Im Notfall soll es die Kohle richten. Dafür legt die Bundestag an diesem Donnerstag die Grundlage. Per Gesetz erlaubt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Einsatz von Reserve-Kohlekraftwerken, falls der Strom mangels Brennstoff nicht mehr aus Gaskraftwerken geliefert werden kann. „Das ist schmerzlich”, gibt Habeck zu, „aber für eine Übergangszeit müssen wir es tun, um Gas einzusparen und über den Winter zu kommen.” Die Entscheidung für die Kohlekraft-Verlängerung und gegen einen Weiterbetrieb der Atommeiler hat auch einen guten technischen Grund. Kohlekraftwerke lassen sich vergleichsweise einfach an- und abschalten. Das ist bei Kernkraftwerken nicht der Fall.
Kohlekraft-Verlängerung: Die schmutzigste Art der Stromerzeugung
Rund 50 Großkraftwerke, von denen elf Braunkohle und die anderen Steinkohle verfeuern, weist die Deutschlandkarte aus. Die meisten gibt es in Nordrhein-Westfalen. Ein Teil davon ist schon abgeschaltet oder in der Reserve. Letzteres bedeutet, dass die Anlage als systemrelevant eingestuft wurde und deshalb so erhalten werden muss, dass die den Betrieb wieder aufnehmen kann. Stillgelegte Braunkohlekraftwerke sollen ebenfalls in die Versorgungsreserve überführt werden. Braunkohle ist unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes die schmutzigste Art der Stromerzeugung.
Eigentlich will sich Deutschland bis 2038 komplett aus der Kohleverstromung verabschieden. Das ist die geltende Gesetzeslage. Die Ampelkoalition will den Ausstieg sogar noch schneller vollziehen und 2030 das letzte Kraftwerk abschalten. Dann sollen erneuerbare Energien den Strom erzeugen. Noch ist die Kohle aber unverzichtbar. Im deutschen Strommix stellt die Braunkohle derzeit mit 28,7 Prozent einen großen Anteil, die Steinkohle leistet mit 18,9 Prozent auch noch einen beträchtlichen Beitrag zur Versorgung.
Kohleausstieg soll plangemäß 2030 kommen
Das Wirtschaftsministerium glaubt, dass dieser Plan nach wie vor gelingt. Es sei wichtiger als je zuvor, dass der Ausstieg bis 2030 über die Bühne gehe, betonte jüngst ein Sprecher Habecks. So steht es auch im Gesetz, mit dem die Kraftwerke reaktiviert werden. Diese Regelung ist folgerichtig auch zeitlich begrenzt bis zum 31. März 2024. Für die Kohlereviere ist dies ein herber Verlust. Mit bis zu 40 Milliarden Euro will die Bundesregierung den Strukturwandel erleichtern, etwa durch den Ausbau der Infrastruktur oder auch die Ansiedlung von öffentlichen Einrichtungen in den betroffenen Gebieten.
Das Bundeswirtschaftsministerium will trotz des geplanten Einsatzes von mehr Kohlekraftwerken zur Senkung des Gasverbrauchs am Kohleausstieg bis 2030 festhalten. „Der Kohleausstieg 2030 wackelt überhaupt nicht. Es ist wichtiger denn je, dass er 2030 über die Bühne geht”, erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Montag in Berlin auf die entsprechende Frage eines Journalisten.
Kohlekraft-Verlängerung: Es mangelt nicht an Braunkohle
An Rohstoffen für den Betrieb der Brennöfen mangelt es nicht, jedenfalls nicht direkt. Die Braunkohle kann direkt in Deutschland aus dem Boden geholt werden. Zwei Reviere gibt es dafür. Eines liegt in der Lausitz und erstreckt sich über die Länder Brandenburg und Sachsen. Das rheinische Revier liegt 700 Kilometer weiter westlich in Nordrhein-Westfalen. Da die CO2-Emissionen der Braunkohlekraftwerke besonders hoch sind, gibt es immer wieder Proteste gegen deren Betrieb.
Bei der Steinkohle sieht es anders aus. Sie wird in Deutschland gar nicht mehr gefördert, sonder muss aus dem Ausland importiert werden. Grundsätzlich gibt es keinen Mangel an Steinkohle. Doch es muss gelingen, die bisherigen Importe aus Russland durch Käufe in anderen Ländern zu ersetzen. Aus Russland kam bisher die Hälfte der importierten Steinkohle. Als alternative Lieferanten kommen zum Beispiel die beiden größten Exportländer Indonesien und Australien in Frage.
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