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Grünen-Politikerin: „Raumfahrt zum Wohle der Gesellschaft”

Die Grünen-Politikerin Anna Christmann ist die Raumfahrkoordinatorin der neuen Regierung. Ein Gespräch über Zukunftspläne und Finanzierungen.
Anna Christmann, Grünen-Politikerin und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung. (Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar)
Anna Christmann, Grünen-Politikerin und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung. (Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar)

Raumfahrt ist lange keine Domäne der Grünen gewesen. Jetzt kümmert sich die Anna Christmann für die Bundesregierung um die Themen. Im Gespräch berichtet sie von ihren Zielen: Sie will das staatliche Programm ausbauen, setzt auf Innovationen und darauf, mehr privates Geld für die Branche zu gewinnen.

Frau Christmann, Sie koordinieren vom Bundeswirtschaftsministerium aus die Luft- und Raumfahrt, demnächst werden Sie zusätzlich Wirtschaftsminister Robert Habecks Start-up-Beauftragte. Was wollen erreichen?

Die Luft- und Raumfahrt ist das perfekte Aufgabenfeld für eine Grünen-Politikerin wie mich. Ich will mich für jene Technologien einsetzen, die wir brauchen – mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen, und auf unsere Ziele. Vor allem natürlich für den Klimaschutz. Ich war bereits vorher Innovationspolitikerin und darf das jetzt weiter sein. Darauf freue ich mich.

Und was wollen Sie anders machen als die Union, deren Themenfelder das bislang waren?

Wir Grüne verstehen Innovationen besonders umfassend: Sie sollen der Gesellschaft dienen. Insgesamt geht es mir darum, gute Rahmenbedingungen für die zu liefern, die in diesen Innovationsfeldern unterwegs sind. Das wollen wir in der Koalition gemeinsam angehen.

Über Anna Christmann

Anna Christmann sitzt seit 2017 für die Grünen im Bundestag. Die 38-Jährige hat Politik, Volkswirtschaft und Mathematik in Heidelberg studiert und war in der vergangenen Legislaturperiode Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik. Zudem war sie Obfrau der Enquete-Kommission für künstliche Intelligenz. Jetzt ist sie Koordinatorin für Luft- und Raumfahrt der Bundesregierung. Christmann lebt in Berlin und Stuttgart.

Auf der ESA-Ministerratskonferenz werden alle drei Jahre die wichtigen Projekte der Europäischen Raumfahrtbehörde festgelegt. Bei der letzten Runde im Herbst 2019 stellten die beteiligten Länder rund 14,4 Milliarden Euro bereit. Deutschland steuerte 22,8 Prozent bei, Frankreich 18,5, Italien 15,9 Prozent.

Was verbinden Sie grundsätzlich mit der Raumfahrt?

Ich sehe die Raumfahrt als Ermöglichungstechnologie für Dinge, die wir brauchen. Wir müssen mehr wissen über das Klima, über die Erde, damit wir die richtigen Entscheidungen treffen können. Es geht auch um gute und sichere Kommunikation und natürlich geht es auch ums Entdecken, darum, unser Wissen zu mehren.

Im Koalitionsvertrag finden sich an mehreren Stellen das Thema Space. Wie sieht die neue Raumfahrtstrategie der Bundesregierung aus?

Diese Strategie werden wir jetzt sehr schnell erarbeiten – bis Ende des Jahres soll sie vorliegen. Es soll eine Strategie der Ermöglichung sein: Raumfahrt zum Wohle unserer Gesellschaft. Unser Schwerpunkt wird auf dem Klima liegen, aber auch auf dem Innovations-Ökosystem.

Was verstehen Sie unter einem Innovations-Ökosystem?

Wir wollen die Hürden gerade für kleinere Startups abbauen und ein Umfeld schaffen, in dem sich sowohl die Großen als auch die Kleinen entwickeln können. Zum Beispiel kann der Staat dafür sorgen, dass bei öffentlichen Ausschreibungen unterschiedliche Akteure teilnehmen, und so Technologien und das gesamte Innovationsystem fördern.

“Wir wollen die Hürden für kleinere Startups abbauen.”

Sie wollen das Nationale Raumfahrtprogramm stärken. Bedeutet das, dass der Etat erweitert wird? Zuletzt standen immer rund 300 Millionen Euro jährlich zur Verfügung.

