die öffentliche Hand: Agora schätzt, dass ab 2022 rund 30 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben erforderlich sind, um die Klimapolitik zu finanzieren. Angesichts knapper Mittel nach der Corona-Krise dürfte das ohne neue Schulden nicht funktionieren. „Die grüne Null ist wichtiger als die schwarze“, sagt Graichen dazu.

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