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Cum Ex: „Offenbar hat Olaf Scholz den Bundestag belogen“

Kritiker Gerhard Schick fordert den Rücktritt des Hamburger Bürgermeisters. Ein Gespräch über den Cum-Ex-Skandal und Olaf Scholz’ Rolle.
Gerhard Schick (Bürgerbewegung Finanzwende) fordert personelle Konsequenzen aus dem Cum-Ex-Skandal. (Foto: Finanzwende e.V.)
Gerhard Schick (Bürgerbewegung Finanzwende) fordert personelle Konsequenzen aus dem Cum-Ex-Skandal. (Foto: Finanzwende e.V.)

Der Bundeskanzler muss sich im Hamburger Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal äußern. Kritiker Gerhard Schick sieht Verhalten nahe zur „Herrschaft von Oligarchen“. Er fordert den Rücktritt von Hamburgs SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher.

Herr Schick, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss an diesem Freitag im Hamburger Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Steuerskandal Rede und Antwort stehen. Wird er an dieser Affäre scheitern?

Das können wir heute noch nicht sagen. Aber die Fragen, um die es geht, bergen Sprengsätze. Es geht um die politische Einflussnahme von Bankern und den Verdacht ihrer Begünstigung durch Politiker. Weitere Fragen könnten sogar noch gefährlicher werden für Scholz… .

Wie begründen Sie diesen Vorwurf?

Im geheim tagenden Finanzausschuss des Bundestages erklärte Scholz im Juli 2020, es habe nur ein Treffen zwischen ihm und dem Hamburger Banker Christian Olearius im Zusammenhang mit Cum Ex gegeben. Das wissen wir jetzt durch eine neue Veröffentlichung des Magazins Stern, beruhend auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln. Inzwischen ist aber herausgekommen, dass 2016 und 2017 doch weitere Gespräche stattfanden. Die Schlussfolgerung lautet: Scholz sagte im Ausschuss offenbar die Unwahrheit. Außerdem erscheint mir nicht plausibel, dass er sich an den Inhalt der weiteren Gespräche angeblich nicht mehr erinnern kann.

Bei Cum Ex ging es darum, dass Investoren und Banken Milliarden Euro ergaunerten, weil sie sich einmal gezahlte Steuer mehrmals vom Finanzamt zurückerstatten ließen. Die Hamburger Warburg-Bank von Christina Olearius war mit von der Partie. Der übergeordnete Verdacht lautet, Scholz habe in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister daran mitgewirkt, dass die Bank 47 Millionen Euro Steuerrückforderung aus dem Skandal erstmal behalten konnte, die sie eigentlich an das Finanzamt hätte zurückzahlen müssen. Das kann man aber nicht beweisen, oder?

Dass Scholz die Entscheidung zugunsten der Warburg-Bank beeinflusst hat, lässt sich bisher nicht belegen. Aber die Bürger und Bürgerinnen müssen sich schon die Frage stellen, warum er überhaupt mehrmals mit dem Tatverdächtigen Olearius über Cum Ex gesprochen hat.

„Peter Tschentscher ist er auch politisch verantwortlich dafür, dass man die Steuerrückforderung zunächst verjähren lassen wollte. Er muss die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.”

Dass möglicherweise E-Mails in Scholz´ Büro gelöscht wurden und sich darin Hinweise auf fragwürdiges Verhalten finden, ist ebenfalls nur ein Verdacht.

Es ist eine Vermutung, die sich in den mittlerweile veröffentlichen Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Köln findet. Ich rechne mit weiteren Ermittlungen und Recherchen.

Was erwarten Sie von Scholz am Freitag?

Er muss beispielsweise den Verdacht aus der Welt räumen, dass Mails gelöscht wurden.

Dazu hat Scholz schon gesagt, sein Vertrauter Wolfgang Schmidt und seine Büroleiterin seien für die Bearbeitung des Mailverkehrs zuständig, nicht er selbst.

Dies scheint mir im Widerspruch zu einer Mail seiner Büroleiterin zu stehen, die so klingt, als ob sie den Umgang mit bestimmten Nachrichten mit Scholz abstimmen wollte.

Sie fordern den Rücktritt des amtierenden Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher. Warum?

Als Hamburger Finanzsenator hat Tschentscher Informationen über die Cum-Ex-Steuerschuld der Warburg-Bank von der Finanzverwaltung angefordert. Damit durchbrach er die Brandmauer zwischen Politik und Verwaltung. So etwas kommt fast nie vor. Normalerweise soll ja die Verwaltung ohne politischen Einfluss entscheiden. Tschentscher sandte jedoch das gegenteilige Signal an die Verwaltung. Damit ist er auch politisch verantwortlich dafür, dass man die Steuerrückforderung zunächst verjähren lassen wollte. Tschentscher muss die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.

„Auch heute gibt es noch Cum-Ex-ähnliche Geschäfte – ein Unding. Die Bundesregierung handelt jedoch nicht.”

Auch Scholz kritisieren sie hart. Es geht hier um den Bundeskanzler, der augenblicklich ein paar uns alle betreffende, dringende Probleme zu bearbeiten hat – Putins Angriff auf die Ukraine, Gaskrise, Klimawandel. Sind da einige Dutzend Millionen Steuergelder aus der Vergangenheit nicht sekundär?

Es geht darum, ob in Hamburg rote Linien überschritten wurden, die im Rechtsstaat nicht überschritten werden dürfen. Auch reiche Menschen dürfen mit ihren kriminellen Machenschaften nicht durchkommen. Wenn es doch so ist, bezeichnen wir das in anderen Ländern als Herrschaft von Oligarchen.

Wenn Sie Scholz zur Strecke bringen, scheitert möglicherweise die Bundesregierung in Berlin. Lohnt sich das?

Wir wollen niemanden zur Strecke bringen, sondern Verantwortlichkeiten und Konsequenzen durchsetzen. Olaf Scholz könnte sich ja auch mal proaktiv darum kümmern, dass solche Skandale künftig weniger wahrscheinlich werden. Er könnte von seinem Parteifreund Johannes Kahrs Aufklärung darüber verlangen, woher die 200.000 Euro in bar in dessen Bankschließfach stammen. Die Hamburger SPD könnte die Spenden an Warburg zurücküberweisen, die möglicherweise im Zusammenhang mit Cum Ex stehen. Und auch heute gibt es noch Cum-Ex-ähnliche Geschäfte – ein Unding. Die Bundesregierung handelt jedoch nicht.

Über Gerhard Schick

Gerhard Schick leitet die Organisation „Bürgerbewegung Finanzwende“, die sich für die Einschränkung der Macht des großen Geldes einsetzt. Bis 2017 war Schick Finanzexperte der Grünen im Bundestag und trieb die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals maßgeblich voran. Mittlerweile werden rund 1.400 Personen juristisch beschuldigt, die illegalen Geschäfte betrieben zu haben. Der Schaden für das Gemeinwesen soll etwa zehn Milliarden Euro betragen.

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