Die Verdienstlücke zwischen Mann und Frau beschäftigt auch die Wahlkämpfer. Die SPD schreibt auf ihren Wahlplakaten: “Wer als Frau 100 Prozent leistet, darf nicht 21 Prozent weniger verdienen.” Und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz twittert: “Warum bekommen unsere Töchter Ø 21% weniger Gehalt als unsere Söhne? Als Vater macht mich das wütend. Als Bundeskanzler will ich das ändern.” Doch gibt es die Lohnlücke überhaupt? Der Journalistico-Faktencheck.
Wie kommt die SPD auf eine Verdienstlücke von 21 Prozent?
Die Sozialdemokraten berufen sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, das Mitte März mitteilte: “Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern bei 21%.” Frauen kamen demnach im vergangenen Jahr auf einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 16,26 Euro, Männer auf 20,71 Euro. Die Angaben der Wiesbadener Behörde gelten generell als sehr verlässlich.
Warum haben Kritiker den Wahlspruch dann trotzdem angegriffen?
Sie halten die Zahl für unredlich. Denn sie vergleicht sehr pauschal die Löhne über alle Berufe und Arbeitsplatzanforderungen hinweg. Unterschiede bezüglich der Branchen und Berufe, in denen Frauen und Männer beschäftigt sind, sowie bezüglich der Arbeitsplatzanforderungen (zum Beispiel Qualifikation, Führungsaufgaben) werden dadurch ignoriert. Es werden also zum Beispiel Frauen, die Teilzeit in schlecht bezahlten Pflegeberufen arbeiten, mit Männern, die Vollzeit als Führungskraft in Hochlohnbranchen wie der Autoindustrie oder dem Finanzwesen arbeiten, miteinander verglichen.
Wie groß sind die Vergütungsunterschiede zwischen den Branchen?
Sie sind erheblich. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat das für das Jahr 2014 einmal ausgerechnet. Dazu verglichen die Wissenschaftler die Top-Ten der typischen Frauenberufe (mehr als 70 Prozent Frauenanteil) mit den zehn beliebtesten Männerberufen. Das Ergebnis: Ein Verdienstunterschied von durchschnittlich 39 Prozent. Ein wesentliches Problem: Frauen sind häufig in sogenannten Care-Berufen tätig: Pflege, Erziehung und Soziales – allesamt wichtige Aufgaben für die Gesellschaft und allesamt schlecht bezahlt.
Was passiert, wenn man diese strukturellen Unterschiede rausrechnet?
Auch das macht das Statistische Bundesamt: Demnach sind fast drei Viertel des Verdienstunterschieds von 21 Prozent durch strukturelle Unterschiede zu erklären. Nimmt man den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap, beträgt die Lohnlücke nur noch sechs Prozent (diese Zahl haben die Statistiker zuletzt für 2014 errechnet). Das bedeutet, “dass Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit pro Stunde durchschnittlich 6 Prozent weniger als Männer verdienten”.
Hat die SPD damit getäuscht?
Das ist eine Frage der politischen Sichtweise: Für Sozialdemokraten ist es ein Missstand, dass Frauenberufe schlechter bezahlt sind als Männerberufe. Sie setzen sich dafür ein, dass diese Berufe genauso gut vergütet werden wie typische Männerberufe. Folgt man dieser Sichtweise, erscheint die 21-Prozent-Argumentation zwar schwierig, aber durchaus vertretbar.