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Bundesregierung beschäftigt ein “Heer von Beauftragten”

Die Zahl der Beauftragten der Bundesregierung wächst und wächst. Das wird zum Problem für die Kontrolle durch das Parlament
Im Auftrag der Bundesregierung: Beauftragte sollen sich besonderen Themen annehmen. (Foto: Markus Spiske)
Im Auftrag der Bundesregierung: Beauftragte sollen sich besonderen Themen annehmen. (Foto: Markus Spiske)

Vorletzte Woche hat der Queerbeauftragte der Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog vorgelegt: den Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Der Grüne Sven Lehmann fasst darin die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der Ampel zusammen. Vor allem geht es um Bildungsarbeit, um geschlechtergerechte Sprache, um das Verbot von Diskriminierung und die Finanzierung künstlicher Befruchtungen. Umsetzen müssten all das aber Regierung und Parlament. Lehmann ist einer von acht Bundesbeauftragten, die allein in diesem Jahr neu ernannt wurden.

Wie viele Beauftragte es gibt, weiß man nicht so ganz genau

Die Zahl der Beauftragten steigt und steigt: Gab es im Jahr 1992 noch 16, sind es derzeit um die 40. Daran, dass die Frage nach der exakten Zahl weder das Bundespresseamt noch das zuständige Bundesinnenministerium beantworten können, ist gut abzulesen, wie weitgehend unkontrolliert diese Funktionen vergeben werden. Hinzu kommt, dass häufig Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu Beauftragten ernannt werden, was wiederum eine bedenkliche Nähe zwischen Regierung und dem Parlament als deren Kontrollorgan bewirkt.

Bis auf Ausnahmen wie die Wehrbeauftragte, den Datenschutzbeauftragten oder die Antidiskriminierungsbeauftragte die vom Parlament gewählt wurden -, werden die anderen Beauftragten vom Kanzleramt oder den einzelnen Ministerien ernannt. Wie aber sollen sie in dieser Konstellation frei von ministerieller Einflussnahme agieren? Sind sie unter diesen Voraussetzungen nicht eher das personifizierte gute Gewissen der Bundesregierung? Und: Warum können die Ministerien diese Arbeit nicht selbst erledigen?

Beauftragte: Nicht mehr als Symbolpolitik?

Wolfgang Schroeder, Professor für das politische System der Bundesrepublik an der Universität Kassel, spricht von einer „Fehlentwicklung“. Er warnt vor einem „Heer von Beauftragten“. Die Absicht sei ja löblich: Komplexe Themen sollen nicht in Verwaltungshandeln untergehen und bekommen deshalb eine Person beigestellt, die die Prozesse im Blick behält. „Aber die Frage ist natürlich: Was kann die Person?“. Die Pflegebeauftragte Claudia Moll zum Beispiel sei „eine symbolische Repräsentationsperson“. Letztlich gehe es den ernennenden Ministerien vor allem um die Sichtbarkeit der eigenen Partei.

Die Juristin Karoline Haake, Doktorandin an der Leibniz Universität Hannover, fasst in einer kürzlich veröffentlichten Analyse die Lage so zusammen: „Wenn die Beauftragten nur über die Einsetzung per Organisationsgewalt der Regierung demokratisch legitimiert sind (…), gerät die parlamentarische Kontrolle über die Beauftragten mehr als fraglich.“

Haake fordert deshalb ein Beauftragtengesetz nach bayerischem Vorbild. Dieses regelt seit 2019 die Ernennung und Entlassung der Beauftragten des Freistaates, zudem die Pflicht zur Offenlegung weiterer Ämter und Tätigkeiten, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Das Gesetz ordnet auch eine einheitliche Amtsentschädigung und die Ausstattung mit einer Geschäftsstelle an. Dass in Bayern die Zahl der Beauftragten begrenzt wird, die zugleich Landtagsabgeordnete sind, sollte Vorbild für den Bund sein.

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