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New Space: Mit der Rocket Factory Augsburg ins All

In der Rocket Factory Augsburg werden sogenannte Smalllauncher entwickelt, um Satelliten in die Umlaufbahn der Erde zu schießen. Ein Besuch vor Ort.
So soll sie aussehen, die RFA One des Augsburger Raketenbauers RFA. (Foto: RFA)
So soll sie aussehen, die RFA One des Augsburger Raketenbauers RFA. (Foto: RFA)

„RFA? Die Raketenjungs?” Der Pförtner lächelt. „Linksrum, den Gleisen nach. Dann einfach durchs offene Tor und fragen.” Es ist sehr still auf dem ehemaligen Osram-Gelände in Augsburg. 1985 startete von hier aus der Siegeszug der Energiesparlampe. Die Produktion ist abgewickelt. Jetzt arbeitet hier die Rocket Factory Augsburg (RFA) an der Zukunft der kommerziellen deutschen Raumfahrt.

Das Kürzel steht für Rocket Factory Augsburg, eines der zahlreichen Unternehmen, die sich gutes Geschäft im New Space versprechen. Sie tüfteln an Satelliten für Kommunikation oder Erdbeobachtung, denken über erdumspannende Satellitennetze, sogenannte Konstellationen, nach, planen kommerzielle Raumstationen, gar Internet auf dem Mond.

Rocket Factory Augsburg: Serielle Raketen werden immer gefragter

Die Beratungsfirma Euroconsult schätzt den New-Space-Markt bis 2030 auf 54 Milliarden Euro weltweit. Fast 1400 Satelliten sollen demnach jährlich ins All, vor allem in den sogenannten Low Earth Orbit bis zu 1400 Kilometer über der Erde. Und die Satelliten brauchen kleine, günstige, in Serie gebaute Raketen, wie sie RFA entwickelt. In Deutschland gibt es mit HyImpuls und Isar Aerospace zwei Konkurrenten, weltweit rund 20. Und RFA ist derzeit wohl ganz vorn dabei.

Jörn Spurmann sitzt im Konferenz- und Videoraum, nur getrennt durch eine Glasscheibe vom Großraumbüro mit Tischreihen voller Kollegen, Bildschirmen und Rechnern. Es sieht so gar nicht nach smarter Raumfahrt und unendlichen Weiten aus. Eher sehr bodenständig. Gemeinsam mit Stefan Bieschenk hat Spurmann RFA 2018 gegründet. Seither arbeiten sie und inzwischen mehr als 180 Beschäftigte an der RFA One, 30 Meter hoch, zwei Meter Durchmesser, bis zu 1,3 Tonnen Nutzlast. Ein sogenannter Small-Launcher, klein im Vergleich zur Falcon-9 der US-Firma SpaceX mit ihren 70 Metern Höhe und 3,7 Metern Durchmesser.

Entwicklung der RFA One kostet rund 100 Millionen Euro

Die RFA One wird aus bis zu drei Teilen bestehen: die erste Stufe mit neun Triebwerken und dem Haupttank, die die Rakete aus der Atmosphäre befördert, die zweite Stufe mit einem Triebwerk und ganz oben die sogenannte Orbitalstufe für die Satelliten. Die Entwicklung einschließlich der ersten beiden Starts kostet um die 100 Millionen Euro, wie Spurmann sagt. Wenn alles gut läuft, verkaufen sie danach weitere Starts und finanzieren damit die Serienproduktion.

Bis dahin ist ein solider Investor wichtig. Hinter RFA steht der Bremer Satellitenspezialist OHB, der auch die Mehrheit am Unternehmen hält. Geld gab auch der Finanzinvestor Apollo. Und der neue Chef Stefan Tweraser soll weitere Investoren begeistern. Aber wo entsteht nun die Rakete?

Rocket Factory Augsburg: Ambitionierte Preisziele, wiederverwendbare Raketenstufen

Aus dem Großraumbüro geht es ins Erdgeschoss. An einer Wand hängt noch der Schriftzug „Ledvance” zwischen zahlreichen Rohren mit Farbkodierungen, die an die ehemalige Lampenproduktion erinnern. Zeit für einen Umbau hat RFA eher nicht. „Immer mehr Firmen wollen Demonstrationssatelliten in den Weltraum bringen”, sagt Spurmann. „Sie wollen Konstellationen aufbauen und müssen später Satelliten ersetzen. Der Markt entsteht gerade. Und je früher wir die Rakete in den Markt bringen, desto besser.” Wichtig dabei: „attraktive Preise und Profitabilität.”

