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Wahlkampfthemen 2021: Von Auf- und Umbrüchen

Erleben wir bei der anstehenden Bundestagswahl einen Umbruch wie 1998? Einiges spricht dafür – mit einem großen Unterschied.
2021 vs. 1998: Entscheidende Unterschiede bei der aktuellen Bundestagswahl. (Foto: Mika Baumeister)
2021 vs. 1998: Entscheidende Unterschiede bei der aktuellen Bundestagswahl. (Foto: Mika Baumeister)

Der aktuelle Wahlkampfslogan der Liberalen fasst die Erwartungen an die nächste Bundesregierung gut zusammen. „Nie gab es mehr zu tun.“ Das klingt ein bisschen wie 1998. Damals hat die SPD ein Porträt von Gerhard Schröder plakatiert mit dem Slogan: „Ich bin bereit“. Tatsächlich war seinerzeit nicht nur der selbstbewusste Sozialdemokrat bereit für einen Politikwechsel, sondern spürbar der übergroße Teil der Gesellschaft. Mit 40,9 Prozent für die SPD und 6,7 für die Ökopartei wurde deshalb ein lange für unmöglich gehaltenes Bündnis möglich.

Rot-Grün sollte sieben Jahre lang die Regierung stellen, am Ende gab es Neuwahlen, weil die Bevölkerung dieser Koalition nicht mehr vertraute. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Die Frage, die fast ein Vierteljahrhundert später im politischen Raum steht, lautet: Ist 2021 das neue 1998? Markiert diese Bundestagswahl einen politischen und gesellschaftlichen Neuanfang? Eher nicht, und das hat mehrere Gründe.

Die Wahlkampfthemen haben sich verändert

Dass die Bürger im Jahr 1998 der SPD und den Grünen erst einmal zutrauten, einen Aufbruch zu gestalten, lag zum einen an der Übergärigkeit der Konservativen. Nach sechzehn Jahren Helmut Kohl war die Union nicht nur inhaltlich entkernt – auf dem Plakat mit dem Porträt des Oggersheimers prangte ein nichtssagendes „Weltklasse für Deutschland“. CDU und CSU führten zudem ein Land mit viereinhalb Millionen Arbeitslosen, in Ostdeutschland lag deren Quote vereinigungsbedingt sogar bei knapp zwanzig Prozent.

Heute sind fehlende Jobs nicht mehr das beherrschende Wahlkampfthema. Vielmehr ist es die zusehends stärkere Ratlosigkeit der schwarz-roten Bundesregierung angesichts immer größerer Zeitfragen in einer komplexer werdenden Welt. Die CDU plakatiert Armin Laschet mit dem sehr vagen Claim „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“. Die Megathemen sind mittlerweile die klima- und industriepolitische Transformation und die Frage nach der Rolle Europas in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen.

Der Förderalismus kommt an seine Grenzen

Was groß klingt, muss im kleinen von der Politik und ihren Institutionen bearbeitet und gelöst werden. Dass es genau hier hakt, haben die zurückliegenden anderthalb Corona-Jahre wie unter einem Brennglas gezeigt. Die Erfahrung lautet grob gesagt: Wenn es ernst wird, ist der Staat zu schwerfällig, seinen Bürgern schnell und effektiv zu helfen. Das hat sich gezeigt beim Beschaffen von Masken, beim Ankauf und der Logistik der Impfdosen. Oder wenn Kinder jetzt in ihre Schulen zurückkehren und dabei dem Virus so ausgesetzt sind wie vor den Ferien.

Der Föderalismus ist mit dem Covid-Härtetest erkennbar an seine Grenzen gestoßen. In den Ministerpräsidentenkonferenzen war zu beobachten, wie das Miteinander von einer Kakophonie des Nebeneinanders übertönt wurde. Das Vertrauen in den Staat und seine politischen Akteure ist seither in weiten Teilen der Gesellschaft mindestens erschüttert. Die Maskendeals einiger Unionspolitiker haben das ihre dazu beigetragen.

Ohne SPD oder Union geht diesmal gar nichts

Ebenso verhält es sich bei als Grundmelodie stets mitlaufenden Wahlkampfthemen wie der langsam, aber stetig zunehmenden Inflation oder der nach sechzehn Merkel-Jahren größer statt kleiner werdenden Spaltung der Gesellschaft in Jung und Alt, Ost und West, Links und Rechts. Es braucht gar nicht unbedingt den Anblick Flaschen sammelnder Rentner, um zu konzedieren, dass die Konservativen ihr Wohlstandsversprechen nicht einhalten können. Selbst immer mehr Familien mit gutem Einkommen haben angesichts explodierender Preise nicht mehr das Geld, um etwa eine Wohnung oder ein Eigenheim zu finanzieren.

Aber reicht das alles für eine Wechselstimmung wie 1998? Für etwas politsch völlig Neues, Experimentelles? Eher nicht. Obwohl der Wahlkampfsommer innenpolitisch durch die Hochwasserkatastrophe und außenpolitisch durch das Afghanistan-Drama an Dynamik gewonnen hat, hinkt der Vergleich mit damals. Denn 1998 mussten beide Regierungsparteien – Union und FDP – in die Opposition. Wie auch immer das Ergebnis diesmal ausfällt – ohne SPD oder Union geht diesmal gar nichts. Und allein das macht einen entscheidenden Unterschied.

 

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