Die Überlegung scheint einfach zu verführerisch: Soll ich einen Kredit aufnehmen, um in Aktien zu investieren? Wenn Sie den Gedanken auch schon mal hatten, so sind Sie damit weder der Erste noch der Letzte. Solange Menschen an die Börse gehen, kommen sie irgendwann auf diese Idee. Warum auch nicht? Die Überlegung ist legitim.
Ein Kredit kann die Feuerpower an der Börse beträchtlich erhöhen. Das zusätzliche Kapital kann dazu eingesetzt werden, mehr Aktien zu kaufen. Damit profitiert man überproportional von potenziellen Kurssteigerungen und Dividendenzahlungen. Im Börsenjargon spricht man von der Hebelwirkung (engl. Leverage) eines Kredits. Denn damit erhöht sich die potenzielle Rendite auf dem eingesetzten Eigenkapital.
Kredit aufnehmen, um in Aktien zu investieren: Die Rechnung
Wir illustrieren an einem Beispiel, wie diese Hebelwirkung funktioniert: Wenn Sie mit einem Eigenkapital von 30.000 Euro Aktien kaufen und damit binnen eines Jahres sechs Prozent Kurssteigerung erzielen und 600 Euro Dividende erhalten, so beträgt ihre Rendite acht Prozent (wir blenden Gebühren und Steuern der Einfachheit halber aus). Nehmen Sie weitere 30.000 Euro als Kredit auf, um in Aktien zu investieren, steigt die Rendite auf dem Eigenkapital auf 16 Prozent. Davon gehen noch die Kreditkosten weg.
Mathematisch ist folglich leicht nachvollziehbar, warum Menschen auf die Idee kommen, dass Sie einen Kredit aufnehmen könnten, um in Aktien zu investieren. Zumal immer mehr Menschen bewusst wird, dass die Chancen auf Vermögensmehrung an der Börse potenziell am größten sind. Wenn das nötige Eigenkapital dafür nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, kann ein Kredit der Türöffner sein.
Aktien: Überlegen Sie gut, bevor Sie einen Kredit aufnehmen
Doch Sie ahnen es, es birgt auch Risiken, wenn man Aktien auf Kredit kauft. Was man nie vergessen sollte: Die Bank will ihren Kredit mit Zinsen immer zurück, egal wie erfolgreich oder erfolglos Sie an der Börse spekulieren. Was das konkret bedeutet, illustrieren wir wieder an einem Beispiel.
Nehmen wir erneut an, Sie haben 30.000 Euro für Aktiengeschäfte zur Verfügung und stocken diese Summe mit einem Kredit auf 60.000 Euro auf: Wenn die Kurse nun um 50 Prozent fallen, ist Ihr Investment noch 30.000 Euro wert. Dieses müssen Sie verkaufen, um die Ansprüche der Bank zu befriedigen. Für Sie selbst bleibt nichts mehr übrig. Ihr Erspartes liegt nun bei Null, während es sich sonst nur halbiert hätte (bezieht man auch Gebühren und Zinsen ein, sieht die Rechnung sogar noch mieser aus).
Bei einem Aktienkauf auf Kredit schlägt der Hebel in beide Richtungen zu. Überlegen Sie also gut, bevor Sie einen Kredit aufnehmen, um in Aktien zu investieren.
Psychologische Fallstricke und das Risiko, Aktien auf Kredit zu kaufen
Die Börse ist ein Territorium, auf dem sich Menschen gerne in die Irre führen lassen. Es gibt zahlreiche psychologische Effekte, denen wir leicht erliegen. Dazu gehört zum Beispiel der Rückschaufehler: Nachdem ein Ereignis eingetreten ist, zum Beispiel steigende Aktienkurse, glauben wir tendenziell, dass dieses vorhersehbar war. Das verführt uns dann zu der Annahme, dass wir beim nächsten Mal einen Kredit aufnehmen sollten, um in Aktien zu investieren und so richtig Kasse zu machen. Sie ahnen es, das ist der Boden, auf dem Desaster gedeihen.
Ein weiterer psychologischer Effekt ist eine Form des Survivorship-Bias: Aktien, die um 500 oder 800 Prozent gestiegen sind, strahlen hell vom Börsenhimmel. Sie prägen unsere Wahrnehmung von der Börse und überstrahlen die Tatsache, dass im gleichen Zeitraum viele andere Aktien deutlich weniger gestiegen oder gar gefallen sind. Diese Kursanstiege hätten womöglich noch nicht einmal die Kreditkosten gedeckt.
Erfolgspapiere wie die von Amazon bedienen sowohl Rückschaufehler als auch Survivorship-Bias: Im Nachhinein ist es für alle offensichtlich, dass der vormalige Online-Buchhandel aus Seattle auf dem Weg zum Digitalriesen war und man nur kräftig hätte investieren müssen – auch auf Kredit.
Kredit aufnehmen und Aktien kaufen – Zwei Wege
Wenn Sie einen Kredit aufnehmen wollen, um in Aktien zu investieren, haben Sie dafür mindestens zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist ein Privatkredit. Dabei kommt es auf die Laufzeit und die Zinszahlungen an. Beides kann ihre Investitionsthese zerstören. Sind die Zinsen zu hoch, werfen ihre Aktiengewinne womöglich zu wenig ab, um sie zu decken. Ist die Laufzeit zu kurz, kann es Ihnen passieren, dass sich der Erfolg an der Börse bis zur Tilgung noch nicht eingestellt hat. Zwar können sie dann refinanzieren, aber Sie merken schon, wie wackelig das Vorgehen ist.
Die zweite Möglichkeit ist, dass Ihnen der Broker einen Kredit für den Aktienkauf zur Verfügung stellt. Dann gelten die Wertpapiere in Ihrem Depot als Sicherheit. Auch das hat einen Pferdefuß. Gehen die Kurse auf Talfahrt, nimmt der Wert Ihrer Sicherheiten ab. Der Broker wird verlangen, dass Sie Geld nachschießen. Wenn er befürchten muss, dass er sein Geld nicht wieder sieht, wird er Ihre Aktien zwangsverkaufen – genau dann, wenn dafür an der Börse nicht viel zu bekommen ist (siehe dazu auch: Was bedeutet Buy on Margin?).
Fazit: Ist es ratsam, Aktiengeschäfte mit Krediten zu finanzieren?
Wenn Sie einen Kredit aufnehmen wollen, um in Aktien zu investieren, so sollten Sie dafür an der Börse schon sehr erfahren sein und genau wissen, was Sie tun. Dazu gehört nicht nur das wirtschaftliche und technische Wissen, sondern auch die emotionale Reife. Für viele Menschen ist der Aktienkauf schon mit dem eigenen Geld aufregend genug, ein Kredit potenziert Risiko und emotionale Wirkung.
Für Anfänger ist es nicht ratsam, Aktiengeschäfte mit Krediten zu finanzieren. Sie riskieren damit in eine Schuldenspirale zu geraten, aus der sie nur noch schwer hinauskommen. Für alle an der Börse gilt das geflügelte Wort von Starinvestor Warren Buffett: Es ist alles möglich, auch das Gegenteil. Und wenn das Gegenteil negativ ist, fühlt sich das bei einem Aktienkauf auf Kredit deutlich unangenehmer an, als es ohnehin schon ist.
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