Die Haushaltsverhandlungen stehen noch am Anfang. Ich bin gar nicht so glücklich über diesen Namen. National – das klingt, als würden wir Raumfahrt nur in Deutschland sehen. Tatsächlich geht es jedoch darum, die europäische Raumfahrt insgesamt zu stärken, mit unserem nationalen Budget ebenso wie im Rahmen der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

Wir haben in Deutschland größere Raumfahrtstandorte in Bayern, Baden-Württemberg und Bremen. Was haben die vom Raumfahrtprogramm der Ampel?

Wir brauchen Menschen, die die Technologien entwickeln und Projekte konkret umsetzen. Wenn wir als Bundesregierung Programme aufsetzen, werden wir diese ausschreiben. Und wenn es da eine breite Beteiligung gibt, um so besser.

Die Branche ist im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen klein. Rechnen Sie mit neuen Jobs?

Es geht ja nicht nur um staatliches Geld, sondern auch um private Investitionen. Wenn es gelingt, die zu mobilisieren, kann die gesamte Branche wachsen, und das bedeutet dann mehr Arbeitsplätze.

Im Herbst findet die ESA-Ministerratskonferenz statt, auf der die großen gemeinsamen EU-Projekte beschlossen werden. Mit welchen Plänen gehen Sie dorthin?

Die ESA hat schon gute Vorschläge gemacht, worüber wir sprechen sollten. Zum Beispiel zum Thema Greener Space, aber auch Weltraumschrott und Sicherheit im Weltraum, damit wir alle gemeinsam den Weltraum gut nutzen können und das nicht von einem einzelnen dominiert wird. Zudem wollen wir darüber sprechen, wie wir in Europa einen agileren Raumfahrtsektor als bisher schaffen.

Sind Sie bereit, wieder soviel Geld auszugeben wie bei der letzten Konferenz? 2019 waren es rund 3,3 Milliarden Euro, Deutschland der größte Einzelzahler.

Es steht Deutschland als größtem Wirtschaftsstandort in der EU sicher gut an, auch entsprechend mitzuwirken. Das haben wir letztes Mal gezeigt, das ist unser Anspruch diesmal.

Es geht darum, die europäische Raumfahrt insgesamt zu stärken.”

Wie wollen Sie dem in der Raumfahrt sehr mächtigen Frankreich trotzen, das seine Interessen mit einem Minister vertritt, während Deutschland eine Beauftragte schickt?

Ich sehe das als gemeinsame Aufgabe, einen starken europäischen Raumfahrtstandort zu schaffen. Wir haben Projekte gemeinsam mit Frankreich, gemeinsam mit Italien, es gibt EU- und ESA-Projekte. Ich finde es positiv, dass Frankreich sehr engagiert ist, und möchte, dass Deutschland auch eine treibende Kraft ist.

Es gab bereits zwei Brandanschläge auf den Bremer Satellitenspezialisten OHB, weil er Geschäfte mit der Bundeswehr macht. Wie wichtig ist die militärische Nutzung von Weltraumtechnologie?

Brandanschläge verurteile ich. Gewalt kann nicht Teil einer gesellschaftlichen Debatte sein. Das  erschwert den Dialog. Darüber zu reden, wofür wir Technologien einsetzen wollen, hilft der Akzeptanz der Technologien. Entscheidend ist, dass nicht die Technologie selbst gut oder böse ist, sondern das, wofür wir sie einsetzen. Und um sie für den richtigen Zweck einzusetzen, muss man sehr gut in diesen Technologien sein.

Wie stehen Sie zu den Plänen, Raketen von einem Schiff in der Außerordentlichen Wirtschaftszone der Nordsee zu starten?

Dass Argument, es müsse dringend einen Startplatz in Deutschland geben, finde ich nicht überzeugend. Wir müssen Startplätze in Europa prüfen und gemeinsam nutzen, zum Beispiel die in den nordischen Staaten. Wir müssen uns auch fragen, wie viele Startplätze wir in Europa und der Welt brauchen. Und ob der Start von einem Schiff in der Nordsee überhaupt ein Weg ist, schnell und gut ins All zu kommen, ist noch nicht abschließend geklärt.

Wann startet die erste deutsche Astronautin ins All?

Ich hoffe bald. Die Esa hat die Anzahl an Astronautinnen in der neuen Ausschreibungsrunde verbessert. Das begrüße ich sehr und hoffe, dass demnächst eine deutsche Astronautin dabei sein wird.

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