Der Bankier Carl Fürstenberg wußte nicht nur mit Geld umzugehen, sondern war auch ein Mann von scharfer Zunge. Obwohl inzwischen bald 100 Jahre tot, sind einige seiner Bonmots bis heute in Erinnerung geblieben. Am bekanntesten ist wohl sein beißender Spott über Kleinaktionäre. Dumm und frech seien diese, so Fürstenberg. Dumm, weil sie Aktien kauften. Und frech, weil sie dafür auch noch Dividende wollten.
Wenn man die Hauptversammlung des Pharma- und Agrarkonzerns Bayer am Freitag mitverfolgte, dann bleibt zu konstatieren, dass Fürstenberg auch lange noch seinem Tod mal wieder Recht behält.
Bayer in den Abgrund geführt: Desaster mit Ansage
Bitterlich haben sich die Aktionärsvertreter über den schlechten Zustand des Unternehmens beschwert. Und Konzernchef Bill Anderson schwere Vorwürfe gemacht. Nun muss man wissen: Anderson ist erst seit Juni 2023 im Amt. Und stellt sich seither der Aufgabe, die Trümmer zusammen zu kehren, die sein Vorgänger Werner Baumann hinterlassen hat.
Baumann hat Bayer sieben Jahre geführt. In den Abgrund geführt, muss man sagen. Dass der Konzern bei ihm in schlechten Händen war, das wurde schnell ersichtlich. Entgegen aller Warnungen, auch der eigenen Investoren, zog er gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Übernahme des umstrittenen US-Saatgutkonzerns Monsanto durch.
66 Milliarden US-Dollar legte Baumann für die Übernahme auf den Tisch. Geträumt wurde in Leverkusen von Bayer als integriertem Life-Science-Konzern. Es wurde ein Albtraum. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen, die seither damit beschäftigt sind, milliardenschwere Klagen abzuwehren. Es geht um die Frage, ob Krebserkrankungen auf den Monsanto-Unkrautvernichter Glyphosat zurückzuführen sind.
Keine schnellen Lösungen bei Bayer
Die teure Übernahme hatte ihren Preis: Bayer ist nicht nur hoch verschuldet. Es fehlte auch an Geld, um in das Unternehmen zu investieren. Die Pharmasparte wurde vernachlässigt. Die Pipeline an künftigen Medikamenten ist mager.
Sieben Jahre ließ der Aufsichtsrat Baumann gewähren. Und nun verlieren manche Aktionäre schon nach weniger als einem Jahr die Geduld mit Anderson.
“Während der Dax in den letzten zwölf Monaten um zwölf Prozent zulegte, mussten die Bayer-Aktionäre einen Wertverlust von 55 Prozent verkraften”, jammerte Janne Werning von Union Investment. Und Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka kritisierte, dass die Heilung von Bayer nicht schnell genug vorangehe.
Als ob sich die Probleme von Bayer mal eben so lösen ließen. Eine ausgetrocknete Pharma-Pipeline lässt sich nicht von heute auf morgen reparieren. Das dauert Jahre. Es sei denn, man investiert viel Geld in Zukäufe. Geld, das Bayer nicht hat.
Bayer ist weniger wert als Monsanto gekostet hat
Es war reichlich Zeit, bei Bayer auszusteigen. Auch nach der Übernahme von Monsanto gab es noch Gelegenheit, zu Preisen von um die 120 Euro je Aktie zu verkaufen. Nun ist das Papier bei 27 Euro angekommen. Bayer ist damit noch um die 26 Milliarden Euro wert. Weniger als die Hälfte dessen, was mal für Monsanto bezahlt wurde.
Wer heute noch dabei ist, ist selber schuld. Und wer mit dem Finger auf Konzernchef Anderson zeigt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob das möglicherweise vom eigenen Versagen ablenken soll. Denn es war unzweifelhaft dumm, noch in Bayer zu investieren. Und es ist frech, jetzt Anderson Vorhaltungen zu machen.
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