Es tut mir in der Seele weh, wenn ich lese, wie viele Firmen jährlich bankrott gehen. Im letzten Jahr gab es fast 25 Prozent mehr Insolvenzen als in 2023. Insgesamt 22.400 Pleiten beziffert eine Studie von Creditreform. In 2025 werden sogar noch mehr erwartet. Natürlich sind Insolvenzen in Maßen Teil der freien Wirtschaft. Jede:r Unternehmer:in läuft Gefahr, dass sich der Markt verändert, die Produkte nicht mehr gefragt sind und vieles mehr. Auch Krisen lassen sich nicht immer umgehen. Aber, ich lehne mich etwas aus dem Fenster, ich bin sicher, dass sich mindestens 50 Prozent aller Firmenpleiten vermeiden ließen, wenn Unternehmer:innen ihre Finanzen von Anfang an oder zumindest bereits in guten Zeiten im Griff hätten.
Zur Person
Jörg Roos unterstützt als “Personal CFO” ambitionierte Unternehmerinnen und Unternehmer. Zahlen und deren clevere Anwendung sind seine Leidenschaft. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaft hat er rund 25 Jahre Fachwissen und Finanzerfahrung aufgebaut – in Familienunternehmen ebenso wie in Weltkonzernen. 2024 erschien mit „Finanzen Einfach Machen. Wie du dein Unternehmen stabil aufstellst und Freundschaft mit deinen Zahlen schließt“ (Montagshappen Verlag) eine neue und stark überarbeitete Auflage seines ausverkauften Standardwerks „Finanzielle Stabilität für dein Unternehmen.”
Link zum Autor: https://joerg-roos.com/
Stattdessen wird oft mit dem eingenommenen Geld um sich geworfen. Angefangen bei zu hohen Privatentnahmen. Die zählen in meinem Arbeitsalltag zu den häufigsten Gründen, warum kleinere Unternehmen scheitern oder auch jüngere. Entweder läuft es in den ersten Jahren nach der Gründung oft noch nicht so, wie erhofft, die Privatausgaben bleiben aber gleich oder steigen. Oder es läuft so gut, dass man sich keine Gedanken darüber macht, dass auch mal schlechtere Zeiten kommen könnten. Aber auch Unternehmen, die bereits 10 Jahre und länger am Markt sind, können in eine finanzielle Schieflage geraten. Die Creditreform zählt einen Anteil von inzwischen rund 42 Prozent.
Wieso Pleite – es läuft doch?
Viele Auftragsbücher sind zwar gefüllt. Doch trotz guter Umsätze ist das Konto am Monatsende leer. Das liegt an mangelnder Planung und zu wenig Rücklagen. Wenn es so richtig gut läuft, wächst das Unternehmen und die Kosten steigen. Mehr Mitarbeitende schaffen teure Lohnnebenkosten. Aber auch Steuern und Vorauszahlungen, die nicht selten zum ungünstigen Zeitpunkt aufgerufen werden, machen vielen das Leben schwer, ebenso Verpflichtungen wie Versicherungen, Mitgliedsbeiträge zu Kammern und Ähnliches. Die können schnell ein Loch in die Kasse reißen, wenn sie in der Finanzplanung nicht auftauchen. Viele wissen darum und planen ihre Finanzen trotzdem mit zu wenig Vorausschau.
Wenn ich etwas gelernt habe: Unternehmer:innen sind selten um Ausreden verlegen, warum sie sich nicht mit tiefgehend mit ihren Zahlen beschäftigen.
Finanzen sind einfach nicht mein Ding!
Es tut mir leid. Aber Finanzen sind Chef:innensache. Ob Sie wollen oder nicht: Zu jeder Unternehmensgründung und -führung gehört viel mehr als gute Ideen und Ambitionen. Einer der wichtigsten, wenn nicht der essenzielle Punkt: Finanzwissen. Klingt unsexy. Ja, manchmal ist es das. Aber viel schlimmer sind die Konsequenzen, wenn sich nicht ums Geld gekümmert wird.
Ich führe mein Unternehmen nach Bauchgefühl!
