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Verkehrsminister muss ein Prestigeamt werden

Um viele Ämter reißen sich Politiker und Politikerinnen. Das Verkehrsministerium gehörte bislang nicht dazu. Das muss sich ändern. Dringend.
Schiene oder Straße? Luftaufnahme des Frankfurter Hauptbahnhofs. (Foto: Jan-Philipp Thiele)
Schiene oder Straße? Luftaufnahme des Frankfurter Hauptbahnhofs. (Foto: Jan-Philipp Thiele)

Verkehrsminister, ein Prestigeamt? Nein, das war es in den vergangenen Jahren wahrlich nicht. Wenn es darum ging, die Posten in der Bundesregierung zu verteilen, stritten sich die Parteien und ihre mächtigsten Politikerinnen und Politiker um das Außenministerium, das Justizministerium, das Innenministerium, das Finanzministerium und das Arbeitsministerium. Was dann noch übrig blieb, wurde an die zweite Garde verteilt.

Eine weitere Fehlbesetzung des Ministeriums ist nicht drin

Das Verkehrsministerium ging auf diese Weise in den 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel (CDU) einmal an die SPD und vier Mal an die CSU. Die besetzte den Chefposten zunächst mit Peter Ramsauer, dann mit Alexander Dobrindt, schließlich interimistisch mit Christian Schmidt, und zuletzt mit Andreas Scheuer.

Eine überzeugende Vorstellung hat keiner der Minister gegeben. Und das ist noch die freundlichste aller Formulierungen. Deutschland kann sich das nicht mehr leisten. Es muss ein echter Hochkaräter (m/w) auf den Posten.

“Den Verkehr zu regeln, mag nicht so attraktiv sein wie als Außenminister um die Welt zu reisen, aber es ist entscheidend dafür, dass Deutschland die Klimawende schafft.”

Die Energiewende lässt sich nicht vollziehen ohne einen klimafreundlichen Verkehr. Der binnenländische Verkehr ist die größte Quelle von Treibhausgasen in Deutschland. Und die  Bekämpfung dieser Quelle ist sträflich vernachlässigt worden. Während der gesamte Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland zwischen 1990 und 2016 von 1,251 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten auf 906 Millionen Tonnen gesunken ist, nahmen die Emissionen des Verkehrs sogar zu. Sie lagen 2016 mit 166 Millionen Tonnen über dem Level von 1990. Daran hat sich mit Ausnahme des Corona-Einbruchs kaum etwas geändert.

Schienen wurden abgebaut, Straßen ausgebaut

Während mehr als 100 Städte vom Fernverkehr abgehängt wurden, während das Schienennetz um ein Fünftel verkleinert wurde, während Gleisanschlüsse für Industriebetriebe auf ein Fünftel zusammengekürzt wurden, entstanden zwischen 1994 und 2018 etwa 260.000 Kilometer zusätzliche Straßen.

So wurde emissionsintensiven Transportmitteln wie Pkw und Lkw der Weg freigemacht. Ein komplettes Versagen in der Klimapolitik. Nun wird die Wende umso schwieriger. Denn in der Infrastruktur sind Fakten geschaffen worden, die sich so schnell nicht ändern lassen.

Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, dass der Verkehr klimaneutral werden muss. Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Ziele für 2030 erreichen will, muss sie im Verkehr zusätzlich zu den bisherigen Planungen 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduzieren. Das heißt, ein Viertel weniger Emissionen innerhalb von acht Jahren.

Die Mobilität der Menschen ist nicht nur ein Freiheitsbedürfnis, sie ist auch ein Pfeiler für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes. Die nächste Bundesregierung kann also nicht einfach den Rotstift ansetzen. Es muss vielmehr gelingen, bei absehbar sogar noch höheren Personen- und Güterkilometern die Emissionen massiv zu senken.

Die Grünen haben das Programm und die Person

Das ist eine Herkulesaufgabe. Es gilt, sehr viele verschiedene Bedürfnisse zu vereinen. Sehr viele gesellschaftliche Gruppen und widerstreitende Kräfte einzubinden, aber auch zu bändigen. Dafür braucht es als Minister/in nicht nur jemand sehr entschlossenes, sondern ein echtes politisches Schwergewicht, das weitherum Respekt genießt. Politik ist dann eben doch mehr als niedergeschriebene Inhalte, sie muss auch gemacht werden. Und sie wird letztlich von Menschen gemacht.

Die Grünen haben in ihrem Wahlprogramm ein wohlüberlegtes und entschlossenes Konzept zum Verkehr der Zukunft niedergeschrieben (und dabei die Bedeutung des Autos für bestimmte Bevölkerungsgruppen übrigens anerkannt). Es ist ausgereift wie das keiner anderen Partei, wie ein Überblick zeigt. Und sie haben einen Mann in ihren Reihen, der das politische Gewicht und das Wissen mitbringt, das jetzt nötig ist: Cem Özdemir, Ex-Parteichef, und überragender Wahlsieger in der Daimler-Hochburg Stuttgart. Er erhielt 40 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis.

Özdemir war in den vergangenen Jahren Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag. Nun wird er zwar als künftiger Außenminister gehandelt, aber das ist genau der Fehler, der nicht geschehen darf. Den Verkehr zu regeln, mag nicht so attraktiv sein wie als Außenminister um die Welt zu reisen, aber es ist entscheidend dafür, dass Deutschland die Klimawende schafft.

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