Die letzte große Reform auf dem Arbeitsmarkt liegt 20 Jahre zurück. Heraus kam damals unter anderem das umstrittene Arbeitslosengeld II, besser als Hartz IV bekannt. Die Neuregelung sollte Langzeitarbeitslose fördern und fordern, konnte dieses Versprechen aber bei weitem nicht einlösen. Die Ampelkoalition will es durch ein „Bürgergeld” ersetzen und damit auch den politisch hoch belasteten Begriff Hartz IV tilgen. Die rund fünf Millionen Empfänger können auf eine Reihe von Verbesserungen hoffen. Das Arbeitsministerium hat nun einen Gesetzentwurf erarbeitet, der nun zwischen den beteiligten Ministerien abgestimmt wird. Das ist geplant:
Bürgergeld 2023: Höhere Regelsätze
Ab dem 1. Januar 2023 werden die Regelsätze für die Grundsicherung erhöht. Der Umfang steht noch nicht fest. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schwebt eine Erhöhung des Regelbedarfs von derzeit 449 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen um etwa 50 Euro vor. Außerdem will er eine neue Formel für die Berechnung der Anpassungen des Regelbedarfs einführen. „Die bisherige Systematik hinkt hinter der Inflationsentwicklung hinterher”, begründet er die Änderung. Maßgeblich für die Anpassung ist eine Misch aus der Inflationsentwicklung und der der Nettogehälter der unteren 20 Prozent der Arbeitnehmer. Künftig sollen die unteren 30 Prozent der Nettogehälter einbezogen werden, was erhöhend aus den Regelbedarf wirkt. Das ist innerhalb der Koalition allerdings noch umstritten.
Besserer Schutz von Wohnung und Vermögen
„Wir werden eine Karenzzeit für Wohnungen einführen”, kündigt Heil an. Die Ämter übernehmen die Wohnkosten von Langzeitarbeitslosen dann auf jeden Fall erst einmal zwei Jahre, bevor sie prüfen, ob die Größe der Wohnung angemessen ist. Damit will der Minister den Betroffenen die Angst nehmen, in Zeiten von knappem Wohnraum schnell auf der Straße zu sitzen. So können sie sich erst einmal um einen neuen Job bemühen. Das ist eine Regelung, die im Verlauf der Pandemie eingeführt wurde und sich bewährt hat. Gleiches gilt für das Vermögen. Leistungen werden gewährt, wenn es 60.000 Euro nicht übersteigt. Entfallen sollen die von Betroffenen oft als schikanös empfundene Angemessenheitsprüfungen einen Autos.
Auf Augenhöhe mit dem Jobcenter
Auch wenn SPD-Politiker die Formel vom fordern und fördern nicht mehr in den Mund nehmen, orientiert sich das Bürgergeld daran. Dabei wird das Fördern deutlich gestärkt. Bei der Vermittlung im Jobcenter soll „Vertrauen auf Augenhöhe” erreicht werden, wie Heil sagt. Zunächst wird zwischen dem Betroffenen und dem Jobcenter ein „Kooperationsplan” entwickelt. Dem folgt eine sechsmonatige Frist, in der sich gegenseitig Vertrauen entwickeln soll. In dieser Zeit spricht das Amt keine Sanktionen aus, wenn der Plan nicht so aufgeht wie gedacht. Nur wenn die Betroffenen mehrere Termine nicht wahrnehmen, droht eine Leistungskürzung.
Junge Leute dürfen mehr zuverdienen
Azubis, Schüler oder Studenten dürfen im kommenden Jahren mehr dazuverdienen, ohne dass der Lohn auf den Regelsatz angerechnet wird. Die Freibeträge für sie werden auf 520 Euro im Monat erhöht. „Junge Menschen sollen erfahren, dass sich Arbeit lohnt”, erläutert Heil.
Bürgergeld 2023: Weniger Sanktionen
Hier setzt die Bundesregierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. Bisher werden unter 25-jährige mit stärkeren Sanktionen belegt als ältere Bezieher von Hartz IV. Ab 2023 werden alle gleichgestellt. Zudem führt der Bund eine Bagatellgrenze für Rückforderungen der Jobcenter ein. Beträge von weniger als 50 Euro verlangen die Ämter nicht mehr zurück.
Bessere Qualifizierung
Eine Ausbildung rangiert künftig vor der Vermittlung eines Aushilfsjobs. Auch bekommen die Betroffenen mehr Zeit für einen Berufsabschluss und ein Weiterbildungsgeld von 150 Euro eingeführt.
Dauerhafter Sozialer Arbeitsmarkt
Es gibt viele Langzeitarbeitslose, die auf dem regulären Arbeitsmarkt aus vielerlei Gründen keine Chance haben. Für diese Gruppe gibt es einen öffentlich finanzierten sozialen Arbeitsmarkt. Das bisher befristete Angebot soll dauerhaft gelten.
So geht es weiter
Im September sollen Daten vom Statistischen Bundesamt eine genaue Berechnung des neuen Regelsatzes ermöglichen. Bis dahin will sich Heil auch mit den Koalitionären über die Reform verständigen und das Gesetz vom Kabinett beschliessen lassen. Danach müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen, damit es wie geplant Anfang nächsten Jahres in Kraft treten kann.
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