Weil das hier kommerzieller Raketenbau ist und der RFA-Basis-Startpreis von drei Millionen Euro in der Branche als ambitioniert gilt, ist die Rakete nicht nur auf Leistung optimiert, sondern vor allem auch auf Kosten. So hat sich das Unternehmen entschlossen, die erste Stufe der Rakete – der Tank für Kerosin und Sauerstoff mit neun Triebwerken – aus Edelstahl fertigen zu lassen und nicht aus dem leichteren, aber deutlich teureren Carbon. Edelstahl ist einfacher zu verarbeiten und vor allem wiederverwertbar. Denn RFA will die untere der drei Raketenstufen mehrfach einsetzen – ebenfalls, um Kosten zu sparen.

Viele Bauteile stammen von Ausgburger Autozulieferern

Viel stammt von Autozulieferern rund um Augsburg, die hohe Stückzahlen günstig liefern können. Die Teile sind nicht immer tauglich fürs All, werden aber bei RFA angepasst. Manchmal überraschen die Lieferanten auch. Zum Beispiel lassen sich die Triebwerke über ein Kardangelenk, auch Gimbal genannt, ausrichten. Ein solches Teil kostet im europäischen Space-Bedarf schon mal mehr als 10.000 Euro. RFA suchte nach anderen Bezugsquellen und wurde im Zubehörhandel für den Motorsport fündig. Gimbal-Preis: rund 200 Euro.

Auch den rund 15 Meter langen Tank lassen die Raketenbauer fremd fertigen. Der Hersteller beliefert normalerweise die Getränkeindustrie. Und so liegt hier in der Halle ein industriell gefertigter Edelstahltank mit einigen Markierungen und Einbauten. Einzelheiten? Betriebsgeheimnis.

Ein paar Schritte weiter entsteht in einem Extraraum das vielleicht wichtigste Teil der RFA-Rakete: das Triebwerk. Durch Scheiben ist ein großer Schrank zu sehen – der Laserdrucker, der die Kernteile des Triebwerks druckt. Mit ihm sind deutlich kompliziertere Konstruktionen etwa mit feineren Kanälen für den Sprit möglich, als wenn die Teile gegossen werden müssten. Und weil das Triebwerk als Datei im Computer existiert, lässt sich schnell etwas ändern, und neu drucken.

Rocket Factory Augsburg: Triebwerkstests sind für den Sommer geplant

Wer jetzt denkt, zu Hause in der Garage auch Triebwerke drucken zu können: So einfach ist es nicht. Spurmann kann es sich nicht verkneifen: „Von der Technologie her ist das Triebwerk immer noch Rocket Science. Es ist zwar etwas einfacher geworden, aber weiter sehr schwierig.” RFA nutzt eine Kupferlegierung, die der Drucker als Pulver verarbeitet. Und es dauerte lange, bis das Gerät so eingestellt war, dass das gedruckte Teil den Anforderungen des Alls gewachsen war.

Das Triebwerk hat es auch sonst in sich. RFA setzt auf gestufte Verbrennung, die es sieben Prozent effizienter macht. Die Rakete insgesamt kann dann bis zu 30 Prozent mehr Ladung transportieren. Im Geschäft mit dem All ein enormer Wert. Allerdings ist die Technologie deutlich komplizierter. Weltweit nutzen sie derzeit nur Space X und Blue Origin. „Wir haben großes Glück gehabt, dass bei uns bisher alles so reibungslos geklappt hat”, sagt Spurmann.

Oben im Großraumbüro steht eine pyramidenförmige Stahlhalterung, Leitungen ragen in alle Richtungen aus einem kupferfarbenen Block, etwa in der Größe eines Schuhkartons: Das Triebwerk, dass den ersten Intensivtest im schwedischen Kiruna bestanden hat. Weitere Dauertests sind für den Sommer im nordschwedischen Kiruna vorgesehen, wo es entsprechende Anlagen gibt, dazu viel Weite und wenig Menschen.

Der erste Start ist 2023 geplant

Für das kommende Jahr ist geplant, neun Triebwerke zusammenzuschalten. Und dann ist alles bereit für den ersten Start, ebenfalls im nächsten Jahr. Ursprünglich angepeilt war 2022, doch der Termin wird kaum zu halten sein. Raumfahrtfirmen schreckt das nicht. „Wir haben zehn Kunden mit einem Ordervolumen von 30 Millionen Euro”, sagt Spurmann. „Das sind Einzelmissionen und eine Kleinstkonstellation mit fünf Satelliten.”

Auch wenn Spurmann und sein Team erst einmal eine Rakete mit neun Triebwerken bauen, sie denken schon größer. Da wären zum Beispiel die europäischen Galileo-Satelliten. Um sie in die nötige Umlaufbahn zu bringen, ist die RFA One zu klein. „Da müssten wir eine neue Unterstufe bauen, größer im Durchmesser mit mehr Triebwerken. „Das wäre für uns schon wahnsinnig spannend.”

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