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Jens Spahn: „Wir sind staatstragend, besonders in der jetzigen Krise”

Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn über die Rolle der CDU in der Opposition, den Umgang mit der Krise und Kritik an der Ampel-Regierung.
Jens Spahn (CDU), Unions-Vizefraktionschef und ehemaliger Gesundheitsminister. (Foto: Maximilian König)
Jens Spahn (CDU), Unions-Vizefraktionschef und ehemaliger Gesundheitsminister. (Foto: Maximilian König)

Bei der letzten Bundestagswahl konnte sich die Union nicht durchsetzen und findet sich mittlerweile in der Opposition wieder. Ein Gespräch mit dem Vizefraktionschef und ehemaligem Gesundheitsminister Jens Spahn über die aktuelle Rolle der CDU, Kritik an der Ampel-Regierung und den Umgang mit Krisen. 

Herr Spahn, Sie waren während der Griechenlandkrise Finanzstaatssekretär, während der Corona-Pandemie Gesundheitsminister. Mittlerweile haben wir eine handfeste Energieversorgungskrise und Sie sind als Vizefraktionschef der Union für Wirtschaft und Energie zuständig. Beschleicht Sie manchmal das Gefühl: Wo ich bin, da ist Krise?

Das könnte man denken, ja. Vielleicht folge ich auch den Krisen. Diese Krisen sind Herausforderungen für unsere Gesellschaft. Ich sehe das immer als Möglichkeit, zu gestalten, zu helfen, dass etwas besser wird. Krisen sind auch Zeiten, in denen man eine Menge verändern kann.

Aber in der Regierung wäre es schon angenehmer, oder?

Wenn Sie mich fragen, was ich nach meiner Zeit als Minister am meisten vermisse, dann ist das: Entscheidungen zu treffen. Denn die machen den Unterschied. Das geht natürlich schwerer in der Opposition.

Es gibt erste Vermieter, die warmes Wasser rationieren. Werden die Wähler, etwa im Herbst in Niedersachsen und 2024 in Bayern und Hessen, goutieren, dass die Union vor allem stänkert statt Lösungen zu präsentieren?

Das sehe ich anders. Wir sind staatstragend, in der jetzigen Krise besonders. Zum Beispiel haben wir einer Reihe von Energiesicherungsgesetzen zugestimmt. Und ich gestehe der Regierung ausdrücklich zu, dass sie sich bei manchen Themen korrigieren muss – das ist eben so in Krisen. Aber gleichzeitig legen wir den Finger da in die Wunde, wo aus Sicht der Union früher oder mehr hätte passieren müssen. Das ist bei den Themen Inflation und Energie so. Wir haben schon im März mehr Kohleförderung angemahnt, damit weniger Gas gebraucht wird. Jetzt, im Juli, passiert das endlich. Da fragen wir natürlich: Warum nicht früher? Meine Vermutung ist: Wegen der beiden Landtagswahlen im Mai.

„Es gibt Einkommensklassen, denen ist auch ein hoher Energiepreis egal. Damit auch diese Leute sparen, bin ich dafür, dass man ab einer bestimmten Verbrauchsmenge den Preis enorm erhöht.”

Selbst die konzertierte Aktion, also die Gespräche zwischen Bundesregierung und Sozialpartnern, finden Sie überflüssig. Ist das Kritik um der Kritik willen?

Nein. Dass miteinander geredet wird, ist erst mal richtig. Das passiert aber zu spät. Die Inflation war schließlich schon vor Kriegsbeginn Thema. Wir brauchen endlich ernsthafte Entscheidungen, Steuerentlastungen zum Beispiel. Von Kaffeekränzchen auf hohem Niveau haben die Bürger nichts.

Das über Megathemen gesprochen wird, müssten Sie doch noch von den Ministerpräsidentenkonferenzen aus Ihrer Zeit als Gesundheitsminister kennen.

Wie gesagt: Abstimmung ist wichtig. Aber es muss auch etwas dabei rauskommen. Beim Thema Inflation wären das aus unserer Sicht zwei Dinge: Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen und ein günstigerer Gastarif für eine festgelegte Verbrauchsmenge. Und entschiedene Einsparanreize: Es gibt Einkommensklassen, denen ist auch ein hoher Energiepreis egal, die machen weiter wie bisher. Damit auch diese Leute sparen, bin ich dafür, dass man ab einer bestimmten Verbrauchsmenge den Preis enorm erhöht. Das sind konkrete Vorschläge, aber die Ampel entscheidet nicht. Allein davon, dass sich Herr Scholz mit anderen zum Gespräch trifft, hat die Krankenschwester, hat die Rentnerin nichts.

„Es geht darum, in der Krise pragmatisch zu handeln und die Kraftwerke zumindest über den Winter nutzen zu können.”

In dieser Woche bringt die Ampel die Anpassung des Energiesicherungsgesetzes durch Parlament und Bundesrat. Sie fordern längere Laufzeiten der drei verbleibenden Atomkraftwerke. Darf man das auch als späte Abkehr von Merkels Atomausstieg verstehen, quasi die Neuerfindung der Union unter Friedrich Merz?

Wir halten am Atomenergieausstieg fest. Wir sagen aber: So wie in dieser Ausnahmesituation Kohle mehr und länger genutzt wird, braucht es das auch bei der Kernenergie. Ich finde, die Regierung darf nicht die Bevölkerung auffordern, weniger zu duschen, wenn sie nicht gleichzeitig alles tut, um die Energieversorgung zu sichern. Fünf bis sechs Prozent des Stroms aus deutschen Kernkraftwerken machen einen echten Unterschied. Es geht darum, in der Krise pragmatisch zu handeln und die Kraftwerke zumindest über den Winter nutzen zu können.

Mit dem Ja zum Weiterbetrieb von Atomkraftwerken macht sich die Union eine Position der AfD zu eigen. Halten Sie das für richtig?

Wir haben uns diese Position nicht zu eigen gemacht. Es ist unsere Position. Wir können doch Dinge nicht deshalb ausschließen, weil die AfD mal einen lichten Moment hat und das gleiche fordert. Wenn wir anfangen, uns in unseren politischen Debatten davon abhängig zu machen, was diese Partei tut, geben wir uns politisch auf. Wir gehen davon aus, was Deutschland braucht – nicht, was Grüne oder AfDler denken. Und wir brauchen sichere Energie im Winter.

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