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Viel Arbeit für einen guten Nahverkehr

Damit die Verkehrswende klappt, müssen mehr Menschen den Nahverkehr nutzen. Aktuell steht der ÖPNV aber noch vor großen Problemen – eine Übersicht.
Arbeiten am Schienennetz sind nur eine von vielen Baustellen für den Nahverkehr. (Foto: Deutsche Bahn AG / Frank Kniestedt)
Arbeiten am Schienennetz sind nur eine von vielen Baustellen für den Nahverkehr. (Foto: Deutsche Bahn AG / Frank Kniestedt)

Die Menschen sollen für den Klimaschutz häufiger öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Doch dafür muss ein gutes Angebot her. Davon ist vielerorts noch nichts zu spüren – Musterbeispiele sind Berlin, Frankfurt und Heidelberg. Das sind die wichtigsten Baustellen.

Zuschussgeschäft

Busse und Bahnen sind im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kein gutes Geschäft für die Länder. Das gilt nicht nur in Pandemiezeiten, in denen zeitweilig kaum Fahrgäste unterwegs waren. Im Jahr 2017 lag der Kostendeckungsgrad gerade einmal bei 75.6 Prozent. Auf vier Euro an Kosten kamen also nur drei Euro an Einnahmen durch den Ticketverkauf herein. Kein Unternehmen würde hier angesichts dieser Verluste auf eigenes Risiko einsteigen. Also bestellen die Länder, Kreise oder Kommunen bei ihnen eine genau definierte Verkehrsleistung. Was wann, wie oft oder wohin fährt, bestimmen daher nicht die Bus und Bahnunternehmen, sondern deren Aufgabenträger. 

Milliarden fehlen

Für den ÖPNV erhalten die Länder Geld vom Bund. 11,9 Milliarden Euro sind es in diesem Jahr. Bis 2031 steigt der Zuschuss alljährlich um 1.8 Prozent. Denn der Nahverkehr soll eine tragende Rolle in der Verkehrswende zugunsten den Klimaschutzes spielen. Dafür muss er besser werden. Das Geld reicht nach Berechnungen der Länder bei weitem nicht aus. Sie fordern noch einmal 1,5 Milliarden Euro pro Jahr obendrauf. Darüber sprechen ihre Verkehrsminister in der kommenden Woche mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Die Ampel hat im Koalitionsvertrag mehr Geld für den Nahverkehr vereinbart, ohne eine Summe zu nennen.

Engpass Schiene

Das Schienennetz ist zwar mit 38.000 Kilometer enorm dicht. Und doch gibt es zahlreiche Engpässe, insbesondere rund die Knotenbahnhöfe. Dazu zählen etwa Hamburg und Frankfurt. Nah- und Fernverkehr müssen sich vielfach Gleise teilen. Wenn dann noch Güterverkehr unterwegs ist, wird es schnell eng. An die gewünschte Ausweitung des Angebots ist da oft nicht zu denken. Also müssen die Schienenwege weiter ertüchtigt werden. Das kostet weitere Milliarden. Auch hier ist der Bund gefragt, der für die Infrastruktur verantwortlich ist. Ein Schritt in diese Richtung könnte ein Bundesmobilitätsgesetz sein, das der Verkehrsclub Deutschland (VCD) vorschlägt. „Grundlage für Investitionen sollen der Klimaschutz und die Sicherung der Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung sein”, fordert VCD-Sprecher Bastian Kettner.

Sauberer Verkehr

Es sollen nicht nur mehr Fahrgäste in den Nahverkehr gelockt werden. Das Ziel liegt bei einer Milliarden zusätzlicher Fahrten bis 2030. Sie sollen auch mit sauberen Fahrzeugen transportiert werden. Auch die Umstellung von Bussen und Bahnen auf CO2-freie Antriebe erfordert gewaltigen Investitionen. Ein Beispiel sind die Busflotten. Ein E-Bus kosten nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in der Anschaffung zwischen 500.000 und 600.000 Euro. Ein herkömmliches Dieselfahrzeug gibt es schon für weniger als 350.000 Euro. Ohne eine Förderung sieht der VDV die Branche nicht in der Lage, die Umstellung aus eigener Kraft zu meistern.

Erst vergessen, nun entdeckt

In ländlichen Gebieten sind gute Nahverkehrsangebote Mangelware. In der Folge pendeln die Bewohner daher mit dem eigenen Auto zu ihren Arbeitsplätzen in der Stadt. Ein gutes ÖPNV-Angebot auf dem Land gilt daher als ein Schlüssel für die Verkehrswende. So tüfteln die Verkehrsunternehmen an Möglichkeiten, die eine Konkurrenz zum Auto werden können. Dazu gehören zum Beispiel so genannte Rufbusse, die von jedermann bestellt werden können. Unwirtschaftlich ist der Linienbetrieb mit wenigen Fahrgästen vor allem durch hohe Fixkosten für das fahrende Personal. Die Lösung könnte hier in autonom fahrenden Bussen liegen. Eine andere Lösung ist das so genannte Pooling. Dahinter verbergen sich Sammeltaxis, die auf Bestellung mehrere Passagiere einsammeln und an ihr Ziel bringen. Denkbar wäre etwa, dass mehrere Busse von einer Zentrale aus per Video überwacht werden. Es gibt bundesweit viele Modellversuche. Doch die Realität sind vielerorts noch immer trist aus. 

Netz neben Netz

Eine App für alle Mobilitätsangebote. Das würde viele Kunden des ÖPNV freuen. So könnten beispielsweise über die Grenzen einzelner Verkehrsverbände hinaus Tickets gebucht werden. Auch ließen sich zum Beispiel das Leihfahrrad oder der Mietwagen am Zielort gleich mit bestellen. Sie soll kommen, eventuell als Weiterentwicklung der Bahn-App. Darüber hinaus ließen sich mit der App Verkehrsinformationen übermitteln, etwa zu Verspätungen oder Zugausfällen. Denn mangelte Informationen über den aktuellen Verkehr gehören noch immer zu den häufigsten Kritikpunkten der Kunden.

Nur eine Vision?

Ein Blick in die Zukunft der S-Bahn verheißt komfortable Zeiten. Dort gibt es Arbeitsbereiche, in denen man mit dem Laptop schon mal etwas erledigen kann, oder Familienbereiche, in denen Kinder spielen können. Der ÖPNV soll bequem werden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Angesichts der vielen Aufgaben, technischen Herausforderungen und notwendigen hohen Investitionen wird ein perfekter moderner Nahverkehr noch lange auf sich warten lassen.
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