Selten ist es wegen eines öffentlichen Amtes derart hoch her gegangen. Ferda Ataman, die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, ist vor knapp sechs Wochen gewählt worden. Für Ataman stimmten nur 376 Abgeordnete, 278 votierten gegen sie, es gab 14 Enthaltungen. Der Journalistin war vorgehalten worden, sie habe – verkürzt gesagt – in der Vergangenheit vor allem gegen den Rassismus in der Gesellschaft polemisiert. Das Amt jedoch setze Offenheit für alle von Diskriminierung Betroffenen voraus.
Es soll nicht mehr um Ferda Ataman gehen, sondern um Diskriminierung
Tatsächlich ist es sinnvoll, als Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wirklich alle Benachteiligten auf dem Schirm zu haben. Das 2006 mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingerichtete Amt hat sich der Beratung von Personen aufgrund unterschiedlicher Benachteiligungen verschrieben. Wer mit offenen Augen durch dieses Land geht, weiß, dass es dafür Bedarf gibt. Um so irritierender der Umstand, dass das Amt in der letzten Wahlperiode unbesetzt geblieben ist. Das Familienministerium, dem die Antidiskriminierungsbeauftragte untersteht, war seinerzeit SPD-geführt. Die mittlerweile mitregierenden Grünen haben Ataman durchgesetzt.
Nun, da die neue ADS-Leiterin den ersten Bericht ihrer Behörde vorgestellt hat, muss konstatiert werden: Auch wenn die Datenlage aus den oben genannten Gründen noch dünn ist, hat Ataman genau die von ihr geforderte Bandbreite im Blick. Peinlich genau hat sie bei diesem Termin darauf geachtet, auf sämtliche vom AGG abgedeckten Diskriminierungsarten einzugehen. Das sind – in absteigender Reihenfolge – ethnische Herkunft, Behinderung, Geschlecht, Alter, Religion, sexuelle Identität und Weltanschauung. Die Botschaft ist klar: Ab jetzt soll es nicht mehr um die Person Ataman gehen, sondern um das Thema Diskriminierung.
Sechs Jahre Zeit, um neue Standards zu setzen
Bei einer repräsentativen ADS-Umfrage haben sechzehn Prozent der Befragten von Diskriminierungserfahrungen berichtet. Das ist jede sechste Person in diesem Land, also etwa dreizehn Millionen Menschen. Laut Ataman gibt es zudem weitere Studien, die zeigten, dass weitaus mehr Bürgerinen und Bürger diskriminiert wurden – zum Beispiel Menschen mit Behinderungen. Die meisten registrierten Beratungsfälle beträfen den Arbeitsmarkt, wo vor allem ältere Personen gnadenlos aussortiert würden. Angesichts der Demographielücke wird sich hier etwas ändern müssen.
Als Beauftragte ist Ferda Ataman für sechs Jahre gewählt. Das ist viel Zeit, um neue Standards zu setzen. Bereits bis zum Jahresende soll die Ampel die Eckpunkte für das zu überarbeitende AGG vorlegen. Dessen Geltungsbereich soll erweitert werden, Betroffene sollen mehr Zeit bekommen, Diskriminierungsfälle zu melden. Zudem soll es die Möglichkeit der Verbandsklage geben. Die Botschaft ist klar: Hier will eine zeigen, dass sie was bewegen kann.
Aufklärung als entscheidender Faktor
Wer angesichts dieser ersten Übersicht meint, Diskriminierung könne ihm selbst nicht widerfahren, irrt. Natürlich gibt es Menschen, die qua Herkunft, Geschlecht oder Besitz besser davor geschützt sind. Aber die Abwertung anderer sucht und findet ihre Wege. Und nein, es braucht nicht das eine Merkmal, wegen dem Mitmenschen ausgegrenzt oder benachteiligt werden. Wer im Supermarkt gesehen hat, wie Ältere oder Behinderte beiseite gedrängt werden, wer die unzähligen Geschichten vergeblicher Job- oder Wohnungssuche von Zugewanderten kennt, ahnt, wie mau es um das gesellschaftliche Sensorium für Ungerechtigkeiten steht.
Es ist deshalb wichtig, dass die neue Beauftragte vor allem besser aufklären will. Diskriminierte dürfen nicht länger als zu dünnhäutig abgetan werden. Was sie brauchen, ist kompetente Beratung und ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein, dass die immer wieder kehrende Benachteiligung bestimmter Gruppen schnell zu einem Problem für die Demokratie werden kann. Hilfreich wäre hier der Blick nach Ostdeutschland, wo sich viele selbst dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung als abgehängt wahrnehmen. So unberechtigt das in großen Teilen sein mag – aus dem Gefühl der Zweitklassigkeit schlägt eine rechtspopulistische Partei wie die AfD dort politisches Kapital. Derlei zu erkennen und politisch vorzusorgen, ist wichtig für die Zukunft des ganzen Landes.
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