Im Jahr lässt jeder Deutsche laut dem Europäischen Kerzenverband (ECA) im Schnitt 2,2 Kilo Kerzen abbrennen. Das ist weniger als in Dänemark. Dort sind es 3,7 Kilo pro Kopf, aber doch eine Menge. Die Hälfte besteht in etwa aus Paraffin, ein Nebenprodukt aus Erdöl-Raffinerien. Vom Öl will die Welt aber weg.
Eine Alternative sind Kerzen aus Stearin, das aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Raps und Soja kommen zwar als Basis in Mode, meist handelt es sich aber um Palmöl. Und für diesen Rohstoff werden oft riesige Flächen tropischen Regenwalds vernichtet, etwa in Indonesien oder Malaysia. Darum sehen Umweltschützer Kerzen aus Palmöl auch kritisch. Also Kerzen aus Bienenwachs, auch wenn sie nicht gerade billig sind? Oder müssen für diese die Insekten leiden? Fragen an einen der führenden Bienenforscher, den Würzburger Professor Jürgen Tautz.
Professor Tautz, brauchen die Bienen den Wachs nicht eigentlich selbst – sie ziehen darin schließlich ihren Nachwuchs groß?
Die Honigbienen sind die einzigen Tiere, die das Baumaterial für ihr Zuhause selber herstellen. Das Wachs, genauer kleine Wachsplättchen, bilden die Bienen in den acht Drüsen auf ihrem Hinterleib. Aus den Plättchen bauen sie dann die sechseckigen Zellen für die Waben. Das ist eine enorme Arbeit. 100 Gramm Wachs – das ist eine Menge, die sich jeder gut vorstellen kann – entspricht sagenhaften rund 125.000 kleinen Wachsplättchen.
Wie viel Wachs produzieren die Bienen denn insgesamt?
Das Bienenvolk startet umgehend mit der Herstellung von Wachs, wenn es wächst oder wenn es in eine neue Wohnhöhle umzieht. Für eine ganz neue Behausung, wenn alle Waben neu angelegt werden müssen, sind etwa etwa 1,2 Kilo Wachs nötig. Das kostet viel Kraft, die Bienen müssen dafür etwa 7,5 Kilogramm Honig fressen.
„Bei Honigbienen ist das dichte Beisammenleben der Kern ihrer Natur.”
Kritiker meinen, die Bienen würden – ähnlich wie Hühner und Schweine – in einer nicht artgerechten Massenzucht gehalten und beim Einsammeln des Bienenwachses, auch des Honigs, oft verletzt.
Massentierhaltung bezieht sich auf die Art der Unterbringung von Tieren, die nicht deren Natur entspricht. Bei Honigbienen ist das dichte Beisammenleben aber der Kern ihrer Natur. Honigbienen kommen ausschließlich als Kolonien vor. Sie leben in einer Dichte wie kaum ein anderes Tier. Sie halten selbst ihre Behausung penibel sauber, um das Ausbrechen von Krankheiten zu verhindern. Anders als in der künstlichen Massentierhaltungen werden auch keine Antibiotika benötigt.
Wie gewinnt der Imker das Wachs?
Der Imker entnimmt für die Kerzenherstellung kein Wachs aus dem Brutnest der Bienen. Das wäre ungeeignet, da alle Waben mit einem feinen Gespinst ausgekleidet werden. Reine Wachszellen gibt es dagegen im Honigraum. Die entnimmt der Imker im Herbst, dann kann er die Waben einschmelzen und zu Kerzen verarbeiten. Die Bienen produzieren im folgenden Jahr neues Wachs – je nach Bedarf.
„Kerzen aus Wachsen pflanzlicher Herkunft richten viel Schaden an.”
Worauf sollten Verbraucher bei Bienenwachskerzen achten?
Reines Bienenwachs sollte es sein. Am besten lange Zeit abgelagerte Kerzen, die brennen sehr langsam und gleichmäßig.
Würden Sie auch andere Kerzen empfehlen?
Nein. Kerzen aus Wachsen pflanzlicher Herkunft richten indirekt viel Schaden an. Für die wachserzeugenden Nutzpflanzen verschwinden natürliche Lebensräume. Komplett anders ist das bei den Bienen. Die Bienen produzieren ihr Wachs nachhaltig. Der Nektar für den Honig stammt aus Blüten, die von den Bienen bestäubt werden. Dadurch gibt es Früchte und Samen und neue Pflanzen für neuen Nektar und Pollen, aus dem die Bienen wieder Wachs herstellen können. So schließt sich der Kreis.
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Über Jürgen Tautz
Professor Jürgen Tautz, 72, ist Bienenexperte, Biologe und Autor zahlreicher Bücher. Seit 2004 ist Tautz der Gründungsvorsitzende des Bienenforschung Würzburg e.V., außerdem forscht er am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Im Januar kommt von ihm und zwei Mitautoren „Imke fliegt zur Sonne” beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband DBSV heraus.
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