Das finde ich super! Das Bauchgefühl der Chef:innen macht jedes Unternehmer einzigartig. Das dürfen sie auf keinen Fall über den Haufen werfen. Aber es reicht nicht. Um auch in Krisenzeiten durchzuhalten und im besten Fall sogar zu wachsen, braucht es Planung und Unternehmer:innen müssen Freundschaft mit ihren Zahlen schließen. Sonst reißen sie mit dem Hintern das wieder ein, was sie mit Ihren Händen mühsam aufgebaut haben.
Dafür habe ich doch einen Steuerberater!
Ja, Unternehmer:innen brauchen ihren Steuerberater. Unbedingt. Aber er ist nicht ihr CFO oder ihr Finanzplaner. Von ihm bekommen sie im besten Fall alle Kennzahlen, die sie brauchen, um finanziell vernünftig planen zu können. Er kann ihnen aber die Chef:innenarbeit nicht abnehmen. Seit Corona wissen die meisten, dass die vom Staat als „prüfende Dritte“ Eingesetzten, Schwierigkeiten damit hatten und teils immer noch haben, fristgerecht Jahresabschlüsse zu erstellen und regelmäßig Kennzahlen zu liefern. Trotzdem sollte alles reibungslos laufen. Aber Steuerberater:innen sind auch nur Menschen.
Natürlich gibt es auch schwarze Schafe. In meiner Arbeitspraxis erlebe ich immer wieder, dass die Fachkräfte noch nicht einmal Dienst nach Vorschrift machen und dringend benötigte Kennzahlen wie monatliche BWAs nicht oder nur ungenügend liefern. Jetzt könnte man mit dem Finger auf die bösen Steuerberater zeigen. Das hilft aber wenig. Denn, Spoiler: Geschäftsführer:innen sind für Ihre Unternehmensfinanzen zuständig, verantwortlich und müssen die Misere am Ende ausbaden. Und ihre Mitarbeitenden auch. Die verlieren ihre Arbeitsplätze, wenn es hart auf hart kommt.
Der Staat springt ein, wenn’s eng wird
Während Corona hat sich gezeigt, dass der Staat bei einer globalen Krise auch mal zur Seite steht. Kurzfristig. Wenn die Berliner Regierung die Gelddruckmaschine anwirft, mag das in dem Moment helfen. Der politische Streit um Schuldenbremse und Co. zeigt aber, die Konsequenzen wiegen schwer. Inflation und damit auch steigende Kosten für Unternehmer:innen sagen hallo. Im gleichen Atemzug haben viele Kund:innen auch weniger Geld im Portemonnaie. Die Krise ist mit Geldspritzen nicht einfach bewältigt. Ohne geplante Rücklagen wird’s schwierig. Ich empfehle so viel Geld zurückzulegen, dass jedes Unternehmen sechs Monate easy überbrücken kann. Die meisten halten mit ihren Reserven noch nicht einmal sechs Wochen durch. Traurig, aber wahr. Und es sind vor allem kleine und mittelständische Firmen, die Engpässe nicht überbrücken können.
Der Staat vernachlässigt den Mittelstand
Besonders die überzogene Bürokratie und die Ignoranz der deutschen Politiker für die Themen des Mittelstands, aber auch von Einzelunternehmer:innen wird immer mehr zum Problem. Deshalb schlagen sich viele Geschäftsführer:innen zu viel mit immer wieder neuen Regulierungen und Gesetzen sowie steigenden Lohnnebenkosten herum. Milliarden werden in Konzerne gebuttert, während KMUs das Nachsehen haben.
Diese Entwicklung ist bedauerlich. Leider aber keine Ausrede, um Kalkulationen rund um die Firmenfinanzen zu vernachlässigen. Am Ende hilft das Beschweren über den Staat nämlich nichts, wenn Unternehmer:innen nicht wissen, dass ihr Geschäft schon mit einem Bein im Grab steht. Es darf nicht sein, dass sie aus allen Wolken fallen, wenn ich ihnen vorrechne, dass es kaum noch eine Möglichkeit gibt, an der Pleite vorbei zu schrammen. Höchste Zeit also, Freundschaft mit den eigenen Zahlen zu schließen und die finanzielle Stabilität des Unternehmens – egal wie groß oder klein es auch sein mag, in den Griff zu bekommen. Nur wer ehrlich hinschaut, analysiert und konsequent handelt, auch wenn’s wehtut, hält auch dann durch, wenn’s mal schwer wird. Am besten noch heute anfangen, damit zukünftig weniger Unternehmen Teil der Insolvenzstatistik werden.